Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/2075: Neuer Erdölfund in Kenia - Umweltfolgen kein Thema (SB)


Kenia auf kritischem Wachstumskurs



Am liebsten wäre Kenia das erste Land Afrikas, das seine Energieversorgung ausschließlich durch erneuerbare Energien sicherstellt. Gleichzeitig setzt es auf wirtschaftliches Wachstum und will bis zum Jahr 2030 zur Industrienation aufgestiegen sein, was sich mit regenerativen Energien nur schwer bewerkstelligen läßt. Da kommen die jüngsten Erdölfunde genau richtig. Das ostafrikanische Land wird nicht darauf verzichten, sich dem Kreis der erdölproduzierenden Länder anzuschließen, und versuchen, allen Umweltgefahren zum Trotz die Förderung der Energieträger Erdöl und Erdgas voranzutreiben. Ende Oktober teilte das britische Unternehmen Tullow Oil mit, daß es in Kenia an der Bohrstelle Twiga South-1 im Fördergebiet Block 13T auf Erdöl gestoßen ist. Einzelheiten würde es gemeinsam mit seinem Partner Africa Oil Mitte November bekanntgeben. [1]

In Kenia wird in vier größeren Gebieten - Anza, Lamu, Rift und Mandera - entweder onshore oder offshore nach Erdöl gesucht. Im Frühjahr dieses Jahres teilte der kenianische Präsident Mwai Kibaki mit, im Bezirk Turkana (Bohrloch Ngamia-1 im Block 10BB) sei erstmals eine beträchtliche Erdöllagerstätte entdeckt worden. Schon damals hatte sich Tullow Oil zuversichtlich gezeigt, aufgrund gleicher geologischer Voraussetzungen auch an anderen Stellen auf den begehrten Rohstoff zu stoßen. Die zweite Fundstelle, in der jetzt eine Erdölschicht angebohrt wurde, liegt in rund 30 Kilometern Entfernung.

Die kenianische Regierung hofft, mit Hilfe der Funde seine Erdölabhängigkeit lindern zu können. Das Land importiert jährlich 3,4 Millionen Tonnen Öl. Der Pro-Kopf-Verbrauch von 94,4 kg jährlich ist zwar verglichen mit anderen Entwicklungsländern gering, schlägt sich aber schon jetzt deutlich im Staatshaushalt nieder und dürfte in den nächsten Jahren zunehmen. In dem weltweit vorherrschenden Wirtschaftssystem, das wesentlich auf fossile Energieträger sowie auf Erdöl als Grundsubstanz der chemischen Industrie beruht, gilt es geradezu als Zeichen einer geringen Entwicklung, wenn der Erdölverbrauch niedrig bleibt.

Die Entdeckung von Erdöl, dessen Menge noch genauer bestimmt werden muß, wird von dem kenianischen Energieminister Patrick Nyoike mit den Worten kommentiert: "Das ist eine bedeutende Entwicklung für unser Land." Ähnlich äußerte sich der Wirtschaftsberater George Wachira: "Das ist ein ermutigender Fortschritt in Richtung einer kommerziellen Erdölförderung." [2]

Die Erdölfunde werden von der kenianischen Regierung nicht zuletzt deshalb gefeiert, weil die US-Regierung soviel Druck auf Kenia ausgeübt hat, daß es in diesem Sommer ein unterschriftsreifes Abkommen mit Iran über die Lieferung von Erdöl streichen mußte. [3] Außerdem hat sich die Hauptenergiequelle Kenias, die Wasserkraft, die in regenreichen Jahren des vergangenen Jahrzehnts einen Anteil an der Energieversorgung von 70 Prozent besaß, als weniger zuverlässig erwiesen, als die früheren Regierungen in ihren Entwicklungsplänen angenommen hatten. Im Zuge des Klimawandels, der nach Einschätzung von Wissenschaftlern Ostafrika häufigere und länger anhaltende Dürren bescheren wird, dürfte die Bedeutung der hydroelektrischen Anlagen für die Stromversorgung des Landes abnehmen.

Windenergieanlagen wie der im Aufbau begriffene Turkana-Windpark, Solarparks und Geothermie-Kraftwerke, deren Ausbau Kenia vorantreibt, bieten zwar Alternativen, aber werden voraussichtlich nicht den Bedarf aufgrund einer kontinuierlich wachsenden Wirtschaft und einer dem westlichen Konsummodell nachfolgenden Bevölkerung nicht decken können. Außerdem braucht Kenia grundlastfähige Energiequellen, da es immer wieder zu Stromabschaltungen kommt.

Ein weltweit einzigartiges Konzept, das Erdöl dort zu lassen, wo es liegt, wie es Ecuador zum Schutz seines Yasuni-Nationalparks vorschlägt, wird in Kenia offensichtlich nicht erwogen. Zwar gefährdet die Erdölförderung beispielsweise auch den ökologisch wertvollen Turkana-See, aber ähnlich wie im Nachbarland Uganda nicht einmal der Virunga-Nationalpark ein Tabu gegen den ungeheuren Erdöldurst der wachsenden Volkswirtschaften darstellt und zumindest in der Peripherie für die Erdölförderung freigegeben wird.

Abgesehen von Kenia entwickeln sich derzeit auch andere afrikanische Länder wie Ghana, Uganda oder die somalische Provinz Somaliland zu erdölfördernden Staaten. Die Nachricht von der erfolgreichen Bohrung wird von der kenianischen Politik und Wirtschaft sicherlich mit Freude aufgenommen, Umweltschützer dagegen dürfte sie Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Und abgesehen davon, daß über das Volumen der Lagerstätten und damit die zukünftigen Einnahmen aus der Erdölförderung nur spekuliert werden kann, besteht Unsicherheit darüber, wie die zu erwartenden Gelder eingesetzt werden. Die ökologischen und sozialen Folgen könnten sich als verheerend herausstellen. Dafür gibt es mehr Beispiele als für den umgekehrten Fall, daß die Erdölförderung den Wohlstand der Bevölkerung insgesamt vermehrt hätte.


Fußnoten:

[1] "Twiga South-1 Drilling Update", 31. Oktober 2012
http://www.tullowoil.com/index.asp?pageid=137&filtertags=84

[2] "Tullow shares rise after news of second oil find in Kenya", Business Daily, 31. Oktober 2012
http://www.businessdailyafrica.com/Tullow+shares+rise+after+news+of+second+oil+find+in+Kenya++/-/539546/1608474/-/46j458/-/index.html

[3]"Kenya Cancels Iran Oil Deal", Capital FM (Nairobi), 4. Juli 2012
http://allafrica.com/stories/201207050010.html

1. November 2012