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AFRIKA/2185: DR Kongo - Ebolamanöverfeld ... (SB)



Im August vergangenen Jahres ist in der Demokratischen Republik Kongo eine Epidemie mit der hochansteckenden hämorrhagischen Fiebererkrankung Ebola ausgebrochen. Die Versuche einer Eindämmung der Infektion sind bislang gescheitert. Ebola breitet sich weiter in den nordostkongolesischen Provinzen North Kivu und Ituri aus und bedroht auch die Nachbarländer Uganda, Ruanda und Südsudan. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind bei diesem jüngsten Ebola-Ausbruch in der DR Kongo 439 Menschen (Stand: 24.1.2019) gestorben, mehr als 700 haben sich infiziert.

Auch wenn dieser Ausbruch bislang nicht das Ausmaß der Ebola-Epidemie von 2014 bis 2016 in Westafrika erreicht hat, bei der mehr als 11.300 Menschen gestorben sind, ist festzustellen, daß die Berichterstattung in den hiesigen Medien über die Epidemie in Kongo ausgesprochen dünn bleibt. Das Thema wird weitgehend ignoriert. Damals war die Seuche auf die Titelseiten von zahlreichen westlichen Zeitungen und Zeitschriften gehoben worden, heute wird sie in die Randspalten verbannt. Das könnte damit zu tun haben, daß die Seuche damals als Lehrübung genutzt wurde, ob eine solche Epidemie in Afrika den Sprung nach Europa schafft und wie dies verhindert werden kann.

Temperaturmeßgeräte für ankommende Fluggäste aus Westafrika auf Flughäfen wie Frankfurt am Main waren die äußerlich gut sichtbaren Hinweise der seuchenmedizinischen Manöverlage. Im Hintergrund liefen Computerberechnungen über Ausbreitungsgeschwindigkeit, Verbreitungswege, Quarantänemöglichkeiten, etc. Die zuständigen nationalen und europäischen Institutionen haben aus der westafrikanischen Ebola-Epidemie gelernt. Dazu schreibt das Robert-Koch-Institut:

"Die Erfahrung mit dem Ebolafieber-Ausbruch 2014/2015 in Westafrika hat gezeigt, dass das Risiko der Einreise eines Ebolavirus-Infizierten nach Deutschland selbst dann sehr gering ist, wenn afrikanische Großstädte mit internationalen Flugverbindungen von einem Ausbruch betroffen sind. 2014/2015 haben nur ganz vereinzelt Personen mit einer Ebolavirus-Infektion die betroffenen westafrikanischen Länder mit dem Flugzeug verlassen können."

Vielleicht ist das der Grund für das gegenwärtig geringe mediale Interesse am Ebola-Ausbruch in der DR Kongo: "Wir" in Europa können zuversichtlich sein, daß sich die Infektionskrankheit hier nicht ausbreitet. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel zwischen zwei und 21 Tagen, was verglichen mit anderen Infektionskrankheiten wie beispielsweise Hepatitis A oder HIV kurz ist. Das bedeutet, daß sich eine Ansteckung in vielen Fällen relativ schnell zeigt. Aus dem Grund läßt sich eine Seuche leichter eindämmen als eine Seuche, die lange Zeit versteckt bleibt.

Äußerst gefährlich ist Ebola hinsichtlich seiner Ansteckungsgefahr. Kontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten muß unbedingt vermieden werden. In der Samenflüssigkeit kann sich das Ebola-Virus sogar 18 Monate halten. Die Mortalitätsrate des aktuellen Ausbruchs liegt bei rund 60 Prozent.

Eine Eindämmung der Seuche ist in diesem Fall besonders schwierig, weil Ebola in Gebieten ausgebrochen ist, die unter Kontrolle von Rebellengruppen stehen, und deshalb weder für die Regierung noch Hilfsorganisationen wie die WHO zugänglich sind. Verteilt auf mehrere Lager leben in der Seuchenregion rund eine Million Binnenflüchtlinge. Rund 60 verschiedene bewaffnete Gruppen machen North Kivu unsicher - und die Regierungssoldaten stellen dazu keine Alternative dar, von der Sicherheit zu erwarten wäre. Ähnliches gilt für die 16.000 UN-Soldaten der Operation MINUSCO, von denen einige zum Schutz für die Ebola-Teams abgestellt wurden.

Der gegenwärtige Ebola-Ausbruch ist bereits der zehnte in diesem Land seit 1976, doch keiner war so umfangreich. Im Oktober vergangenen Jahres ging die WHO noch davon aus, daß die Regierung mit internationaler Unterstützung die Epidemie in den Griff bekommt. Die jüngste Pressemitteilung der WHO vom 24. Januar klingt schon weniger optimistisch: "Das Gesundheitsministerium (MoH), die WHO und ihre Partner stehen weiterhin vor Herausforderungen bei der Eindämmung und Kontrolle des Ausbruchs der Ebola-Viruskrankheit (EVD) in der Demokratischen Republik Kongo."

Erschwerend für die Seuchenbekämpfung kommt hinzu, daß die Menschen traditionell ihre Verstorbenen waschen und somit anfassen, bevor sie sie bestatten. Das ist im Falle einer Ebolainfektion äußerst riskant. Doch medizinische Helfer, die die Leichen bestatten wollten, ohne sie zu berühren, waren deshalb schon attackiert worden.

Breit angelegte Impfmaßnahmen funktionieren ebenfalls nicht reibungslos oder gar nicht. Viele Menschen hegen Mißtrauen gegenüber dem medizinischen Personal und wollen von ihm nicht mit einem abgeschwächten Virus angesteckt werden. In Marobo kam es Anfang des Jahres zu Protesten gegen die geplante Errichtung eines Ebola-Behandlungszentrums, nachdem dort drei Schüler wegen Verdachts auf Ebola unter Quarantäne gestellt worden waren. Als internationale Helfer begannen, alle Schüler einer örtlichen Oberschule zu impfen, machten Gerüchte die Runde, der Impfstoff sei gefährlich, und die Schüler flohen mitsamt ihren drei infizierten Mitschülern. Tatsächlich ist der Impfstoff nicht zugelassen, wird aber von der WHO eingesetzt, weil er sich bewährt hat und zumindest dem Gesundheitspersonal einen gewissen Schutz bietet. Darüber hinaus wurden mehrere zehntausend Menschen vorsorglich geimpft, um den Ausbruch einzuhegen.

Die Ebola-Epidemie liegt in Gebieten, in denen die Opposition der Regierungspartei und ihres langjährigen Präsidenten Joseph Kabila besonders stark vertreten war. Auf Anordnung der Regierung waren angeblich wegen der Ebola-Krise rund eine Million Menschen aus Beni and Butembo von den Wahlen ausgeschlossen worden; gleiches gilt für die im Westen gelegene Stadt Yumbi, in der im Dezember 2018 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen stattfanden. In diesen drei Gebieten dürfen die Menschen erst im März wählen, doch der neue Präsident, Felix Tshisekedi, ist bereits vereidigt worden. Das sind keine guten Voraussetzungen, um in den Ebola-Gebieten Vertrauen in die Vertreter der Regierung zu wecken.

Für den Ausbruch der bewaffneten Konflikte in Ostkongo gibt es mehrere Gründe. Unter diesen ist der Kampf um den Zugriff auf die begehrten Rohstoffe sicherlich nicht der nebensächlichste. Insofern ist die Forderung von Nichtregierungsorganisationen wie Global Policy Forum, daß die Industrie für ihre Lieferketten Verantwortung übernehmen muß und keine Rohstoffe aus Konfliktgebieten kaufen darf, nachvollziehbar. In diesem Fall könnte das nach einiger Zeit zur Entschärfung der Lage in Ostkongo beitragen, sofern den Menschen, die existentiell auf den Rohstoffabbau angewiesen sind - auch wenn das Sklavenarbeit ist -, Alternativen angeboten werden.

Davon ist jedoch weit und breit nichts zu sehen. Ebola in Ostkongo wandelt sich von der epidemischen zur endemischen Ausbreitung. Das heißt, es wird von der Regierung, aber auch der internationalen Staatengemeinschaft hingenommen, daß dort Ebola grassiert. Letztlich erhält die Region den Charakter eines Manövergebiets, bei dem gelernt wird, wie trotz der unsicheren Lage aufgrund bewaffneter Kämpfe ein Ebola-Seuchenausbruch gemanagt werden kann.

31. Januar 2019


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