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ASIEN/611: Militärs verlangen mehr Soldaten für Afghanistan (SB)


Generalität fordert Aufrüstung des Besatzungsregimes


Nachdem einer aktuellen Umfrage zufolge eine Mehrheit der Amerikaner der Ansicht ist, daß der Krieg in Afghanistan des Kämpfens nicht mehr wert sei, setzt die militärische Führung des Besatzungsregimes verstärkt auf die brachiale Doppelstrategie aus Propaganda an der Heimatfront und mehr Soldaten am Hindukusch. Wie der US-amerikanische Generalstabschef Admiral Mike Mullen seine kriegsmüden Landsleute im Fernsehsender CNN lektionierte, sei die Lage ernst und verschlechtere sich weiter. Der Aufstand der Taliban sei besser, ihre Taktiken ausgeklügelter geworden. [1]

Daß er diese düsteren Aussichten kurz nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Afghanistan zum besten gab, die doch absurderweise als wichtiger Schritt zur Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in ihre Regierung bezeichnet wurde, war mitnichten defätistisch motiviert. Ganz im Gegenteil bediente er General Stanley A. McChrystal mit einer Steilvorlage, der in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber in Afghanistan angeblich über einer neuen Strategie brütet, die nach acht Jahren desaströser Kriegsführung die vielbeschworene Wende aus dem Hut zaubern soll. [2]

Am Wochenende sprachen die US-Kommandeure in Afghanistan mit dem angereisten Sondergesandten Richard C. Holbrooke, der Obama die simple Botschaft überbringen soll, daß die Truppenaufstockung hilfreich gewesen sei, aber bei weitem nicht ausreiche. Besonders im Osten des Landes nahe der Grenze zu Pakistan sei Verstärkung nötig, betonte General Curtis Scaparotti, der Kommandeur der dortigen Streitkräfte. Damit wird Holbrooke seinem Präsidenten gewiß nichts Neues sagen, dem einmal mehr die Aufgabe zufällt, den Bürgern seines Landes den verlustreichen Waffengang als unverzichtbar für den globalen Raubzug schmackhaft zu machen.

Die 17.000 US-Soldaten eingerechnet, die man zum Schutz der Wahlen hinzugefügt hatte, haben die Amerikaner derzeit rund 57.000 Soldaten in Afghanistan stationiert. Da Obamas bisheriger Plan die Aufstockung auf 68.000 Soldaten bis Ende des Jahres vorsah, kann man die aktuelle Kampagne der Militärs dahingehend interpretieren, daß auch diese Obergrenze in den strategischen Plänen längst Makulatur ist.

Holbrooke, der die regionalen Kommandozentren in Kandahar, Herat, Mazar-i-Sharif und Bagram besuchte, wärmte vor afghanischen Journalisten die Strategie auf, die Taliban zu spalten und jeden mit offenen Armen aufzunehmen, der Al Kaida abschwöre und friedlich am Aufbau des Landes mitarbeiten wolle. Viele dieser Kämpfer seien lediglich fehlgeleitet oder hätten keine Arbeit. Damit wiederholte er die längst widerlegte Behauptung, man kämpfe in Afghanistan gegen Al Kaida, und erwähnte mit keiner Silbe, daß der Kampf gegen das verhaßte Besatzungsregime die verschiedenen Fraktionen des Widerstands verbindet.

Die US-Militärs werfen den pakistanischen Streitkräften vor, nicht entschieden genug gegen militante Kräfte auf ihrem Territorium vorzugehen. Wenngleich die Zusammenarbeit inzwischen besser geworden sei und zum Tod Baitullah Mehsuds geführt habe, der an der Spitze der Taliban in Pakistan stand, glaube die Militärführung im Nachbarland offenbar, damit sei ihre Aufgabe im wesentlichen erledigt. Dabei sei das Spiel keineswegs beendet, man habe lediglich die nächste Ebene erreicht, machte ein hochrangiges Mitglied der US-Administration unmißverständlich klar, daß ein Ende dieses Kriegs weder absehbar ist noch angestrebt wird.

Obgleich die Marionettenregierung in Kabul nie etwas anderes als eine Statthalterschaft des von den USA und der NATO getragenen Besatzungsregimes war, erfüllt sie die Erwartungen ihrer Zwingherrn noch lange nicht. Wie der Oberbefehlshaber des US Central Command, General David Petraeus, am Wahltag monierte, müsse sich endlich eine Regierungsweise herausbilden, die der Unterstützung des Volkes würdig sei. Natürlich schert die US-Militärs nicht im geringsten, wie Karzai mit seinen Landsleuten umspringt. Was sei jedoch beträchtlich verärgert, ist sein Unvermögen, die afghanischen Sicherheitskräfte im geforderten Umfang aufzubauen. Einheimische Soldaten und Polizisten sollen die Hauptlast des Krieges tragen, damit die Besatzungstruppen ihre Verluste niedrig halten, die Stabilisierung der Verhältnisse simulieren und den eigenen Rückzug vorgaukeln können, der an der Heimatfront in zunehmendem Maße gefordert wird. [3]

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat die Parole ausgegeben, daß die afghanischen Sicherheitskräfte auf eine Stärke von 400.000 Mann aufgebaut und damit mehr als verdoppelt werden müßten. Er veranschlagte dafür mindestens fünf Jahre, während derer die Truppen der NATO aufgestockt werden sollen. Mit 32.000 NATO-Soldaten im Land und 8.000 weiteren auf dem Weg nach Afghanistan haben die Alliierten die Marke von 100.000 de facto überschritten. Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies, der als Berater General McChrystals tätig ist, hat kürzlich von 60.000 zusätzlichen Soldaten gesprochen, ohne die man die Taliban nicht besiegen könne. Diese Zahl ist zwangsläufig ebenso fiktiv wie die vorangegangenen und läßt allenfalls ahnen, welch gewaltiges Kanonenfutter zur Zurichtung Afghanistans und Pakistans demnächst in die Schlacht geworfen werden soll.

Anmerkungen:

[1] Die Nato fordert mehr US-Soldaten für Afghanistan. Verstärkung zur Bekämpfung der erstarkenden Taliban nötig (24.08.09)
NZZ Online

[2] U.S. Military Says Its Force in Afghanistan Is Insufficient (24.08.09)
New York Times

[3] War to escalate after Afghan election (24.08.09)
World Socialist Web Site

25. August 2009