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ASIEN/617: Der totgeglaubte Hakimullah Mehsud meldet sich zurück (SB)


Der totgeglaubte Hakimullah Mehsud meldet sich zurück

Neuer Chef der pakistanischen Taliban kündigt harte Kämpfe an


Der Erfolg der jüngsten Offensive der pakistanischen Streitkräfte im Swat-Tal und die Hinrichtung des Anführers der pakistanischen Taliban durch einen Raketenangriff der USA Anfang August haben den Eindruck erweckt, die Zentralregierung in Islamabad mache große Fortschritte im Kampf gegen die Radikalislamisten im eigenen Land und trage damit in nicht unwesentlichem Ausmaß auch zur Stabilisierung Afghanistans im Sinne der dort stationierten NATO-Streitkräfte bei. Was dieser Eindruck verstärkt hat - und offenbar auch verstärken sollen -, waren Angaben des pakistanischen Innenministers Rehman Malik, wonach es nach dem Tod Baitullah Mehsuds zu einem blutigen Kampf um die Nachfolgeschaft zwischen dessen beiden Stellvertretern, seinem Neffen Hakimullah Meshud und Waliur Rehman, in dessen Verlauf sich beide Männer gegenseitig erschossen hätten, gekommen sei. Dem ist aber nicht so, denn auf spektakuläre Weise hat sich Hakimullah Meshud zurückgemeldet, einmal durch eine ausgiebige Pressekonferenz am 4. Oktober in Südwasiristan vor ausgewählten Journalisten und einmal am nächsten Tag durch einen Selbstmordanschlag auf das Büro des Welternährungprogramms in Islamabad, der sechs Menschen einschließlich des Täters tot zurückließ und acht weitere verletzte.

Auf der Pressekonferenz in einem entlegenen Teil Südwasiristans waren neben Mehsud und Rehman Kari Hussein, der Leiter der Abteilung Selbstmordanschläge, und Azam Tarik, der Sprecher der pakistanischen Taliban, erschienen. Dies berichtete am 5. Oktober die Nachrichtenagentur Associated Press, deren Reporter Ishtiaq Mahsud, einer der wenigen Journalisten war, der sich getraut hat, die Einladung zu der Pressekonferenz anzunehmen. Dem Eindruck Mahsuds zufolge wollten die pakistanischen Taliban Einheit und Entschlossenheit demonstrieren, denn Berichten zufolge bereiten die pakistanischen Streitkräfte eine Großoffensive gegen Südwasiristan vor.

Gegenüber den Journalisten präsentierte sich Hakimullah Mehsud, der im Vergleich zu seinem Vetter Baitullah als extrovertierter Draufgänger gilt, als neuer Chef der pakistanischen Taliban. Im Namen seiner Organisation gelobte er Treue gegenüber Mullah Omar und behauptete, daß es unter den militanten Gegnern der NATO-Präsenz in Afghanistan keine Reibereien oder Konkurrenz gebe. Er kündigte Vergeltung für den Tod seines Cousins an, beschimpfte die Mitglieder der Regierung in Islamabad als Handlanger der "westlichen Kreuzritter" und warnte die pakistanischen Streitkräfte davor zu versuchen, das Stammesgebiet Südwasiristan, wo die Taliban bis zu 10.000 Mann unter Waffen haben sollen, zu erobern.

Mehrere zaghafte Versuche in diese Richtung sind während der Amtszeit von General Pervez Musharraf als pakistanischen Präsidenten bekanntlich gescheitert. Das ist vermutlich auch der Grund, warum die USA Musharraf fallengelassen haben. Sie hoffen offenbar mit Ali Asif Zardari, dem unter schwerem Korruptionsverdacht stehenden und dadurch um so leichter unter Druck zu setzenden Witwer Benazir Bhuttos, als pakistanisches Staatsoberhaupt mehr Erfolg zu haben. Jedenfalls hat es den Anschein, daß die pakistanischen Streitkräfte, seit Zardari im Amt ist, energischer gegen die Taliban in der Grenzregion zu Afghanistan vorgehen. Ein Nachlassen der Dauerforderungen Washingtons nach demonstrativem Einsatz Islamabads im "Antiterrorkrieg" wird es allzu bald auch nicht geben, denn wie die pakistanische Zeitung Jang am 7. Oktober meldete, beharrt das Außenministerium Hillary Clintons auf den Standpunkt, daß sich "die Verantwortlichen" für die Anschläge vom 11. September 2001 von Afghanistan nach Pakistan abgesetzt haben. Diese Feststellung wundert nicht wenig, wenn man bedenkt, daß sich auf dem FBI-Steckbrief für Osama Bin Laden keinerlei Hinweis auf die Flugzeuganschläge finden, weil es laut eigenen Angaben der US- Bundespolizei dafür auch keine handfesten Beweise gibt.

Wie dem auch sei. Am Kriegsschauplatz Af-Pak läuft eine deutliche Eskalation an. Dies zeigen die Äußerungen Hakimullahs wie die Barack Obamas, der am 6. Oktober die Forderungen nach einem Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Afghanistan endgültig abtat. Derzeit berät die Obama-Regierung mit der US-Generalität über eine weitere Truppenaufstockung um 40.000 Mann am Hindukusch. Demnächst sind weitere schwere Kämpfe wie diejenigen, die am 4. Oktober im Bezirk Kamdesch in der afghanischen Grenzprovinz Nuristan acht US-Soldaten das Leben kosteten, zu erwarten. Je heftiger der Krieg in Afghanistan tobt, desto mehr wird Pakistan destabilisiert. Dort sorgen unter der Bevölkerung Berichte über die Präsenz bewaffneter Söldner, die im Auftrag von Dyncorp die US-Botschaft in Islamabad bewachen sollen und angeblich im Auftrag von Xe Services, einst Blackwater, auf dem Stützpunkt Shamsi in Belutschistan die CIA-Drohnen mit Hellfire-Raketen bestücken, für großen Unmut.

8. Oktober 2009