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ASIEN/680: Clinton verlangt von Pakistan Herausgabe Bin Ladens (SB)


Clinton verlangt von Pakistan Herausgabe Bin Ladens

US-Außenministerin spielt Amerikas selbsternannten Patrioten etwas vor


Auf der großen Afghanistan-Konferenz, die unter einem gigantischen Sicherheitsaufwand am 20. Juli in Kabul stattfand und an der die Außenminister der NATO-Staaten und der wichtigsten Nachbarländer - den Iran ausgenommen - teilnahmen, waren Gespräche mit den Taliban das inoffizielle Hauptthema, um den sinnlosen, inzwischen fast neun Jahre andauernden Krieg am Hindukusch beenden zu können. Im Raum stand die Frage, wie sich die Taliban und die NATO arrangieren könnten, ohne daß eine der beiden Seiten einen Gesichtsverlust erleidet. Diskutiert wurde die Möglichkeit eines NATO-Truppenabzugs, wofür im Gegenzug die Taliban versprechen müßten, künftig keine "Terroristen" zu unterstützen und die neue afghanische Verfassung, welche die Frauenrechte garantiert, zu respektieren.

Der Berichterstattung der Medien nach zu urteilen, scheint auf der Konferenz der Name Osama Bin Laden kaum bis gar nicht gefallen zu sein, und das, obwohl der Aufenthalt des mutmaßlichen Auftraggebers der Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 in Afghanistan der offizielle Grund für den Einmarsch amerikanischer Truppen einen Monat später war. Dieser Umstand verwundert einen. Wenn schon NATO-Unterhändler mit den Taliban Gespräche zu führen beabsichtigen, müßte nicht ihre absolut erste Frage an Mullah Mohammed Omar und seine Männer lauten, ob Bin Laden noch lebt, wo er sich aufhält und ob man ihn nicht ausgehändigt bekommen kann?

Die Tatsache, daß heute offiziell die ursprüngliche Begründung für den Afghanistan-Einmarsch völlig in Vergessenheit geraten ist, läßt den Verdacht aufkommen, daß die Jagd auf Bin Laden für die US-Regierung nur der Vorwand zur Umsetzung schon länger bestehender Pläne am Hindukusch war. Für diesen Verdacht spricht zum Beispiel, daß damals die US-Regierung das Angebot der Taliban, Bin Laden nach Vorlage entsprechender Hinweise für seine Verwicklung in das 9/11-Komplott an die Justizbehörden eines neutralen Drittlands auszuliefern, als indiskutabel ausgeschlagen hat. Hinzu kommt, daß Präsident George W. Bush in folgenden Jahren auf Journalistenfragen nach der fehlenden Umsetzung seines in den ersten Tagen nach den Angriffen auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon abgegebenen Versprechens, Bin Laden "tot oder lebendig" in die Hände zu bekommen bzw. "aus seiner Höhle" auszuräuchern, stets total genervt reagierte und sie mit dem Hinweis, bei der Afghanistan-Mission gehe es um mehr als die Gefangennahme oder Tötung eines Mannes, eines Besseren zu belehren versuchte.

Vor diesem Hintergrund überrascht es schon ein wenig, daß dieser Tage Hillary Clinton das Thema Bin Laden aufgegriffen hat. Auf dem Weg zur Afghanistan-Konferenz in Kabul hat Barack Obamas demokratische Parteikollegin und Außenministerin bei einer Stippvisite in Islamabad am 19. Juli vor Journalisten sowie in einem Fernsehinterview mit dem US-Nachrichtensender Fox News die These vertreten, daß sich der Chef des Al-Kaida-"Netzwerkes" in Pakistan aufhalte, und seine Auslieferung von der Regierung des Landes offen verlangt. Gegenüber Fox News, der für seine hyperpatriotische Berichterstattung bekannt ist und von seinen konservativen Zuschauern in den USA deshalb geschätzt wird, behauptete die ehemalige First Lady und Senatorin aus New York, "Elemente der Regierung" Pakistans wüßten, wo sich Bin Laden verstecke. Gleichzeitig beteuerte sie, die Obama-Regierung setze schon den "Hebel" der Finanzhilfe an, um Islamabad zu mehr Kooperation bei der Suche nach dem saudischen "Topterroristen" zu bewegen.

Wo Clinton ihre zur Schau getragene Überzeugung hernimmt, daß sich Bin Laden in Pakistan aufhält, ist nicht klar. Schließlich hat der CIA-Direktor Leon Panetta höchstpersönlich bei einem Auftritt in der ABC-Sendung "This Week" am 27. Juni erklärt, die US-Geheimdienste hätten zuletzt vor neun oder zehn Jahren "präzise Informationen" über den Aufenthaltsort Bin Ladens gehabt. Seitdem sei es "sehr schwierig gewesen, Informationen" über dessen Versteck zu bekommen, so Panetta. Vermutlich wollte Amerikas Chefdiplomatin, der immer noch Ambitionen auf den Einzug ins Weiße Haus als erste Präsidentin der USA nachgesagt werden, sich dem Fox-News-Publikum, das Abermillionen potentieller Wähler umfaßt, als eifriger Terroristenschreck empfehlen. Wie die Amerikaner selbst sagen: "There's no business like showbusiness."

23. Juli 2010