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ASIEN/759: Pakistan verlangt das Ende der US-Dronenangriffe (SB)


Pakistan verlangt das Ende der US-Dronenangriffe

Parlament in Islamabad drängt auf neues Abkommen mit der NATO


Fast vier Monate nach dem US-Raketenangriff auf zwei pakistanische Grenzposten, bei dem am 26. November 2011 24 Soldaten Pakistans ums Leben kamen, haben sich die Beziehungen zwischen Islamabad und Washington noch immer nicht normalisiert. Während das Pentagon den Vorfall als tragischen Fehler bezeichnet und behauptet, die Verantwortlichen hätten angenommen, Stellungen der Taliban zu beschießen, beharrt das pakistanische Militär darauf, daß die Grenzposten "Volcano" und "Golden" nahe dem Dorf Salala in der Provinz Mohmand den amerikanischen Kollegen in Afghanistan bekannt, sogar auf deren Karten eingezeichnet waren und die Amerikaner das Feuer auch dann nicht einstellten, als sie telefonisch auf den Irrtum aufmerksam gemacht wurden. Wegen der unterschiedlichen Sichtweise des Geschehens sind bis heute die beiden Grenzübergänge, über die Ende letzten Jahres der größte Teil des Nachschubs für die NATO-Streitkräfte in Afghanistan rollte, gesperrt.

Trotz beiderseitiger Bemühungen ist eine rasche Rückkehr zu der Art von Zusammenarbeit, die vor dem 26. November herrschte, nicht in Sicht. Nach dem Angriff auf die Grenzposten hatte das Parlament in Islamabad eine Generalüberprüfung der amerikanisch-pakistanischen Beziehungen angeordnet. Am 20. März wurde das Ergebnis der Öffentlichkeit präsentiert. Das fünfseitige Papier, das von den Mitgliedern des Ausschusses für nationale Sicherheit verfaßt wurde, enthält mehrere kategorische, für die Regierung Barack Obamas kaum annehmbare Forderungen: eine uneingeschränkte Entschuldigung für die Tötung der 24 Soldaten; ein Ende aller von der CIA per Drohne durchgeführten Raketenangriffe auf mutmaßliche "terroristische" Ziele in Pakistan; keinerlei verdeckte oder offene Operationen der CIA oder der US-Spezialstreitkräfte mehr auf pakistanischem Territorium.

Des weiteren wird in dem Papier empfohlen, daß die beiden Grenzübergänge Chaman in der Provinz Belutschistan und Torkham am Khyber-Paß bei Peschawar für den militärischen Nachschubtransport nach Afghanistan erst wieder freigegeben werden, nachdem Pakistan und die NATO ein neues Abkommen über die Modalitäten ihrer Zusammenarbeit paraphiert haben. Drei Tage wollen die Abgeordneten den Entwurf debattieren. Man geht bereits jetzt davon aus, daß das Papier wegen des überparteilichen Konsens in dieser Frage vom Parlament einstimmig verabschiedet wird.

In der pakistanischen Öffentlichkeit ist die Verärgerung seit Jahren sowohl über die völkerrechtlich illegalen CIA-Drohnenangriffe, die zahlreichen unschuldigen Zivilisten in der Grenzregion das Leben kosten, als auch über die undurchsichtigen Umtriebe amerikanischer "Terroristenjäger" im eigenen Land groß. Im Frühjahr 2001 hat der Fall Raymond Davis die bilateralen Beziehungen schwer belastet. Der ehemalige Elitesoldat, der damals entweder als privater Sicherheitsdienstleister oder CIA-Agent - was bis heute unklar ist - für das US-Konsulat in Lahore arbeitete, hat Ende Januar 2011 zwei junge Pakistaner auf einer Straßenkreuzung aus bisher unbekannten Gründen erschossen. Nach der Verhaftung haben Obama und US- Außenministerin Hillary Clinton Davis' sofortige Freilassung unter dem zweifelhaften Verweis auf seine diplomatische Immunität verlangt. Nach fast zwei Monaten in Untersuchungshaft wurde er Mitte März 2011 nach Zahlung eines nicht geringen Blutgelds an die Angehörigen der Getöteten freigelassen und sofort in die USA ausgeflogen. Nur wenige Stunden danach kam es zu einem CIA-Drohnenangriff auf ein Treffen von Dorfältesten in der pakistanischen Provinz Nordwasiristan. 38 Menschen kamen dabei ums Leben. In Pakistan sahen viele Menschen in dem Angriff eine Retourkutsche der CIA für Davis' vorübergehende Verhaftung.

In den westlichen Medien wird die kritische Haltung der Pakistaner dem "globalen Antiterrorkrieg" Washingtons gegenüber herablassend mit einem Hang zu "Verschwörungstheorien" abgetan. In diesem Fall hatten die Pakistaner mit ihrer Vermutung bezüglich der amerikanischen Motive recht. In einem Bericht der Nachrichtenagentur Associated Press vom 22. August hieß es, der damalige CIA-Chef und heutige US- Verteidigungsminister Leon Panetta hätte den "Terroranschlag" auf die Versammlung der Dorfältesten in Nordwasiristan persönlich angeordnet. Man zitierte dazu anonym einen Mitarbeiter der Obama-Regierung mit der menschenverachtenden Aussage: "Es war Vergeltung für Davis. Die CIA war zornig." Bezeichnend ist natürlich, daß die AP-Meldung nirgendwo - außer in Pakistan - für einen Aufschrei der Empörung sorgte.

22. März 2012