Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


ASIEN/873: Trump gibt seinen Generälen in Afghanistan freie Hand (SB)


Trump gibt seinen Generälen in Afghanistan freie Hand

Das Pentagon dreht die Blutpumpe am Hindukusch wieder auf


Im US-Wahlkampf 2016 hatte sich der Republikaner Donald Trump im Gegensatz zu der demokratischen Befürworterin humanitärer Interventionen Hillary Clinton als lautstarker Kritiker endloser Einsätze der amerikanischen Streitkräfte im Ausland profiliert. Wissenschaftlichen Analysen zufolge war es Trumps Stimmenvorsprung in Wahlkreisen mit einem hohen Bevölkerungsanteil an Veteranen des seit den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 laufenden "globalen Antiterrorkriegs", der dem New Yorker Baumagnaten im vergangenen November den Sieg an der Wahlurne beschert hat. Konsequenterweise hat Trump nach der Ablösung Barack Obamas im Weißen Haus Ende Januar eine gründliche Überprüfung der bisherigen Politik der USA in Afghanistan angeordnet.

Es folgte ein monatelanger Streit zwischen dem Präsidenten und seinen Generälen - in erster Linie dem Verteidigungsminister James Matthis und dem Nationalen Sicherheitsberater Herbert McMaster - an dessen Ende Trump als der Verlierer dastand. Als der Oberkommandierende der Streitkräfte am 21. August endlich in einer Grundsatzrede seinen künftigen Kurs in der Afghanistanpolitik bekanntgab, war von seiner ursprünglichen Idee eines kompletten Abzugs der US-Streitkräfte vom Hindukusch oder gar einer Beendigung des längsten Krieges in der amerikanischen Militärgeschichte nichts mehr übrig. Sprücheklopfend wie nur er es kann, bekannte sich Trump zum Ziel eines Sieges des Willens der Zivilisation über die Barbarei und zur "Tötung von Terroristen".

Konkrete Angaben in Bezug auf das Ausmaß der zu erwartenden Truppenaufstockung in Afghanistan und den Bedingungen, die vorherrschen müßten, damit die GIs letztendlich nach Hause zurückkehren können, wurden in der Rede nicht gemacht. Im institutionellen Ringen hatten sich Matthis und Konsorten nicht nur freie Hand verschafft, sondern den Präsidenten auch um seinen wichtigsten Berater gebracht. Bereits am 18. August war Steve Bannon zurückgetreten, der sich zuvor bei den eigentlichen Machthabern in Washington - genauer gesagt im Pentagon - dadurch unbeliebt gemacht hatte, daß er vehement eine Beendigung des Afghanistankriegs forderte, damit Trump bei der eigenen Wählerbasis seine Glaubwürdigkeit behielt, und zudem eine "militärische Lösung" der Koreakrise ausschloß.

In Afghanistan ist das verstärkte Engagement des US-Militärs längst zu spüren. In Kabul wird aktuell die gesamte Innenstadt samt Ministerien und Botschaften zu einem Hochsicherheitsareal à la Grüne Zone in Bagdad umgebaut, damit die Taliban dort keine verheerenden Bombenanschläge per Lastwagen mehr durchführen können. Wegen des zu erwartenden Verkehrsinfarkts soll eine neue Ringstraße um die afghanische Hauptstadt gelegt werden. Währenddessen hat Pentagonchef Matthis eine Aufstockung der in Afghanistan stationierten Truppen von derzeit 11.000 Mann um weitere 6000 Soldaten initiiert. Parallel dazu verlangen die USA von allen NATO-Verbündeten eine ähnliche Verstärkung ihrer Truppenpräsenz. Der Ausbau der afghanischen Luftwaffe, der bis 2024 abgeschlossen sein soll, ist in vollem Gange. Am 19. September hat das Verteidigungsministerium in Kabul die ersten beiden von insgesamt 159 Hubschraubern vom Typ UH-60 Black Hawk erhalten, die sowohl als Transportmittel als auch als Kampfgerät eingesetzt werden können.

Vom Schlachtfeld, wozu praktisch ganz Afghanistan gehört, kommen erschreckende Zahlen. Bis Ende August hatte die US-Luftwaffe in Afghanistan bereits doppelt so viele Bomben und Raketen wie im gesamten Jahr 2016 abgeworfen. In der Folge schießt die Anzahl getöteter Zivilisten in die Höhe. Wegen der zunehmenden Kämpfe verzeichnen auch die afghanischen Streitkräfte höhere Verluste. An den Luftangriffen sind seit einiger Zeit wieder Langstreckenbomber vom Typ B-52 beteiligt, die auf dem US-Stützpunkt Al Udeid, dem regionalen Sitz des US-Zentralkommandos CENTCOM in Katar, stationiert sind. Daher wundert es nicht, daß Trump von der Regierung in Doha die Schließung des dortigen Verbindungsbüros der Taliban fordert, das seit 2011 als Kontaktfläche zwecks Aufnahme eventueller Friedensgespräche dient. Dies meldete am 27. September die britische Tageszeitung Guardian.

Spätestens als die CIA 2015 den damaligen Taliban-Chef Mullah Akhtar Mansur per Drohnenangriff in Pakistan tötete war klar, daß die USA keinerlei Interesse an einer Kompromißlösung in Afghanistan haben. Mehrmals hatten die Taliban ihre Bereitschaft signalisiert, die Waffen niederzulegen, sich politisch zu betätigen, der Schulbildung von Mädchen nicht im Wege zu stehen und keinen Kontakt mehr zu Al Kaida zu pflegen. Im Gegenzug verlangten sie lediglich, daß alle ausländischen Soldaten Afghanistan verlassen. Doch weil das Land in unmittelbarer Nähe zu Pakistan, China, Rußland und dem Iran für die USA offenbar von unverzichtbarer strategischer Bedeutung im Herzen Asiens ist, wollen die Generäle im Pentagon dort auf immer bleiben - egal, was das an Geld und Menschenleben kostet. Selbst eine weitere gefährliche Radikalisierung der muslimischen Bevölkerung Süd- und Zentralasiens nimmt Washington damit in Kauf. Seit einiger Zeit machen in Afghanistan die Dschihadisten der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) den Taliban Konkurrenz und werfen diesen Kompromißbereitschaft gegenüber den ungläubigen Feinden sowie fehlende Strenge bei der Auslegung des Korans vor. Ende Juli ist Hadschi Daud Mehsud, ein führender Kommandeur der pakistanischen Taliban, samt Anhängern dem IS beigetreten. Offenbar tritt der niemals endende Afghanistankrieg in eine neue blutige Phase ein.

28. September 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang