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ASIEN/901: USA - hegemoniale Vorspiele ... (SB)


USA - hegemoniale Vorspiele ...


"China 'training for strikes' on US targets", so lautete am Vormittag des 17. August die Hauptmeldung auf der Website des staatlichen britischen Rundfunks. Die hysterisch anmutende Überschrift der BBC, als handele es sich um eine Art Majestätsbeleidigung, daß die Chinesen für eventuelle Luftangriffe auf die Streitkräfte der Supermacht USA trainieren, resultiert aus einem diesjährigen Bericht des Pentagons zum Thema militärische Kapazitäten der Volksrepublik, der am Tag zuvor dem Kongreß in Washington vorgelegt worden war. Der Bericht trägt den Titel "Military and Security Developments Involving the People's Republic of China 2018".

Wichtigste Feststellungen der Autoren des Dokuments: Die Chinesen hätten "rapide" die Reichweite ihrer strategischen Bomberflotte "ausgebaut", übten "Angriffe auf Ziele der USA und ihrer Verbündeten" im westlichen Pazifik - die Inselfestung Guam wurde hier ausdrücklich genannt - und führten aktuell eine Umstrukturierung bei den Landstreitkräften durch, damit die Volksarmee künftig "kämpfen und gewinnen" könne. Nun, welche Armeeführung bereitet sich gezielt auf eine Niederlage vor, könnte man sich fragen angesichts der bahnbrechenden Erkenntnisse aus dem US-Verteidigungsministerium.

Taiwan gilt als wahrscheinlichster Anfangsort eines militärischen Konfliktes zwischen den USA und China, sollte es jemals dazu kommen. Als Anfang der siebziger Jahre Richard Nixon und Henry Kissinger diplomatische Beziehungen Washingtons zu Peking aufnahmen, um einen Keil zwischen die Volksrepublik und die Sowjetunion zu treiben, gaben sie Mao Zedong und Chou En-Lai die Garantie, daß Amerika Taiwan stets als abtrünnige Provinz Chinas betrachtet, während dafür die Chinesen ihrerseits versprachen, die chinesische Einheit nur mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen. Seitdem jedoch stärken Amerikas Sinophoben den Separatisten in Taipeh den Rücken mit dem fadenscheinigen Argument, Taiwans "Demokratie" dürfte nicht auf dem Altar der Realpolitik geopfert und die Menschen auf der Insel dürften dem Festlandkommunismus nicht einfach überantwortet werden.

Seit 2011 Barack Obamas Außenministerin Hillary Clinton das 21. Jahrhundert zu "America's Pacific Century" erklärte, befinden sich China und die USA langsam, aber sicher auf Kollisionskurs. Die USA haben seitdem nicht geringe Teile ihrer Streitkräfte in den pazifischen Raum verlegt sowie Südkorea, Japan, Australien und Indien in ihre China-Containment-Strategie integriert. Im Gegenzug hat die Volksrepublik entgegen früheren Zusagen auf einer ganzen Reihe von Inseln und Riffen im Südchinesischen Meer - die teilweise von anderen Staaten wie den Philippinen und Vietnam beansprucht werden - Marinehäfen, Radaranlagen, Raketenstellungen und Luftwaffenstützpunkte eingerichtet.

Seit Monaten nun kommt es rund um jene Inseln und Riffe immer wieder zu brandgefährlichen Konfrontationen. Am 10. August waren Reporter des Nachrichtensenders CNN dabei, als ein Spionageflugzeug der US-Marine vom Typ P-8A Poseidon in einer Höhe von 5000 Metern die Riffe Subi, Fiery Cross, Johnson und Mischief, die allesamt zur Gruppe der Spratley-Inseln gehören, überflog. Mehrmals wurden per Funk die Piloten vom chinesischen Militär darauf aufmerksam gemacht, daß sie die Hoheitsrechte der Volksrepublik verletzten, und aufgefordert, schnellstmöglich den Luftraum zu verlassen. Darauf antworteten die Amerikaner, sie befänden sich im internationalen Luftraum und hielten mit ihrer Flugroute das Recht aller anderen Nationen auf ungehinderte Passage aufrecht. Derlei Aktionen sind höchst provokativ und können leicht einen Zwischenfall produzieren, an dem sich schnell ein heißer Krieg entzündet. Nicht auszudenken, wie die Amerikaner reagieren würden, versuchte die Volksmarine etwa im Chesapeake Bay oder entlang der US-Karibikküste für sich "Navigationsfreiheit" zu reklamieren.

Ob es zum Ausbruch von Feindseligkeiten kommt, hängt von der politischen Großwetterlage ab. Seit Donald Trump im November 2016 zum US-Präsident gewählt wurde, stehen die Zeichen leider auf Sturm. Der New Yorker Immobilienmagnat war kaum ins Weiße Haus eingezogen, da hatte er bereits sein erstes Telefongespräch mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen geführt und damit für große Verärgerung in Peking gesorgt. Vor einigen Monaten hat Trump durch die Verhängung empfindlicher Zölle auf chinesische Güter einen heftigen Handelskrieg mit der Volksrepublik vom Zaun gebrochen. Trump begründet die Maßnahmen, die eigentliche gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen, mit der These, der Exportüberschuß Chinas gegenüber den USA stelle für letztere eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit" dar.

Die Chinesen haben bisher recht verhalten auf die Herausforderung durch Trump reagiert, ihrerseits ebenfalls Handelsbeschränkungen für US-Güter verhängt, jedoch bislang nicht im selben Ausmaß, wie es die Amerikaner bei Waren aus der Volksrepublik getan haben. Hinter den Kulissen wird hart verhandelt. Noch ist unklar, ob China die Forderungen Trumps erfüllen kann. Letztlich geht es den USA darum, das Großprojekt "Made in China 2025", mit dem die Volksrepublik bis zum besagten Datum die weltweite Spitze in den wichtigsten industriellen Technologien wie Robotik und künstliche Intelligenz erreicht haben will, zu stoppen bzw. zu verlangsamen. Sollte jedoch Trump dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping keine Partnerschaft auf Augenhöhe anbieten, sondern lediglich die Unterordnung Chinas gegenüber den USA verlangen, dann ist der Zusammenstoß unvermeidlich.

Nicht umsonst fährt die Trump-Regierung derzeit die militärische Zusammenarbeit mit Taiwan hoch, will die Insel mit modernen Kampfjets vom Typ F-35 beliefern sowie die zwei alternden U-Boote Taipehs durch acht neue Modelle, die jeweils bis zu einer Milliarde Dollar kosten könnten, ersetzen. Angesichts der aktuellen Verschlechterung der Beziehungen könnte die Führung in Peking erwägen, Taiwan einzuverleiben noch bevor die neuen Wunderwaffen aus den USA dort eintreffen und in Betrieb gehen. Darum geht es im eingangs erwähnten Bericht des Pentagons, die Volksarmee bereite sich auf eine blitzartige, kombinierte Luft- und Seeinvasion von Taiwan vor, die vollendet sein sollte, noch bevor die amerikanischen Streitkräfte sinnvoll etwas dagegen unternehmen könnten.

Am 14. August hat Tsai als erstes Staatsoberhaupt Taiwans seit 15 Jahren die USA besucht und an der symbolträchtigen Ronald Reagan Presidential Library in Simi Valley, Kalifornien, eine Rede gehalten, die als Loblied auf die "Freiheit" und die Freundschaft zwischen den Taiwanesen und den USA verstanden werden sollte. Gegen die Aufwertung Tsais hat die chinesische Botschaft in Washington beim State Department eine formelle Protestnote eingereicht. Leider steht zu befürchten, daß die Zeit des Austausches diplomatischer Depeschen demnächst durch Kanonendonner abgelöst wird.

17. August 2018


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