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JUSTIZ/661: Richter erklärt US-Telekomüberwachung für illegal (SB)


Richter erklärt US-Telekomüberwachung für illegal

Obama mit der Verteidigung von Bushs Schnüffelpraktiken gescheitert


Am 31. März haben Amerikas Bürgerrechtler einen wichtigen Sieg über den nationalen Sicherheitsstaat errungen, als Richter Vaughan Walker vom 9. Bundesberufungsgericht in San Francisco entschieden hat, daß das im staatlichen Auftrag erfolgte Abhören von Telefongesprächen und das Abgreifen des E-Mail-Verkehrs amerikanischer Bürger ohne die richterliche Genehmigung, welche das 1978 vor dem Hintergrund des Watergate-Skandals in Kraft getretene Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) vorschreibt, nicht zulässig sind. In seiner 45seitigen Urteilsbegründung hat Walker sogar das vom 4. Zusatz der US-Verfassung verbriefte Recht des Bürgers vor staatlicher Überwachung höher als den Schutz von Staatsgeheimnissen gestellt. Damit hat Walker das von der Regierung George W. Bushs nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 heimlich ins Leben gerufene, höchst umstrittene Programm der Telefon- und E-Mail-Überwachung, dessen Existenz die New York Times Ende 2005 enthüllte und dessen Einzelheiten bis zuletzt die Nachfolgeadministration von Barack Obama unter Verschluß zu halten versucht hatte, für illegal erklärt.

Gegen Bushs Überwachungsprogramm hatten ursprünglich diverse Bürgerrechtsorganisationen wie die American Civil Liberties Union und eventuell betroffene Einzelpersonen wie die US-Geheimdienstkoryphäe James Bamford, geklagt. Doch die meisten Klagen wurden abgewiesen, weil die Kläger nicht in der Lage waren zu beweisen, daß ihre E-Mails und Telefongespräche abgespeichert respektive abgehört worden waren. Am Ende kämpften allein die beiden Anwälte Wendell Belew und Asim Ghafoor, welche früher für die in Oregon ansässige Dependence der Wohltätigkeitsvereinigung Al Haramain Islamic Foundation gearbeitet hatten, um ihr Recht. 2004 hatte das Washingtoner Finanzministerium den von Saudi-Arabien unterstützten Verein zu einer Organisation erklärt, die den "Terrorismus" fördere, und seine Konten gesperrt. In diesem Zusammenhang haben Belew und Ghafoor durch einen behördlichen Lapsus Dokumente zugestellt bekommen, aus denen eindeutig hervorging, daß ihre Telefonate von der in Fort Meade, Maryland, ansässigen National Security Agency (NSA) abgehört würden. Sechs Wochen später haben die Behörden die Dokumente zu staatlichem Geheimmaterial erklärt und ihre Rückgabe verlangt, dem die Vertreter der inzwischen eingegangenen Al-Haramain-Stiftung auch nachkamen.

Auch wenn Richter Walker die Vorlage besagter Dokumente nicht gefordert und damit der Obama-Regierung eine öffentliche Diskussion näherer Einzelheiten des NSA-Programms erspart hat, so stand für ihn aufgrund des gesamten Vorgangs als bewiesen fest, daß Belew und Ghafoor, gegen die die Behörden keinerlei Verdachtsmomente bezüglich einer terroristischen Verwicklung geltend machen konnten, Opfer einer illegalen, weil völlig unbegründeten staatlichen Schnüffeloperation gewesen waren. Für Justizminister Eric Holder, dessen Anwälte unter Berufung auf das staatliche Geheimnisschutzprivileg auf die Abweisung der Klage der ehemaligen Al-Haramain-Anwälte insistiert hatten, stellt das Urteil eine herbe Niederlage dar. Richter Walker warnte in seiner Urteilsbegründung vor der "ungezügelten Entscheidungsfreiheit" der Behörden in der Frage der Überwachung und erinnerte daran, daß das FISA-Gesetz damals vom Kongreß "mit dem spezifischen Ziel" verabschiedet worden sei, "dem Mißbrauch der Überwachungsautorität durch die Exekutive Einhalt zu gebieten und ihr eine Kontrolle durch die Justiz vorzuschalten".

In einem Bericht der New York Times, der am 1. April unter der Überschrift "Federal Judge Finds N.S.A. Wiretapping Program Illegal" erschienen ist, äußerte sich Jon Eisenberg, der Belew und Ghafoor vor Gericht vertreten hatte, hochzufrieden mit dem Ausgang des Prozesses. Ihm zufolge stellt das Urteil "eine implizite Zurückweisung der Bush-Cheney-Theorie von der Exekutivmacht" dar. "Richter Walker stellt fest, daß FISA und andere Bundesgesetze nicht einfach optional sind. Der Präsident ist genau wie jeder andere Bürger der Vereinigten Staaten an das Gesetz gebunden. Die Gesetzgebung des Kongresses einzuhalten darf für den Präsidenten nicht optional sein", so Eisenberg.

3. April 2010