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JUSTIZ/682: Bradley Manning räumt Informationsweitergabe ein (SB)


Bradley Manning räumt Informationsweitergabe ein

Julian Assange nennt Barack Obama einen "Wolf in Schafspelz"



In der Wikileaks-Affäre kommen die Dinge in Bewegung. Bradley Manning, der vor zwei Jahren als Gefreiter beim US-Militärgeheimdienst im Irak der Enthüllungsplattform zahlreiche Dokumente zugespielt haben soll und deswegen unter Anklage steht, will offenbar einen Deal mit der Staatsanwaltschaft machen. Wie sein Anwalt David Coombs am 7. November bei einer Vorverhandlung zum eigentlichen Prozeß, der im kommenden Februar vor einem Militärgericht am Fort Meade, Maryland, beginnen soll, bekanntgab, ist Manning bereit einzugestehen, daß er auf unerlaubte Weise vertrauliche US-Regierungsdokumente an Wikileaks weiterleitete. Im Gegenzug soll der schwerste von insgesamt 22 Anklagepunkten gegen ihn, durch sein illegales Handeln "dem Feind" geholfen zu haben, fallengelassen werden. Auf diese Weise könnte der 23jährige Manning einer lebenslangen Freiheitsstrafe bzw. der Todesstrafe entgehen. Über den Antrag des Angeklagten soll nun der Militärrichter entscheiden, nachdem die Staatsanwaltschaft dazu ihre Position erläutert hat.

Beobachter gehen davon aus, daß die US-Behörden Manning dazu bringen wollen, den Wikileaks-Gründer Julian Assange zu belasten. Demnach soll Manning erklären, er habe die vertraulichen Dokumente Wikileaks nicht allein aus Verärgerung über den Umgang der amerikanischen Streitkräfte mit den einfachen Menschen im Irak zukommen lassen, sondern sei dazu von Assange angestiftet worden. In einem solchen Szenario und nach einer gelungenen Verurteilung droht Assange ebenfalls eine lange Haftstrafe. Die US-Regierung hätte den von ihr erwünschten Abschreckungseffekt erzielt.

Derzeit befindet sich Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London. Dorthin war er im Juni aus Furcht vor einer Auslieferung nach Schweden, wo ihm eine Befragung wegen sexueller Belästigung bevorsteht und die Überstellung an die US-Justizbehörden droht, geflüchtet. Wie aus Dokumenten der US-Luftwaffe hervorgeht, die im September freigegeben wurden, hat das Verteidigungsministerium in Arlington Assange und Wikileaks offiziell als "Feinde" eingestuft. Das heißt, der Vorwurf gegen Manning, dem "Feind" geholfen zu haben, bezieht sich nicht auf etwaige propagandistische Unterstützung für Al Kaida durch die Bloßstellung der Machenschaften der CIA, des Pentagons und des State Department. Die Definition ist von ungeheurer Tragweite, denn im Grunde genommen wird der Kritiker der amerikanischen Sicherheitspolitik auf die gleiche Stufe wie der islamistische "Terrorist" gestellt.

Ebenfalls am 7. November wurde erstmals offiziell bestätigt, daß eine Grand Jury in Alexandria, Virginia, bereits seit zwei Jahren gegen Assange zwecks Anklageerhebung ermittelt. Publik wurde die Tatsache durch das Scheitern des Versuchs dreier Wikileaks-Mitarbeiter, die Durchforstung ihrer Twitter-Konten durch das Justizministerium in Washington rechtlich zu verhindern. Der zuständige Richter Liam O'Grady lehnte den Antrag der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die "laufende strafrechtliche Ermittlung" gegen Assange ab. Wie der Zufall es so will, hat ebenfalls am selben Tag der Wikileaks-Chef aus seinem ecuadorianischen Asyl heraus eine eigene Stellungnahme zur Wiederwahl Barack Obamas abgegeben. Er bezeichnete den alten und neuen US-Präsidenten als "Wolf im Schafspelz" und warf dem Demokraten vor, in den USA einen Polizeistaat zu errichten. "Obama scheint ein netter Mann zu sein, aber gerade das ist das Problem", so Assange. Der Australier erinnerte daran, daß "die Wiederwahl von Barack Obama" mit "dem 899. Tag der Gefangenschaft von Manning" zusammenfiel.

10. September 2012