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JUSTIZ/696: Streit um Foltergeheimnisse der CIA in Guantánamo (SB)


Streit um Foltergeheimnisse der CIA in Guantánamo

Der brisante Fall Abu Zubaydah soll in Vergessenheit geraten


Anwälte einiger der 116 noch im Sondergefängnis auf dem Gelände des US-Marinestütztpunkts Guantánamo Bay einsitzenden Häftlinge beklagen sich über eine restriktive Informationspolitik der CIA und der Regierung Barack Obamas. Einen Monat nach der Veröffentlichung der 525seitigen Zusammenfassung des umstrittenen Berichts des Geheimdienstausschusses des Senats zum Thema Folter im Dezember 2014 durch die Ausschußvorsitzende, die Demokratin Dianne Feinstein, hatte die Obama-Administration eine neue Informationsrichtlinie erlassen. Diese wiederum wird von der CIA, die bis zuletzt versuchte hatte, die Veröffentlichung des Senatsberichts zu verhindern, nicht eingehalten. Das behaupten jedenfalls die Anwälte der Guantánamo-Häftlinge, wie am 10. September die Nachrichtenagentur Reuters unter der Überschrift "U.S. government blocks release of new CIA torture details" berichtete.

Nach dem Erlaß der neuen Richtlinie hatten Justizministerium und CIA den Anwälten von Majid Khan gestattet, 27 Seiten an Notizen, die sie in den vergangenen sieben Jahren bei Interviews mit ihm über seine Mißhandlungen durch den US-Auslandsgeheimdienst zusammengetragen hatten, zu veröffentlichen. Darin beschrieb der Pakistaner, der 2003 von den Behörden in Islamabad der CIA übergeben und erst 2006, nach drei Jahren in Geheimgefängnissen im Ausland nach Guantánamo transferiert wurde, wie Mitarbeiter des US-Auslandsgeheimdienstes ihm bei Vernehmungen eiskaltes Wasser auf die Genitalien gossen, ihn zweimal nackt filmten und wiederholt im Genitalbereich anfaßten. Laut Khan haben seine Peiniger, von denen einige nach Alkohol rochen, gedroht, ihn mit einem Hammer, Baseball-Schlägern, Stöcken und Ledergürteln zu schlagen. Das sind alles Details zum Fall Khan, die in der Zusammenfassung des Folterberichts des Senats keine Erwähnung fanden.

Aufgrund der neuen Informationsrichtlinie, die lediglich die namentliche Identifizierung der beteiligten Vernehmungsbeamten und der Standorte der früheren "black sites" der CIA im Ausland verbietet, hat der Anwalt David Margulies eine Freigabe zur Veröffentlichung der 116 Seiten an Notizen, die er bei Gesprächen mit seinem Mandanten Abu Zubaydah gemacht hatte, beantragt. Obwohl sich Margulies nach eigenen Angaben an die Vorschrift hielt, wonach zur Veröffentlichung vorgelegtes Material lediglich "allgemeine Foltervorwürfe" und "Informationen bezüglich der Bedingungen der Inhaftierung" enthalten darf, wurde ihm die Freigabe zur Veröffentlichung ohne Benennung von Gründen verwehrt. Margulies wirft der CIA vor, "garantieren zu wollen, daß Abu Zubaydah niemals preisgibt, was ihm angetan wurde."

Bedenkt man die Umstände des Falls des 44jährigen Abu Zubaydah, die im Reuters-Bericht mit keinem Wort erwähnt werden, außer daß er bis heute nicht angeklagt worden ist, ist die Geheimhaltungspolitik der CIA und der Obama-Regierung mehr als verständlich. Der Saudi hatte in den ersten Wochen nach seiner Verhaftung bei einer Schießerei in Pakistan im März 2002 mit dem FBI kooperiert und sein Wissen über Al Kaida und die Taliban dem US-Ermittlungsbeamten Ali Soufan freiwillig mitgeteilt. Nach wenigen Wochen hat die CIA ihn in ihre Obhut genommen und ihn, obwohl schwer verletzt, in ein geheimes Gefängnis der CIA verlegt und mittels monatelanger Folter Falschaussagen aus ihm gepreßt. Man hat Abu Zubaydah, obwohl lediglich ein Al-Kaida-Mitglied der untersten Ebene, unter anderem 83 Mal dem Waterboarding unterzogen.

In einem wichtigen Artikel, der am 21. April 2009 bei der US-Zeitungsgruppe McClatchy unter der Überschrift "Report: Abusive tactics used to seek Irak-al Qaida link" erschienen ist, hat ein nicht namentlich genannter "ehemaliger ranghoher US-Geheimdienstbeamter" das Motiv für das Märtyrium Abu Zubaydahs wie folgt erklärt:

Es gab zwei Gründe, warum diese Vernehmungen so lange dauerten und so hartnäckig durchgeführt wurden und warum extreme Methoden zur Anwendung kamen. Der Hauptgrund ist, daß sich alle Sorgen um einen weiteren Anschlag (nach 9/11) machten. Doch für einen Großteil von 2002 und bis in 2003 hinein verlangten insbesondere Cheney und Rumsfeld Beweise für eine Verbindung zwischen Al Kaida und dem Irak, von denen ihnen der (irakische Exilpolitiker Ahmed) Chalabi erzählt hatte, daß sie existierten.

Auf den Geheimdiensten und den Vernehmungsbeamten lastete der permanente Druck, alles, was erforderlich sein sollte, zu unternehmen, um jene Informationen aus den Gefangenen, insbesondere aus den paar hochwertigen, die wir hatten, zu bekommen, und wann immer die Leute berichteten, daß die nichts in Erfahrung hatten bringen können, wurde ihnen dann seitens Cheneys und Rumsfelds Leuten gesagt, daß sie sich noch mehr ins Zeug legen sollten.

Cheneys und Rumsfelds Leute wurden von der CIA und von anderen Leuten ... wiederholt informiert, daß es keine verläßlichen Erkenntnisse gab, die auf operative Verbindungen zwischen Bin Laden und Saddam hindeuteten, und daß solche Verbindungen unwahrscheinlich wären, weil die beiden im Grunde genommen Feinde und keine Verbündeten waren."

Dessen ungeachtet haben ranghohe Regierungsmitglieder "das beiseite geschoben und permanent darauf insistiert, daß wir etwas übersehen hätten, daß die Vernehmungsbeamten nicht genügend Druck ausübten, daß es irgend etwas Zusätzliches geben müßte, was wir machen könnten, um an die Informationen heranzukommen", erklärte er.

Am 13. Mai 2009 hat Lawrence Wilkerson, einst Stabschef von Außenminister Colin Powell, die Angaben des Geheimdienstinformanten von McClatchy bestätigt und die früheren Kollegen in der Bush-Regierung schwer belastet. Auf der Website Democrats.com wurde Wilkerson mit der Aussage zitiert:

Was ich erfahren habe, ist, daß die Administration verschärfte Vernehmungsmethoden in April und Mai 2002 - lange bevor das Justizministerium irgendwelche Rechtsgutachten erstellt hatte - genehmigt hat. Oberste Priorität, was die Erkenntnisgewinnung betrifft, war nicht die Verhinderung eines weiteren terroristischen Anschlages auf die USA, sondern die Entdeckung eines rauchenden Colts, der den Irak mit Al Kaida verbinden würde.

Die US-Behörden versuchen also die Informationen zum Fall Abu Zubaydahs so gut wie möglich zurückhalten, nicht nur weil CIA-Agenten in Sachen Folter belastet werden könnten, sondern vor allem, weil darin Beweise zu finden sind, wie George W. Bush, Dick Cheney und Donald Rumsfeld samt ihren Mitarbeitern die Begründung für ihren illegalen Angriffskrieg gegen den Irak wissentlich herbeischwindelten. Beim Kasus Abu Zubaydah geht es in erster Linie um Kriegsverbrechen im gigantischen Ausmaß mit Hunderttausenden von Toten und nur nebenbei um die Peinigung eines einzelnen armen Arabers.

12. September 2015


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