Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

LATEINAMERIKA/2214: Mauricio Funes tritt Präsidentenamt El Salvadors an (SB)


Erster linksgerichteter Staatschef in der Geschichte des Landes


In El Salvador hat Mauricio Funes von der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) das Präsidentenamt angetreten und damit das jahrzehntelange Regime rechtsgerichteter Regierungen beendet. Seit Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1989 hatte die konservative Partei ARENA (Alianza república nacionalista) ununterbrochen die Staatsführung gestellt. Bei den Wahlen im März konnte sich der Kandidat der ehemaligen Guerillaorganisation mit 51,3 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen Rodrigo Avila durchsetzten.

Im Jahr 1980 wurde die FMLN, die ihren Namen von dem Rebellenführer Farabundo Martí herleitet, als Zusammenschluß revolutionärer Bewegungen gegründet. Die marxistisch ausgerichtete Guerilla führte einen Krieg gegen die damalige Militärdiktatur, der erst 1992 mit der Vereinbarung eines Waffenstillstands endete. Danach organisierte sich die FMLN als politische Partei, die am parlamentarischen System teilnimmt und nun für die Dauer von fünf Jahren den Präsidenten stellt.

Das salvadorianische Volk habe einen Wechsel gefordert, und der Wechsel beginne jetzt, erklärte der 49 Jahre alte ehemalige CNN-Korrespondent Mauricio Funes in seiner Antrittsrede. "Das salvadorianische Volk mußte einen langen Weg zurücklegen, um diesen Tag zu erreichen. Keine Anstrengung und kein Opfer waren umsonst." Er räumte ein, daß er die Amtsgeschäfte inmitten einer schweren Krise übernehmen muß, wofür er die Vorgängerregierungen scharf kritisierte. Ihnen sei es nicht gelungen, die Wirtschaft des Landes "produktiver und weniger abhängig" von den USA zu machen. Die Verantwortung für diese Situation trage nicht das salvadorianische Volk, sondern die führende Elite. Funes stellte neben einem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und institutionellen Wiederaufbau des Landes auch einen Wiederaufbau "der Moral und der Werte" in Aussicht. (junge Welt 03.06.09)

Funes kündigte ein Programm gegen die Wirtschaftkrise an. So sollen in einem Zeitraum von 18 Monaten durch den Ausbau der Infrastruktur und die Errichtung von 50.000 Wohnungen insgesamt 100.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Zudem will der neue Staatschef ein Gesundheitsprogramm und eine Grundrente realisieren. "Wir brauchen eine friedliche und demokratische Revolution, um soziale Grundwerte in der Wirtschaft zu implementieren. Das bedeutet, soziale Ungleichheit zu vermindern und die Lebensqualität des Volkes zu erhöhen." Seinem Kabinett gehören zahlreiche parteifremde Mitglieder an, neue Außenministerin ist seine brasilianischstämmige Frau Wanda Pignato.

Als erste Amtshandlung nahm Funes die diplomatischen Beziehungen mit Kuba wieder auf, die El Salvador dem Beispiel der USA folgend 1962 abgebrochen hatte. Damit hat auch das letzte Land Mittelamerikas sein Verhältnis zu Havanna normalisiert und Washington mit dieser Form politischer Ausgrenzung allein zurückgelassen. Vertreter beider Länder unterzeichneten in San Salvador die Dokumente zur Wiederaufnahme der Beziehungen. Es sei eine wahre Freude, in San Salvador zu sein und den außergewöhnlichen Sieg der FMLN zu feiern, sagte Kubas Vizepräsident Esteban Lazo bei seiner Ankunft. Die kubanische Zeitung "Granma" berichtete mit Genugtuung, daß Havanna nunmehr vollständige diplomatische Beziehungen zu sämtlichen Staaten Lateinamerikas und der Karibik unterhält. Wie Funes hervorhob, sei das Schicksal seines Landes unauflöslich mit dem seiner lateinamerikanischen Nachbarn verbunden. Daher befürworte er entschieden die Einheit der Region wie auch ganz Lateinamerikas.

An der Vereidigung des neuen Präsidenten nahm auch US-Außenministerin Hillary Clinton teil, die Funes gratulierte und die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Problemen in Aussicht stellte wie auch eine Einladung Obamas zu einem Staatsbesuch ins Weiße Haus überbrachte. Die Staatschefs Venezuelas und Boliviens, Hugo Chávez und Evo Morales, sagten ihre Teilnahme in letzter Minute ab. In Caracas trat Chávez erstmals seit vier Tagen wieder ans Licht der Öffentlichkeit und warf Regierungsgegnern und der CIA vor, einen Mordanschlag auf ihn geplant zu haben. Aus diesem Grund habe er von der geplanten Reise nach El Salvador Abstand genommen. Wie er berichtete, habe er erste Hinweise von seinem Amtskollegen Daniel Ortega aus Nicaragua erhalten und verfüge nun über Informationen, wonach sein Flugzeug mit Raketen angegriffen werden sollte. Vor zwei Wochen seien venezolanische Umstürzler nach San Salvador gereist, die ihn umbringen wollten. Chávez bescheinigte US-Präsident Barack Obama "gute Absichten", doch forderte er ihn erneut auf, den Attentäter Luis Posada Carriles an Venezuela auszuliefern.

Präsident Ortega traf erst nach Abschluß der Zeremonie in San Salvador ein und nahm an einer Großkundgebung der FMLN mit etwa 60.000 Menschen zum Amtsantritt teil. Aufgrund der geringen Entfernung zwischen Managua und San Salvador sei es möglich gewesen, die Sicherheitsaspekte so zu koordinieren, daß eine Anreise zur Kundgebung vertretbar erschien.

3. Juni 2009