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LATEINAMERIKA/2235: Zelaya ruft zum Aufstand des honduranischen Volkes auf (SB)


Kollaborateure des Putsches wollen vollendete Tatsachen schaffen


Während die Putschisten in Honduras die Vermittlungsgespräche fortsetzen wollen, da jede Verzögerung der Rückkehr Manuel Zelayas Wasser auf die Mühlen ihrer Absicht ist, den eingeleiteten Reformprozeß im Keim zu ersticken, drängt der demokratisch gewählte und durch einen Staatsstreich am 28. Juni gestürzte Präsident des mittelamerikanischen Landes auf eine umgehende Rückkehr in sein Amt. Er hat die Machthaber um Roberto Micheletti in Tegucigalpa aufgefordert, ihm die Heimkehr ohne Hindernisse zu ermöglichen und die Wiederaufnahme seines Mandats noch in der laufenden Woche nicht zu verhindern. Ansonsten werde er die Verhandlungen als gescheitert ansehen und "andere Maßnahmen" zur Anwendung bringen.

Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Staatschef Alvaro Colom in Guatemala-Stadt bekräftigte Zelaya erneut, daß er seine Rückkehr ins Präsidentenamt von Honduras vorbereite, und rief seine Anhänger zum Volksaufstand gegen die Putschisten auf. Er nannte dies ein konstitutionelles Recht der Honduraner, da Demonstrationen, Streiks, Besetzungen von Gebäuden und Straßenblockaden erforderlich seien, wenn in einem Land die demokratische Ordnung verletzt worden ist. "Der Aufstand ist ein Recht des Volkes, verankert in der Verfassung von Honduras. Und die Honduraner müssen ihre Rechte wahren." [1]

Die Putschführung hat das Ultimatum Zelayas für dessen Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Der als Außenminister fungierende Carlos López gab vor Journalisten bekannt, die Übergangsregierung werde die Vermittlungsgespräche fortsetzen. Diese Gespräche müßten mit Geduld angegangen werden. In der vergangenen Woche war ein Dialog zwischen den Kontrahenten unter Vermittlung des costaricanischen Präsidenten Arias ohne Ergebnis geblieben. Die Verhandlungen über eine Beilegung der Krise in Honduras sollen am Samstag in Costa Rica weitergeführt werden. Unterdessen gab UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon bekannt, daß er sich in die Vermittlung einschalten wolle. [2]

Gegenüber der Nachrichtenagentur AF hat der honduranische Armeechef Romeo Vásquez die Entscheidung, den gestürzten Präsidenten Zelaya sofort außer Landes zu bringen, verteidigt. Die Sicherheitskräfte seien davon ausgegangen, daß es zu gefährlich gewesen wäre, Zelaya im Land festzuhalten, da dessen Anhänger zweifellos versucht hätten, ihn zu befreien. Die Konsequenzen wären ernst gewesen, da man unter solchen Umständen Tote und Verletzte befürchten müsse. "Wir hatten eine Verfassungsmission zu erfüllen und mußten diese wegen der historischen Verantwortung einhalten", erklärte Vásquez, der kurz vor dem Putsch von Zelaya entlassen, danach aber vom Militär wieder eingesetzt worden war.

Aktuelle Nachrichten aus Honduras sind mit Vorsicht zu genießen, da die Putschisten eine unabhängige Berichterstattung massiv verhindern und inzwischen verstärkt gegen ausländische Korrespondenten vorgehen. So wurden die Teams des lateinamerikanischen Nachrichtensenders TeleSur und des staatlichen venezolanischen Kanals VTV unter fingierten Vorwänden verhaftet und ausgewiesen. Zwar wurde die nächtliche Ausgangssperre wieder aufgehoben, doch sind seit dem Putsch mehr als 1.200 Menschen verhaftet worden. Akut bedroht ist das Leben prominenter Vertreter der Widerstandsbewegung, wie zwei Morde am letzten Wochenende unterstreichen. In San Pedro Sula fiel Roger Iván Bados einem Mordanschlag zum Opfer, der zu den führenden Mitgliedern der Nationalen Front gegen den Staatsstreich gehörte, und in der Provinz Santa Bárbara wurde mit Ramón García ein weiteres Mitglied der Linkspartei UD regelrecht exekutiert. [3]

Die honduranische Öffentlichkeit wird von Medien desinformiert, die im Besitz einflußreicher ökonomischer Gruppen sind, welche geschlossen hinter dem Putsch stehen. Das gilt für Fernsehen und Radiosender ebenso wie für die Zeitungen und Internetzugangsfirmen. Im Zuge des Umsturzes wurde die Satellitenkommunikation blockiert, so daß internationale Fernsehsender an der Ausstrahlung gehindert waren. Auch wurden die Sender gezwungen, bestimmte Ereignisse zu ignorieren und statt dessen inhaltsarme Lückenfüller zu übertragen. Hingegen verfügt der Widerstand über keine eigenen Medien, was seine Möglichkeiten stark begrenzt, die Bevölkerung über aktuelle Entwicklungen aufzuklären und seine Position zu vertreten. Daher gilt es kurzfristig, ein alternatives Kommunikationssystem aufzubauen, und langfristig, die Medienhoheit der Eliten zu brechen. [4]

Diese und andere Berichte aus dem mittelamerikanischen Land deuten darauf hin, daß die Putschisten bemüht sind, angesichts ihrer internationalen Isolation nach außen hin den Eindruck rechtmäßigen Vorgehens und einer raschen Normalisierung zu erwecken, während die Abrechnung mit den Anhängern Zelayas voranschreitet und der Widerstand gewaltsam unterdrückt wird. Wie viele Menschen seit dem Umsturz getötet, verletzt, verhaftet oder auf andere Weise drangsaliert wurden, wird man erst mit Sicherheit in Erfahrung bringen, wenn den illegitimen Machthabern das Handwerk gelegt ist.

Unterdessen hat Ginger Thompson von der New York Times aus San José berichtet, daß der sogenannte Übergangspräsident Roberto Micheletti bei seinem Gespräch mit dem Vermittler Oscar Arias von dem US-Amerikaner Bennett Ratcliff aus San Diego begleitet wurde, der früher für Präsident William Clinton tätig war. Wie es hieß, sei jeder Vorschlag des Micheletti-Teams von Ratcliff entweder formuliert oder abgesegnet worden.

Zugleich macht in Washington Lanny Davis Front für die Putschisten, der die Clintons seit den gemeinsam in Yale verbrachten Studienzeiten in den 1970er Jahren kennt und für beide als Berater bzw. Wahlhelfer gearbeitet hat. Davis tritt als Lobbyist des reaktionären Latin American Business Council in Erscheinung und verteidigte den Putsch vor dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses mit den Worten, Demokratie und Bürgerrechte erblühten derzeit in Honduras. Wenngleich damit natürlich noch keine direkte Verbindung zu den Clintons in aktuellen Fragen bewiesen ist, fällt es schwer anzunehmen, daß Ratcliff und Davis für die Putschisten tätig werden, ohne grünes Licht vom US-Außenministerium und dem Weißen Haus bekommen zu haben. [5]

Der US-Botschafter in Nicaragua, Robert Callahan, hat die Vorwürfe des venezolanischen Staatschefs Hugo Chávez zurückgewiesen, die USA seien an dem Putsch beteiligt gewesen. Die US-Regierung lehne den Putsch ab und sehe Zelaya als rechtmäßigen Staatschef von Honduras an. "Wir hatten mit dem Staatsstreich in Honduras nichts zu tun, das ist eine Verleumdung, eine Lüge", erklärte Callahan. Chávez hatte sogar im US-Außenministerium angerufen und Präsident Obama öffentlich gedrängt, endlich etwas zu Honduras zu unternehmen. Der Putsch sei Obamas Stunde der Wahrheit, in der er beweisen könne, daß er den Falken tatsächlich entgegentritt.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ian Kelly, behauptete Anfang der Woche auf einer Pressekonferenz, die Vorgänge in Honduras würden nicht von den Vereinigten Staaten gesteuert. Nach dieser Äußerung brachen die versammelten Medienvertretern offenbar in heftiges Gelächter aus. Die US-Regierung zieht sich nach wie vor auf die durchsichtige Position zurück, die Wiederherstellung einer demokratischen Ordnung in Honduras zu fordern, ohne jedoch den Putsch explizit als solchen zu verurteilen oder Zelayas sofortige Rückkehr zu verlangen. Was der Öffentlichkeit als Politik der Nichteinmischung verkauft wird, ist eine verdeckte Unterstützung der Putschisten, die man weiter auf Zeit spielen läßt.

Die Obama-Administration, die Berater Ratcliff und Davis, die Putschisten um Roberto Micheletti und Vermittler Oscar Arias - sie alle sind sich einig in der Forderung, nun müsse erst einmal ruhig und vernünftig verhandelt werden, was eben seine Zeit brauche. Vollendete Tatsachen zu schaffen und zu verankern, war das Ziel des Staatsstreichs, der mit jeder weiteren Woche unter den neuen Machthabern dem Ziel näherkommt, Präsident Zelaya seiner verbliebenen politischen Möglichkeiten zu berauben. Für Zelaya kommt es hingegen darauf an, Verbindung mit der Widerstandsbewegung zu halten und so schnell wie möglich nach Honduras zurückzukehren, da im Falle einer längeren Verzögerung, wie sie seine Gegner anstreben, die Kräfte seiner Anhänger aufgerieben zu werden drohen.

Anmerkungen:

[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,636203,00.html

[2] http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/ zelaya_wuetet_weiter_gegen_seine_absetzung_1.3050250.html

[3] junge Welt vom 14.07.09

[4] junge Welt vom 15.07.09

[5] World Socialist Web Site 15.07.09

15. Juli 2009