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LATEINAMERIKA/2262: Kolumbien droht eine dritte Amtszeit Präsident Uribes (SB)


Staatschef strebt nun auch offiziell eine erneute Kandidatur an


Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe strebt nun auch offiziell eine dritte Kandidatur für das höchste Staatsamt an. Nach einem Jahrhundert durch die Verfassung ausgeschlossener Wiederwahl hatte er bereits 2006 erstmals eine Verfassungsänderung erwirkt, die ihm eine zweite Amtszeit ermöglichte. Diese endet im kommenden Jahr, worauf er nach geltender Rechtslage seinen Sessel für einen Nachfolger räumen müßte. Wie seit geraumer Zeit erwartet, will er jedoch ein Referendum abhalten lassen, das ihm den Weg für die Fortsetzung seines Regimes ebnet. Dafür ist zunächst die Zustimmung des Kongresses erforderlich. [1]

Nachdem nun der Senat die Durchführung einer Volksabstimmung beschlossen hat, wird ein entsprechendes Votum auch im Repräsentantenhaus erwartet. Danach könnte nur noch das Verfassungsgericht ein Referendum verhindern, womit jedoch nicht zu rechnen ist. Da die Vertreter des Linksbündnisses PDA und der Liberalen Partei den Saal zum Zeichen ihres Protests vor der Senatsabstimmung verlassen hatten, fiel diese eindeutig aus. [2] Sollte es wie geplant zu einem Referendum im November kommen, wäre dessen Ergebnis nur gültig, wenn 25 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilgenommen haben. Würde die Hälfte der abgegebenen Stimmen eine Verfassungsänderung befürworten, wäre diese angenommen. Angesichts der Popularität, der sich Uribe vor allem bei der Wählerschaft der urbanen Zentren Bogotá und Medellín erfreut, steht zu befürchten, daß er sich bei einer Volksabstimmung wie auch einer erneuten Kandidatur durchsetzen würde.

Uribe hatte sich hinsichtlich einer weiteren Verlängerung seiner Präsidentschaft lange in Schweigen gehüllt und seinem politischen Umfeld die Debatte überlassen. Diese Zurückhaltung des Präsidenten war offensichtlich taktischer Natur, da er auf diese Weise einen überlangen Wahlkampf vermied und mögliche Konkurrenten aus dem eigenen Lager im Ungewissen ließ. Bei der letzten Verfassungsänderung war ein Teil der Stimmen im Kongreß gekauft worden, um das gewünschte Votum herbeizuführen. Das dürfte diesmal nicht erforderlich sein, da der Dammbruch bereits erfolgt ist. Davon abgesehen könnte auch eine weitere derartige Affäre diesen Staatschef nicht bremsen, dem man nachsagt, daß die Mehrzahl seiner Verwandten und engen politischen Vertrauten wegen Zusammenarbeit mit den Paramilitärs oder anderen Delikten unter Anklage steht oder bereits hinter Gittern sitzt.

Kommt es zu einer dritten Amtszeit Uribes, werden die Institutionen mit Sicherheit weiter ausgehöhlt. Zu rechnen ist für diesen Fall mit einem fortgesetzten Ausbau des Sicherheitsapparats und neuen repressiven Gesetzen, die der Opposition gegen diese Staatsführung das Leben noch schwerer machen. Regierungsgegner, kritische Journalisten und Gewerkschafter blieben mehr denn je Zielscheibe von Mordanschlägen, ohne daß die Täter überführt und zur Rechenschaft gezogen werden. Sicherheitskräfte und Todesschwadrone könnten ihren Einfluß um so nachhaltiger ausbauen und jeden zum Schweigen bringen, der ihr Treiben aufdeckt.

In dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg wurden mehr als 12.000 Menschen bei Kampfhandlungen getötet und vier Millionen Menschen, die etwa zehn Prozent der Bevölkerung entsprechen, zu Flüchtlingen im eigenen Land. Schätzungen zufolge dürften etwa 60 Prozent der Vertreibungen den Paramilitärs und rund 10 Prozent den Streitkräften anzulasten sein, die in vielen Fällen ohnehin Hand in Hand arbeiten. Für die verbleibenden 30 Prozent werden die Rebellen verantwortlich gemacht. Seit Amtsantritt Präsident Uribes im August 2002 sind nach Angaben der UNO schwere Verletzungen der Menschenrechte an der Tagesordnung. Rund 14.000 Menschen sind spurlos verschwunden oder nachweislich umgebracht worden, wobei staatliche Kräfte in 75 Prozent aller Fälle direkt oder indirekt beteiligt waren. Im Dezember 2008 zeichnete der UN-Menschenrechtsrat in Genf ein düsteres Bild der Situation in Kolumbien. So geht man davon aus, daß von den millionenfach vertriebenen Bauern rund 60 Prozent im Besitz von Landtiteln waren. Es findet also eine landwirtschaftliche Gegenreform größten Ausmaßes statt, da die Enteignung und Vertreibung von Kleinbauern weniger eine Folgeerscheinung der Kriegshandlungen, als vielmehr deren Ziel und Zweck ist.

Profiteure einer dritten Amtszeit des kolumbianischen Präsidenten wären nicht zuletzt die Vereinigten Staaten, zu deren wenigen engen Verbündeten in Lateinamerika Uribe auch unter der Regierung Barack Obamas zählt. Während der Bush-Administration hatte der Hardliner im Präsidentenpalast von Bogotá den sogenannten Krieg gegen den Terror offensiv unterstützt und auf die geplante Vernichtung der Rebellen im eigenen Land gemünzt. Er erweist sich als Statthalter weltherrschaftlicher Interessen, wie ihn sich die Strategen in Washington nicht besser wünschen könnten. Die sieben in Kolumbien geplanten US-Stützpunkte unterstreichen, daß diese Kumpanei die hegemonialen Ansprüche Washingtons zu Lasten der gesamten Weltregion durchzusetzen droht.

Anmerkungen:

[1] Uribe strebt dritte Präsidentschaft an (12.08.09)
NZZ Online

[2] "Massaker an der Verfassung von 1991". Kolumbiens Präsident Uribe will sich eine erneute Amtszeit per Referendum verschaffen (21.08.09)
junge Welt

22. August 2009