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LATEINAMERIKA/2265: Regime in Honduras brüskiert Delegation der OAS (SB)


Washington taktiert mit symbolischen Sanktionen


Angesichts der wirtschaftlichen, militärischen und politischen Abhängigkeit des mittelamerikanischen Kleinstaats Honduras von den Vereinigten Staaten wäre die Regierung in Washington vor allen anderen in der Lage, den Putschisten in Tegucigalpa das Wasser abzugraben und die Rückkehr Präsident Manuel Zelayas ins Amt herbeizuführen. Daß die Obama-Administration bislang nur moderate Sanktionen verhängt hat, muß als eine Strategie der Einflußnahme bewertet werden, die ähnlich wie in Venezuela und Haiti einen Umsturz ohne offene militärische Intervention der US-Streitkräfte befördert. Wenn eine US-Regierung entgegen ihrer weltweiten Praxis plötzlich darauf beharrt, sie wolle sich in die inneren Angelegenheiten eines von einem Konflikt heimgesuchten Landes nicht einmischen, kann man davon ausgehen, daß die von Washington favorisierte Entwicklung dort ihren Lauf nimmt und ungehindert ihr Ziel erreichen soll.

Die Vereinigten Staaten haben von ihren Hilfsfonds für Honduras in Höhe von insgesamt 250 Millionen US-Dollar bislang lediglich 16 Millionen suspendiert. Zudem wurden zunächst nur die Visa von fünf Vertretern des Regimes aufgehoben. Da kein anderes Land finanziellen Druck in vergleichbarer Größenordnung ausüben kann, sind die Putschisten durchaus in der Lage, ihren Machtapparat aufrechtzuerhalten. Offenbar bedienen sie sich dabei staatlicher Fonds, die sie zu eigenen Gunsten zweckentfremden. So verlautete aus Kreisen der Zelaya-Regierung, Anfang August seien 40 Millionen US-Dollar aus dem Öl-Fonds von "Petrocaribe", die unter anderen für die Armutsbekämpfung vorgesehen waren, an den von den Putschisten kontrollierten Nationalkongreß überwiesen worden. [1]

Inzwischen hat sich die US-Regierung zu einer weiteren Sanktion durchgerungen, die jedoch erneut Eingriffe in die Hilfsfonds ausspart und daher eher den Charakter einer politischen Geste, als den einer sofort wirksamen Maßnahme hat. Nach Angaben des Außenministeriums in Washington erhalten Bürger von Honduras keine Visa für die USA mehr. [2] Ab sofort bearbeite die US-Botschaft in Tegucigalpa lediglich die Einreiseanträge von potentiellen Immigranten oder Notfällen. Man reagiere damit auf die Weigerung der Übergangsregierung, die vom costaricanischen Präsidenten Oscar Arias ausgehandelte Kompromißlösung zu akzeptieren. Die US-Regierung halte das Abkommen von San José für die beste Lösung und unterstütze die Verhandlungsposition einer Delegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die sich seit Wochenbeginn in Honduras um die Zustimmung der Übergangsregierung zu der Vereinbarung bemüht.

Daß die US-Regierung auf die Annahme des Abkommens von San José besteht, liegt auf der Hand, da sie andernfalls ihre Tarnung gefährden würde. Der von Arias entworfene angebliche Kompromiß läuft ohnehin auf eine klare Benachteiligung Zelayas hinaus, der zwar ins Präsidentenamt zurückkehren kann, jedoch auf das geplante Referendum verzichten und eine Allparteienregierung akzeptieren soll, die seinen verbliebenen Handlungsspielraum massiv einschränkt. Auch ist in dem Vorschlag von einer Amnestie die Rede, deren Bedeutung offenbar höchst unterschiedlich interpretiert wird. Während Zelaya den Plan von San José trotz aller Nachteile im Prinzip akzeptiert hat, lehnen ihn die Putschisten in Verfolgung ihrer Hinhaltetaktik nach wie vor ab.

Wie Roberto Micheletti im Namen der Putschregierung gegenüber der OAS-Delegation in Tegucigalpa unterstrichen hat, werde seine Regierung weiterhin an der Vermittlung des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias teilnehmen, doch komme eine Übernahme der Regierung durch Zelaya nicht in Frage. Sofern dieser auf die Rückkehr ins Präsidentenamt verzichte, sei auch er zum Rücktritt bereit, um einem Dritten die Staatsführung bis zu nächsten Wahl zu übergeben, erklärte Micheletti. Honduras werde die Präsidentenwahlen im November ungeachtet der internationalen Reaktionen abhalten: "Wir haben vor niemandem Angst. Dieses Land wird auch ohne Ihre oder die Hilfe anderer Länder auskommen." [3]

Der OAS-Delegation gehören die Außenminister Kanadas, Mexikos, Panamas, Costa Ricas, Jamaikas, der Dominikanischen Republik und Argentiniens sowie der OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza an. Um dessen Teilnahme war ein heftiger Streit mit der sogenannten Übergangsregierung entbrannt, da die OAS die Mitgliedschaft von Honduras nach dem Staatsstreich suspendiert hatte. Letzten Endes war die anfängliche Weigerung, den Chilenen mit der Delegation einreisen zu lassen, ein weiteres Verzögerungsmanöver der Putschisten, die darauf setzen, daß ihnen jede Verlängerung des Status quo in die Hände spielt.

Die Delegation will bei ihrem Aufenthalt die maßgeblichen Akteure und Institutionen dazu drängen, dem Abkommen von San José zuzustimmen. Sollte Zelaya, der von der internationalen Staatengemeinschaft als legitimer Präsident des mittelamerikanischen Landes anerkannt wird, Chef einer nationalen Regierung der Versöhnung mit allen politischen Kräften werden, liefe das darauf hinaus, die für November geplanten Präsidenten- und Parlamentswahlen durchzuführen, um damit das Kapitel Zelaya möglichst sang- und klanglos zu schließen. Dieser hatte die Vermittlung zwischenzeitlich für gescheitert erklärt, zuletzt aber der OAS-Delegation einen neuen Vorschlag zugeschickt. Die Delegierten wollen nicht nur mit Repräsentanten des Micheletti-Regimes zusammentreffen, sondern auch mit Vertretern sozialer Gruppierungen sprechen. Eine geplante Unterredung wurde auch seitens der "Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich" bestätigt, in der rund 100 Organisationen vertreten sind.

Am Wochenende hatte eine Abordnung der Interamerikanischen Menschenrechtsorganisation (CIDH) nach einer fünftägigen Visite in Honduras schwere Menschenrechtsverletzungen im Land bestätigt. Wie es im Abschlußbericht hieß, sei es seit dem Putsch zu "willkürlichen Festnahmen" und "grausamen, unmenschlichen und entwürdigenden Übergriffen" auf Aktivisten der Demokratiebewegung gekommen. Die Rede war von "Hunderten Verletzten und Tausenden Festnahmen", wobei sich die Abordnung insbesondere über die zunehmende Beteiligung der Armee am gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten besorgt zeigte. [4]

Die Widerstandsbewegung will die Anwesenheit der OAS-Außenminister nutzen, um Flagge zu zeigen und den Druck auf das Regime des ehemaligen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti zu erhöhen. Entgegen den Erwartungen der Putschisten, die Nationale Widerstandsfront werde rasch an Bedeutung verlieren und sich auflösen, entwickelt diese nach wie vor eine beträchtliche Mobilisierungskraft. Ihre radikalsten Entwürfe gehen längst über die Positionen Zelayas hinaus und könnten den Kern einer Entwicklung bilden, die eben jene gesellschaftlichen Veränderungsprozesse einleiten, die der Staatsstreich im Keim ersticken wollte.

Anmerkungen:

[1] Die Rückkehr des Militärputsches (25.08.09)
http://womblog.de/2009/08/25/die-rckkehr-des-militrputsches

[2] USA erhöhen Druck auf Honduras (26.08.09)
http://www.dw-world.de/dw/function/0,,12356_cid_4598904,00.html

[3] Honduras: Nein zu Rückkehr Zelayas an die Macht (26.08.09)
http://www.greenpeace-magazin.de/ index.php?id=55&tx_ttnews[tt_news]=59698&tx_ttnews[backPid]=23&cHash=bec75702dc

[4] OAS-Delegation in Honduras. Amerikanische Diplomaten für Rückkehr zur Demokratie (25.08.09)
Tageszeitung Neues Deutschland

26. August 2009