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LATEINAMERIKA/2308: US-Administration läßt Zelaya im Regen stehen (SB)


Senator Jim DeMint sieht sich einig mit Clinton und Shannon


Wie Senator Jim DeMint im Kongreß triumphierend verkündete, habe die Regierung endlich ihre fehlgeleitete Politik gegenüber Honduras revidiert und werde die Wahlen am 29. November in vollem Umfang anerkennen. Außenministerin Clinton und Staatssekretär Shannon hätten ihm versichert, daß die Vereinigten Staaten dem Wahlergebnis in Honduras ihre Anerkennung nicht verweigern werden, ob Manuel Zelaya wiedereingesetzt ist oder nicht. Er werde die Administration beim Wort nehmen und sicherstellen, daß sie fortan auf der Seite des honduranischen Volks steht und sich nicht länger auf den Schandfleck Zelaya konzentriert. [1]

Der reaktionäre Republikaner aus South Carolina ist Wortführer einer Fraktion, die den Sturz Zelayas als Sieg im Kampf gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" begrüßt und sich für die Anerkennung des Regimes in Honduras einsetzt. Er war sogar mit einer Delegation gleichgesinnter Kongreßmitglieder nach Tegucigalpa gereist, um den Putschisten um Roberto Micheletti demonstrativ den Rücken zu stärken. Daß sich DeMint einig mit der Obama-Administration weiß, läßt sich auch daran ablesen, daß der Senator seinen Widerstand gegen die Ernennung Arturo Valenzuelas zum Nachfolger Thomas Shannons aufgegeben hat, der als Botschafter nach Brasilien gehen soll.

Außenamtssprecher Ian Kelly bestätigte auf einer Pressekonferenz, daß Clinton und Shannon mit DeMint gesprochen haben. Kelly unterstrich, daß Washington die Wahlen in Honduras unterstütze, wobei er die Wiedereinsetzung Zelayas mit keinem Wort erwähnte. Dieser hatte sich in einem Schreiben mit der Frage an Außenministerin Clinton gewandt, ob sich die Haltung der US-Regierung, den Staatsstreich in seinem Land zu verurteilen, geändert habe. Wie Kelly mitteilte, habe die Ministerin darauf nicht geantwortet.

Zuvor hatte bereits Shannon in seiner Eigenschaft als Staatssekretär für Lateinamerika und Vermittler des jüngsten Abkommens in Honduras unterstrichen, daß die Rückkehr Zelayas in sein Amt keine Voraussetzung für die Anerkennung der Wahlen am 29. November sei. Vielmehr habe die Unterzeichnung des Abkommens den Urnengang legitimiert. Die von beiden Konfliktparteien gebilligte Vereinbarung geht eindeutig zu Lasten Zelayas, da sie keinen Termin für dessen Wiedereinsetzung festlegt und diese von der Zustimmung des Parlaments abhängig macht. Damit wurde eine Hintertür eingebaut, die es den Putschisten nun gestattet, die parlamentarische Abstimmung auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern.

Im Abkommen von Tegucigalpa hat sich Zelaya bereiterklärt, das Volk von Honduras zur friedlichen Teilnahme an den kommenden Wahlen aufzurufen und alle Demonstrationen zu vermeiden, die sich gegen den Urnengang oder dessen Ergebnis richten, Unruhen fördern, gegen geltendes Recht verstoßen, zivilen Ungehorsam fördern oder auf andere Weise gewaltsame Konfrontationen oder Gesetzesverstöße zur Folge haben können. Mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung hat Zelaya de facto jeder Möglichkeit abgeschworen, gemeinsam mit der Bewegung des Widerstands auf die Straße zu gehen, dessen Bewegungsspielraum er damit in der aktuellen Phase der Auseinandersetzungen erheblich einschränkt und schwächt.

Schon in der Vergangenheit hatte der Präsident seine Anhänger zwar punktuell zum Protest in der Öffentlichkeit aufgerufen, sie alles in allem aber eher zurückgehalten und auf ziviles Verhalten verpflichtet. Nun benutzt die Gegenseite seinen Einfluß, um die Bewegung gegen den Staatsstreich bis zu den Wahlen und darüber hinaus zu binden und zu neutralisieren. Man hat Zelaya für dieses weitreichende Zugeständnis die Karotte der Rückkehr ins Amt vor die Nase gehalten, worauf man sie ihm nun nach geleisteter Unterschrift wieder entzieht.

Das Parlament kommt nicht zusammen, sondern wird von einem Ausschuß vertreten, der beschlossen hat, die Plenarsitzung erst dann abzuhalten, wenn der Oberste Gerichtshof die rechtlichen Grundlagen geprüft und grünes Licht gegeben hat. Der Oberste Gerichtshof hat unterdessen mitgeteilt, bei ihm sei noch kein diesbezügliches Ersuchen eingegangen. So spielt man einander in aller Ruhe die Bälle zu und verzögert die Rückkehr Zelayas, was sich durchaus mit den Buchstaben des Abkommens zur Deckung bringen läßt. In wachsender Verzweiflung beruft sich der gestürzte Präsident auf den Geist der Vereinbarung, während man ihn achselzuckend mit dem Kleingedruckten konfrontiert. So wurde zwar die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung beschlossen, nicht jedoch festgelegt, wer diese führen soll. Das hat kurzerhand Micheletti übernommen, dem Zelaya die Zusammenarbeit verweigert, solange er nicht wiedereingesetzt ist.

Die folgenschwerste Vorleistung hatte Zelaya bereits mit seiner Zustimmung zum Abkommen von San José erbracht, das vom Präsidenten Costa Ricas, Oscar Arias, ausgehandelt worden war. Darin verzichtete er auf eine Volksabstimmung über die Einsetzung einer verfassunggebenden Versammlung und damit eine der zentralen Forderungen der Bewegung gegen den Putsch. Die nun von Thomas Shannon vermittelte Vereinbarung beruht zwar auf dem Entwurf von Arias, doch taucht darin der Passus nicht mehr auf, daß Präsident José Manuel Zelaya Rosales umgehend in sein Amt zurückkehren und dieses bis zu seinem regulären Ende am 27. Januar 2010 einnehmen müsse. Auf diese Weise wurde die wichtigste Forderung, nämlich die sofortige Wiedereinsetzung ausgehebelt.

Bei den Novemberwahlen unter der Regie des Putschregimes handelt es sich folglich um eine Farce, deren Wirksamkeit wesentlich von der Haltung der Honduraner wie auch des Auslands abhängt. Man könne unter diesen Bedingungen nicht an Wahlen teilnehmen, ohne die Putschisten zu legitimieren, begründete der unabhängige Präsidentschaftskandidat Carlos H. Reyes die Rücknahme seiner Bewerbung. Er hatte bereits zuvor mit einem Wahlboykott gedroht, dann aber zunächst die Verhandlungen zwischen den Vertretern des Regimes und der Delegation Zelayas abgewartet. [2]

Nach honduranischem Recht ist eine dreimonatige Frist für den Wahlkampf vorgeschrieben, die nun natürlich nicht eingehalten werden kann. Freie und faire Wahlen würden außerdem voraussetzen, daß Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit sofort und uneingeschränkt wiederhergestellt werden und die Repression seitens der Sicherheitskräfte unterbleibt. Auch dies ist keinesfalls gewährleistet. Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die Organisation Amerikanischer Staaten wollen keine Beobachter zu den Wahlen schicken, denen sie die Legitimität absprechen. Hinzu kommen logistische Probleme, kurzfristig kompetente Delegationen zusammenzustellen. Die EU hat die erforderliche Vorbereitungszeit mit sechs Wochen angegeben und diese Option bereits gestrichen. Hingegen versucht die OAS, in aller Eile ein Team von Beobachtern zusammenzubekommen. [3]

Von entscheidender Bedeutung bleibt, ob das Regime in Honduras und die US-Administration in Washington bei ihrem Versuch, den bevorstehenden Urnengang für legitim zu erklären, isoliert werden. Thomas Shannon hatte im Zuge seiner Vermittlung die Legitimität der Wahlen wie auch den künftigen Zugang zu Hilfsgeldern der internationalen Finanzadministration wahlweise als Zuckerbrot oder Peitsche eingesetzt, um die beiderseitige Zustimmung herbeizuführen. Wie er in diesem Zusammenhang als Schlachtplan angedeutet hatte, werde eine Übereinkunft im nationalen Dialog Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft Raum verschaffen, Honduras bei der Durchführung der Wahl zu unterstützen, diese zu beobachten und damit zu einem Friedensprozeß beizutragen, aus dem eine weithin anerkannte Führung hervorgeht. Dies sei entscheidend bei der Reintegration des Landes in die interamerikanische Gemeinschaft und zwar nicht nur die OAS, sondern auch die Entwicklungsbank wie auch zur Unterstützung internationaler Institutionen des Finanzwesens führen.

Die US-Führung und die Machthaber in Tegucigalpa wollen mit der Wahl eines neuen Präsidenten den Schlußstrich unter das leidige Intermezzo Zelaya ziehen und die von ihm angestoßene Reformbewegung austrocknen - so haben es die Putschisten von Anfang an geplant, und darauf arbeitet auch die Regierung in Washington hin. Von einem Kurswechsel oder Rückzieher der Obama-Administration zu sprechen, hieße deren anfängliche Lippenbekenntnisse gegen den Staatsstreich und zugunsten Zelayas für bare Münze nehmen, obgleich die nachfolgenden Taten andere Motive erkennen ließen. Auch in Washington will man Zelaya loswerden, wofür man die Putschisten an der langen Leine hielt und nie durch wirksame Sanktionen zur Räson brachte.

Mit seiner Bereitschaft zu immer neuen Kompromissen in den wichtigsten Streitpunkten hat der gestürzte Präsident Zelaya sein politisches Schicksal wie auch die Entwicklung des Landes in die Hände der Regierung in Washington gelegt, die davon nach ihrem eigenen Gutdünken Gebrauch macht. In dieser Wendung zeichnet sich dasselbe Muster wie bei allen anderen Konflikten ab, in denen Obama eine neue Herangehensweise versprach, um die alte Strategie desto reibungsärmer durchtragen zu können. Wer seinen Worten vertraut hat, sieht sich nicht nur desillusioniert und enttäuscht, sondern geradezu geleimt und in die Falle gelockt. Diese bittere Erfahrung muß derzeit Manuel Zelaya machen, den die Amerikaner nach allen Regeln der Kunst ausgebootet haben, ohne sich dabei mit einer Intervention klassischen Stils die Finger schmutzig zu machen.

Anmerkungen:

[1] Honduras: Republicans praise Obama for "reversing" policy (09.11.09)
World Socialist Web Site

[2] Honduras: Links-Kandidat tritt nicht zur Wahl an (10.11.09)
junge Welt

[3] The Reinstatement of Zelaya. The Little Coup That Couldn't (03.11.09)
Counterpunch

10. November 2009