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LATEINAMERIKA/2315: Wahl in Honduras scheidet Freund von Feind (SB)


Brasilien und Argentinien dagegen - katholische Kirche dafür


Die breite Front der Regierungen und überstaatlichen Organisationen, die den Putsch in Honduras verurteilt und die Rückkehr Manuel Zelayas ins Präsidentenamt verlangt haben, schlüsselt sich in Fraktionen auf, die in sehr unterschiedlichem Maße bereit sind, ihrer Forderung durch geeignete Maßnahmen Nachdruck zu verleihen. Tatsächlich reicht das Spektrum von Verbündeten des entmachteten honduranischen Staatschefs wie insbesondere den Mitgliedern der Staatengemeinschaft ALBA über Nationen Lateinamerikas, die das Gespenst des Staatsstreichs gegen demokratisch gewählte politische Führer und Gremien aus dieser Weltregion verbannen wollen, bis hin zu Ländern, deren Regierungen den Kurs Zelayas mit Argwohn, wenn nicht gar offener Ablehnung verfolgt haben, jedoch rechtsstaatliche Standards anmahnen. Das extremste Beispiel der Dissonanz von offizieller Haltung und konkreter Handlungsweise liefert einmal mehr die US-Administration, die sich aus taktischen Gründen der überwältigenden Mehrheit anschloß, ohne deren Zielsetzung zu teilen. Für Washington geht es in erster Linie darum, Zelaya loszuwerden, ohne den Schulterschluß mit den Putschisten allzu offensichtlich werden zu lassen.

Prüfstein der Positionierung sind nun die Präsidentschaftswahlen am 29. November, mit denen die Gegner Zelayas dessen Wirken durch die Kür eines Nachfolgers beenden wollen. Wer den Putsch ablehnt, kann diesen Urnengang unmöglich anerkennen, da die wichtigste Forderung in Gestalt der Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten nicht erfüllt worden ist. Argentinien und Brasilien haben Stellung bezogen und mitgeteilt, sie wollten das Ergebnis der Präsidentenwahl in Honduras nicht anerkennen, sollte Putschistenführer Roberto Micheletti bei der Abstimmung noch im Amt sein.

Wie die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und ihr brasilianischer Amtskollege Luiz Inácio Lula da Silva nach einem Treffen in Brasilia in ihrer gemeinsamen Erklärung mitteilten, sei die Wiedereinsetzung des gestürzten Staatschefs Manuel Zelaya "für die Wiederherstellung der verfassungsgemäßen Ordnung, den Rechtsstaat und das demokratische Leben unverzichtbar". Sollten die Wahlen unter der Führung Michelettis stattfinden, würden die beiden Länder das Ergebnis nicht anerkennen. Diese Erklärung erfolgte in Reaktion auf die offizielle Bekanntgabe des honduranischen Parlaments, man werde erst Anfang Dezember und damit nach den Präsidentschaftswahlen zusammenkommen, um über die Wiedereinsetzung Zelayas zu entscheiden.

Kein Problem mit der Präsidentenwahl ohne vorherige Wiedereinsetzung Zelayas hat die US-Regierung. Das Ergebnis der Abstimmung werde je nach den Umständen anerkannt, versuchte der Sprecher des Außenministeriums vergeblich, die Doppelzüngigkeit der Obama-Administration zu kaschieren. Präsident Zelaya hatte zuvor kritisiert, die USA hätten ihre Haltung geändert und akzeptierten inzwischen stillschweigend den Staatsstreich vom 28. Juni, bei dem er für abgesetzt erklärt und Roberto Micheletti an seine Stelle gesetzt wurde. Dieser Vorwurf ist zu nachsichtig formuliert:

Erstens muß man davon ausgehen, daß die US-amerikanischen Militärs und Geheimdienste schon aufgrund ihrer engen Zusammenarbeit mit den entsprechenden honduranischen Dienststellen Kenntnis von dem geplanten Staatsstreich hatten und möglicherweise grünes Licht gaben oder sogar die Blaupause dafür geliefert haben. Zweitens hat die Obama-Regierung trotz ihrer formalen Verurteilung des Umsturzes ausgesprochen zögernd und zurückhaltend reagiert, als die Frage möglicher Sanktionen auf der Tagesordnung stand. Beispielsweise lehnte sie es wochenlang ab, überhaupt von einem Putsch zu sprechen, da diese Klassifizierung automatisch mit dem Einfrieren sämtlicher Hilfszahlungen an das Land verbunden gewesen wäre. Während andere Länder sofort ihre Botschafter aus Tegucigalpa abberiefen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Sanktionen anmahnten oder verhängten, fielen die Strafmaßnahmen von US-amerikanischer Seite ausgesprochen milde aus - eben weil die Regierung in Washington aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit der honduranischen Führung und Gesellschaft von den USA über die denkbar wirksamsten Druckmittel verfügt.

Das alles läßt unter dem Strich nur die Schlußfolgerung zu, daß die US-Regierung die Entmachtung Zelayas durchaus billigte und wünschte, was sie zwar nicht offen aussprach, aber den Putschisten durch ihre Handlungsweise signalisierte und vermutlich auch auf anderen Kanälen dezidierter vermittelte. So läßt sich das nicht selten aberwitzig anmutende Gebaren des Regimes in Tegucigalpa am ehesten rational erklären, das sich keineswegs in seinen verbohrten Trotz gegen alle Welt verrannte, sondern einem ausgeklügelten Plan folgte, der auf dem klammheimlichen Rückhalt der Hegemonialmacht fußte.

Unterdessen protestierten in der Hauptstadt Tegucigalpa empörte Anhänger des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya gegen den für 29. November angesetzten Urnengang. Die Wahl eines neuen Staatsoberhaupts entbehrt ihrer Ansicht nach jeder Legitimität, solange die Putschregierung an der Macht ist, die Zelaya Ende Juni gestürzt hat. [2] Viel hängt davon ab, in welchem Maße es der Bewegung des Widerstands gegen das Regime gelingt, den Boykott der Wahl auf breite Füße zu stellen und eine geringe Beteiligung der Bevölkerung am Urnengang als weiteres Signal zu setzen, wie schlecht es um die Befürwortung des Staatsstreichs tatsächlich bestellt ist. Die Putschisten hatten dank ihrer weitgehenden Kontrolle der Medien stets den irrigen Eindruck zu erwecken versucht, die breite Mehrheit der Honduraner stehe hinter ihnen.

Wes Geistes Kind sie ist, stellte einmal mehr die Führung der katholischen Kirche in Honduras unter Beweis, die zur Teilnahme am Urnengang aufrief. Der Erzbischof von Tegucigalpa, Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, übte in einem Interview mit dem "Wall Street Journal" scharfe Kritik am Verhalten des entmachteten Präsidenten Manuel Zelaya. Verhalte sich eine Person so, wie Zelaya es getan hat, dann könne sie nicht länger die moralische Autorität und somit Präsident des Landes sein, verkündete der Kirchenfürst zweifellos in der Absicht, die Herde der Gläubigen auf den von ihm gewünschten Kurs zu treiben.

Der Kardinal unterstrich noch einmal den Standpunkt der katholischen Kirche: "Was wir getan haben ist, zu sagen, daß es sich um eine verfassungskonforme Ablösung des Präsidenten handelte, daß wir aus den Fehlern lernen müssen und daß wir zur Versöhnung aufrufen." Nach dieser Stellungnahme seien die Kirchenvertreter als Putschisten beleidigt worden, beklagte sich der Erzbischof. Dies sei die schmerzhafteste Erfahrung während der Krise gewesen. Nach so vielen Jahren der Militärdiktatur gebe es wohl kaum eine schlimmere Beleidigung, erklärte Rodriguez Maradiaga unter Krokodilstränen. Zelaya habe viele Anhänger, weil er den Armen viele Versprechungen gemacht habe. Die Aufgabe der Kirche sei es nun, eine Brücke zu bauen und für die Einheit des Landes da zu sein, wozu die Wahlen am 29. November dienen könnten. [3] Daß es die Aufgabe der katholischen Kirche sei, sich um die Armen zu kümmern, wenn es der Präsident wie behauptet lediglich versprochen habe, erwähnte der Kardinal nicht.

Anmerkungen:

[1] Brasilien und Argentinien ermahnen Honduras. Präsident Roberto Micheletti soll noch vor der Neuwahl zurücktreten (19.11.09)
NZZ Online

[2] Proteste der Zelaya-Anhänger in Honduras (19.11.09)
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabId=3856&alias=wzo&cob=451714

[3] Honduras: Kardinal übt scharfe Kritik an Zelaya (19.11.09)
http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=335619

19. November 2009