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LATEINAMERIKA/2316: Venezuela bricht zwei Brücken zu Kolumbien ab (SB)


Bellizistische Kumpanei der Regierungen in Washington und Bogotá


Die bellizistische Kumpanei der Regierungen in Washington und Bogotá, die Kolumbien zu einem hochgerüsteten Flugzeugträger unter dem Befehl des Pentagon funktionalisiert und als souveränen Staat demontiert, stellt die denkbar größte Bedrohung Südamerikas dar. Die Vereinigten Staaten haben ihre nationale Sicherheit explizit mit ihrer Suprematie im Gefüge des Raubes gleichgesetzt und verfügen über die weitaus stärksten militärischen Machtmittel, diesen Anspruch, das eigene Überleben ohne Abstriche zu Lasten einer beliebig weitgefaßten Peripherie zu sichern, gewaltsam durchzusetzen. Weit über eine Signalwirkung oder Drohgebärde hinaus schafft die vereinbarte Nutzung der kolumbianischen Stützpunkte die Voraussetzung für eine strategisch konzipierte Kriegführung um die Ressourcen des Kontinents, die zu den reichhaltigsten und begehrtesten des Planeten zählen.

Die Administration in Washington macht keinen Hehl aus ihren Absichten, wenngleich sie in gewohnter Manier die eigene Zugriffssicherung in einen Verteidigungsfall umdichtet und jeglichen Widerstand gegen die von ihr postulierten Verfügungsrechte zu einem feindseligen Akt erklärt, der ihre Intervention rechtfertigt. Sind so die Verhältnisse auf den Kopf gestellt, prügelt man munter auf alle Kritiker ein, welche die Kriegsgefahr anprangern und Gegenmaßnahmen anmahnen.

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez wirft den Regierungen der USA und Kolumbiens vor, sie hätten einen Pakt geschlossen, um einen Krieg gegen Venezuela vorzubereiten. "Wir sind verpflichtet, das Vaterland von Simón Bolivar zu verteidigen", stellte er die Sicherheit seines Landes in den Kontext der Unabhängigkeit des gesamten Kontinents von imperialistischen Ausbeutungs- und Verfügungsinteressen. Wie er betonte, werde Venezuela niemanden angreifen: "Aber wir sind darauf vorbereitet, uns zu verteidigen, und es wird teuer zu stehen kommen, sich mit uns anzulegen", unterstrich er seine Entschlossenheit, der Fügsamkeit und Unterwerfung keinen Zuschlag zu geben. [1]

Während andere noch immer große Stücke auf US-Präsident Barack Obama halten, geht Chávez inzwischen hart mit dem Nachfolger seines vormaligen Intimfeinds ins Gericht: Zwar sitze George W. Bush nicht mehr im Weißen Haus, doch verfolge Obama denselben Kurs, warnte er. Seinen kolumbianischen Amtskollegen bezeichnete Chávez als Verräter, der die Souveränität seines Landes der imperialen Macht geopfert habe.

Nun hat die venezolanische Regierung zwei Fußgängerbrücken ins benachbarte Kolumbien sprengen lassen. Vizepräsident Ramón Carrizález begründete diese Maßnahme damit, daß diese Übergänge von kolumbianischen Paramilitärs sowie für den Schmuggel von Drogen, Benzin und Lebensmitteln mißbraucht worden seien. Der britische "Guardian" zitiert den venezolanischen Armeeoffizier Eusebio Aguera mit einer inhaltlich gleichlautenden Erklärung. [2]

Der kolumbianische Verteidigungsminister Gabriel Silva gab dazu bekannt, daß uniformierte Männer, offensichtlich Angehörige der venezolanischen Armee, in Lastwagen vor die beiden Fußgängerbrücken vorgefahren seien und sie in die Luft gesprengt hätten. Die Regierung in Bogotá bezeichnete die Zerstörung als "schwerwiegend" und kündigte an, sie werde den UNO-Sicherheitsrat und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) darüber informieren.

In einer Pseudoanalyse der von den USA und ihren kolumbianischen Verbündeten erhöhten Gefahrenlage betätigt sich "Der Spiegel" in seiner elektronischen Ausgabe einmal mehr als Markt- und Wortführer einer Bezichtigung, die Chávez als Hazardeur und Großsprecher verunglimpft, dessen Feindseligkeiten vor allem einem Zweck, nämlich der Ablenkung von seinen innenpolitischen Problemen, dienten: [3]

"In seiner wöchentlich ausgestrahlten Sendung 'Aló Presidente' drohte Chávez Kolumbien mehrmals mit bewaffnetem Kampf. Zwischen Küsschen für Kinder und einem Spaziergang durch Wohngebiete schimpfte er, Kolumbiens Präsident sei 'ein Verräter', ein 'Lakai'. Wie es weiter heißt, habe Chávez "trotzig" auf das umstrittene Militärabkommen zwischen Kolumbien und den USA reagiert und seinen Ton verschärft. Doch Venezuelas Präsident sei gut gerüstet, da er seit Jahren Waffen in Moskau kauft. Allerdings habe auch Kolumbien sein Militär ausgebaut und verfüge über 254.000 Soldaten. "Es besteht die Gefahr, daß populistische Politiker zu Gefangenen ihrer eigenen Rhetorik werden und der Verlockung nicht widerstehen, neu erworbene Waffensysteme auch einzusetzen", zitiert das Medium einen Experten.

Dann wird unter Aufzählung diverser Zwischenfälle im Grenzgebiet zwischen Venezuela und Kolumbien sowie einer dürftigen Skizze der Konflikte eine Gefahrenlage konstatiert, deren Brisanz eine weitere Eskalation nicht ausschließe. Krieg sei möglich, aber wenig wahrscheinlich, zumal ihn Chávez zwar im Mund führe, aber nicht brauchen könne. Abschließend reißt man genüßlich die wirtschaftlichen Probleme Venezuelas und die angeblich rapide sinkende Popularität des Präsidenten an, worauf sich der Kreis dessen schließt, was hiesige Mainstreammedien offenbar für eine tiefschürfende Analyse halten.

Man geriert sich erhaben über anrüchige südamerikanische "Populisten", die wie spielende Kinder von ihren neuen Waffen verlockt würden, aber im Grunde nur den Mund vollnähmen, um ihr eigenes Volk zu täuschen - womit sie den "Spiegel"-Leser natürlich nie und nimmer hinters Licht führen können!

Anmerkungen:

[1] Venezuela sprengt Brücken nach Kolumbien (20.11.09)
http://bazonline.ch/ausland/amerika/Venezuela-sprengt-Bruecken-nach- Kolumbien/story/30370070

[2) Venezuela sprengt Grenzbrücken zu Kolumbien (20.11.09)
http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/523028/index.do?_vl_backlink=/home/index.do

[3] Venezuela und Kolumbien. Kalter Krieg im Regenwald (20.11.09)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,661484,00.html

20. November 2009