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LATEINAMERIKA/2323: Evo Morales kann mit seiner Wiederwahl rechnen (SB)


Glaubwürdigkeit und Erfolge stärken seine Position


Am Sonntag wird Evo Morales als Präsident Boliviens wiedergewählt. Daß man mit dieser Prognose kaum fehlgehen kann, liegt an den Eigenschaften und Erfolgen dieses Staatschefs, die für einen Politiker seines Ranges äußerst ungewöhnlich sind. Er gehört dem Volk der Aymara an und ist als erstes indígenes Staatsoberhaupt des Landes seiner Herkunft und seinen Prinzipien treu geblieben. Auch er mache hin und wieder Fehler, "aber ich werde euch nie betrügen", versprach der frühere Lamahirte und Kokabauer seinen Anhängern. Niemand kann dem 50jährigen vorwerfen, Zusagen nicht eingehalten zu haben, und selbst Expräsident Carlos Mesa hat über ihn gesagt, er sei "feuerfest".

Rund 5,1 Millionen Wahlberechtigte sind zur Stimmabgabe aufgerufen, wobei seinen sieben Herausforderern beim Urnengang kaum Chancen eingeräumt werden. Laut jüngsten Umfragen kommt unter den rechtskonservativen Gegenkandidaten der Militär und frühere Gouverneur der Provinz Cochabamba, Manfred Reyes Villa Bacigalupi, auf rund 20 Prozent, während der Multimillionär und Zementfabrikant Samuel Doria Medina mit zehn Prozent an dritter Stelle liegt. Sollte Morales wider Erwarten keine absolute Mehrheit erreichen, fällt die Entscheidung in einer Stichwahl binnen zwei Monaten.

Bei der Wahl im Dezember 2005 hatte Morales 53,7 Prozent der Stimmen erhalten. Früher waren maximal zwei Amtszeiten möglich, die aber nicht direkt aufeinanderfolgen durften. Die neue Verfassung, die im Januar mit einem Referendum durchgesetzt worden war, stärkt die Rechte der indígenen Bevölkerungsmehrheit und ermöglicht dem Präsidenten eine unmittelbar anschließende Kandidatur für eine weitere fünfjährige Amtszeit. Morales strebte ursprünglich insgesamt drei Amtszeiten an, doch mußte er im Oktober 2008 darauf verzichten, da das Parlament andernfalls keine Volksabstimmung über die Verfassungsreform angesetzt hätte. [1]

Neben dem Präsidenten wird am Sonntag auch das Parlament neu gewählt. Während in der Abgeordnetenkammer eine Zweidrittelmehrheit der regierenden Bewegung zum Sozialismus (MAS) als sicher gilt, dürfte es im Senat knapp werden, wo die Opposition bislang dank ihrer Mehrheit der Regierung Steine in den Weg legen konnte. [2]

Wie Evo Morales zuletzt noch einmal hervorgehoben hat, beweise die chaotische Situation der Weltwirtschaft, die durch die Konzentration der Reichtümer in wenigen Händen verursacht worden sei, daß der Kapitalismus nicht die Lösung für die Völker der Welt sein könne. Die Antwort auf die Forderungen der Menschen und zur Bewältigung der globalen Krise der Finanzen, der Wirtschaft, der Umwelt und des Klimawandels sei der Sozialismus. Die Regierungspartei unterstrich zugleich, daß sie das Privateigentum respektiert, was sie bei der Nationalisierung der Bodenschätze unter Beweis gestellt hat, die keine Enteignung, sondern eine verstärkte staatliche Kontrolle und wesentlich günstigere Beteiligung Boliviens an den Erlösen mit sich brachte. Morales hat seit seinem Amtsantritt im Januar 2006 die Schlüsselressorts der Wirtschaft verstaatlicht. Eine Begrenzung des Grundbesitzes von Einzelpersonen wurde vom Parlament gebilligt.

Die Glaubwürdigkeit der MAS wurde untermauert, weil die von ihr propagierte "Politik des Wandels" kein leeres Versprechen blieb. Sozialprogramme wie kostenlose medizinische Versorgung, Alphabetisierung, höhere Renten, Muttergeld und Schulbonus kamen großen Teilen der mittellosen Bevölkerung zugute. Die industrielle Erschließung der weltweit größten Lithiumvorkommen, der Bau eines Schnellzugs über die Andenhochebene und der erste bolivianische Satellit unterstrichen die Ambitionen der Regierung, die Entwicklung des Landes zu befördern.

Wenngleich Bolivien weiterhin der ärmste Staat Südamerikas ist, in dem mehr als 60 Prozent der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze leben, kann Evo Morales darauf verweisen, daß sein Land von der weltweiten Wirtschaftskrise weitgehend verschont blieb und in diesem Jahr mit 3,2 Prozent das höchste Wirtschaftswachstum in Lateinamerika aufweisen wird. Dies brachte ihm sogar ein Lob des Internationalen Währungsfonds (IWF) ein. Der Andenstaat ist jedoch auf Hilfe aus dem Ausland dringend angewiesen, die ihm in erster Linie aus dem befreundeten Venezuela gewährt wird, dessen Präsident Hugo Chávez ein enger Verbündeter ist. [3]

Vor einem Jahr drohten die separatistischen und regierungsfeindlichen Bestrebungen der reichen Tieflandprovinzen Bolivien in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Bei oftmals gewalttätigen Aktionen rechtsgerichteter Sezessionisten wurden mindestens 20 indígene Anhänger von Morales getötet und viele weitere schwer drangsaliert. Mit einer zutiefst rassistischen Hetzkampagne rief die hellhäutige Oberschicht im Osten dazu auf, die als Untermenschen oder Tiere geschmähte indígene Bevölkerungsmehrheit und deren Präsidenten nicht zum Zuge kommen zu lassen. [4]

Dank einer umsichtigen Vorgehensweise, seines enormen Rückhalts in der armen Bevölkerung und nicht zuletzt entschlossener Unterstützung der Union Südamerikanischer Nationen gelang es Evo Morales, die wohlhabenden Regionen mit Zugeständnissen bei der Verfassungsreform derart den Wind aus den Segeln zu nehmen, daß ihr aufrührerischer Schwung verebbt ist und die Unterstützung der Wirtschaftseliten durch ausländische Kräfte eingedämmt wurde.

Als weitere bedeutende Leistung der bolivianischen Regierung ist eine entschiedene Zurückweisung hegemonialer Einflußnahme der Vereinigten Staaten zu nennen. Spektakulärste Maßnahme war in diesem Zusammenhang die Ausweisung des US-Botschafters Philip S. Goldberg im September 2008, der auf dem Höhepunkt des Konflikts immer wieder mit führenden Regierungsgegnern in Santa Cruz zusammengetroffen war und mutmaßlich Umsturzpläne mit ihnen gewälzt hatte. Des Landes verwiesen wurde auch die US-Drogenbehörde (DEA), die gegen die regulierte Legalisierung von Teilen des Kokaanbaus intrigierte und offenbar auch als Zuträger für die US-Geheimdienste tätig war. Zudem wies die Regierung das Engagement von USAID wegen Unterstützung des Aufruhrs in den oppositionellen Ostprovinzen Beni, Pando, Santa Cruz und Tarija zurück. Seit ihrer Gründung im Jahr 1961 hat diese Organisation unter dem Deckmantel, wirtschaftliche und humanitäre Hilfe in aller Welt zu leisten, immer wieder als Instrument zu Schwächung und Sturz unerwünschter Regierungen fungiert. Wenngleich Washington natürlich sämtliche Vorwürfe bestritt, ist es doch seit Jahrzehnten ein offenes Geheimnis, daß US-amerikanische Dienste oder Stiftungen, die anderen Ländern Demokratie, Entwicklungshilfe oder Mithilfe bei der Bekämpfung von Insurgenz und Verbrechen in Aussicht stellen, zugleich Träger der politischen Einflußnahme und Spionagetätigkeit sind.

Diese Schritte der bolivianischen Regierung waren mit beträchtlichen finanziellen Einbußen verbunden, da Washington als Strafmaßnahme Hilfsgelder strich. Die Propagandakampagne der US-Administration und die Medienschelte der bürgerlichen Presse konnten Evo Morales jedoch weder entscheidend schwächen noch diskreditieren, so daß seinen Gegnern im In- und Ausland vorerst die Haßreden, Verleumdungen und Bezichtigungen im Halse steckengeblieben sind.

Anmerkungen:

[1] Kurz vor Präsidentschaftswahl in Bolivien: Morales geht fest von seiner Wiederwahl aus (04.12.09)
http://www.netzeitung.de/politik/ausland/1527820.html

[2] Sozialist vor Wiederwahl (04.12.09)

junge Welt

[3] Präsidentschaftswahl in Bolivien. Morales könnte siegen (04.12.09)
http://www.n-tv.de/politik/dossier/Morales-koennte-siegen- article625343.html

[4] Bolivien vor der Wahl. Evo Morales verfügt über beste Prognosen. Biometrische Wahltechnik umstritten (04.12.09)
http://www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2009/dez/elecciones_293847_bolivia/

4. Dezember 2009