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MEDIEN/453: Guardian nimmt NATOs syrische Marionetten in Schutz (SB)


Guardian nimmt NATOs syrische Marionetten in Schutz

Syrische Umstürzler laut Großbritanniens Liberalblatt keine Quislinge



Unaufhaltsam und unerbittlich läuft in Sachen Syrien-Krise die Propagandamaschinerie der NATO, die unverhohlen zum "Regimewechsel" in Damaskus bläst. Der westlichen Öffentlichkeit werden am laufenden Band Geschichten über irgendwelche Grausamkeiten präsentiert, welche die syrischen Streitkräfte und das "Regime" Bashar Al Assads in Mißkredit bringen sollen - und es auch erfolgreich tun. Wen interessiert es, daß die Frankfurter Allgemeine Zeitung den blutigen Überfall auf das Dorf Hula am 26. Mai als Werk der Aufständischen entlarvte, oder daß sich der vermeintliche "Abschuß" des türkischen F4-Kampfjets am 22. Juni über dem Mittelmeer durch Syriens Luftabwehr immer mehr als tragischer Flugzeugabsturz infolge eines technischen Defekts entpuppt, oder die allermeisten Opfer des jüngsten "Massakers" am 12. Juli in Tremseh keine Zivilisten, sondern bewaffnete Rebellen waren? Im Informationskrieg setzen sich diejenigen durch, die als erste ihre Version der Ereignisse - wie einseitig oder realitätsfern auch immer - medial durchsetzen. In Sachen Syrien geht derzeit die Propagandaschlacht eindeutig zugunsten der Gegner Assads, angeführt von US-Außenministerin Hillary Clinton, aus.

Im Grunde gelingt es Clinton und Konsorten nur deshalb den Westen als selbstlosen Verfechter universeller Menschenrechte und seine Widersacher als skrupellose Anhänger überkommener Wertvorstellungen wie staatlicher Souveränität oder ethnischer bzw. religiöser Zugehörigkeit darzustellen, weil die meisten Medienvertreter in Europa und Nordamerika ohnehin von der Überlegenheit der abendländischen Kultur überzeugt sind. Sie halten den westlichen Zivilisationsauftrag für genauso selbstverständlich, wie die Conquistadores, die meinten, mit Schwert und Scheiterhaufen Azteken, Mayas, Inkas und anderen das Christentum aufzwingen zu müssen. Derselbe Ungeist, der Großbritanniens glorreiches Empire auf den Gebeinen zahlreicher Stammesvölker errichten ließ und den Westwärtsdrang der Amerikaner antrieb, beherrscht heute noch die geopolitische Bühne, sie trägt nur einen anderen Namen. Anstelle der "Bürde des Weißen Mannes" spricht man im 21. Jahrhundert von "Responsibility to Protect", für das digitale Zeitalter als R2P verpackt.

Wer die diesem Märchen für Erwachsene innewohnenden Axiome öffentlich in Frage stellt, wird von den Medienapparatschiks zum geistig minderbemittelten "Verschwörungstheoretiker" abgestempelt, der sich angeblich selbst außerhalb des rationalen Diskurses manövriert habe. So mußte es der Komiker Charlie Skelton am eigenen Leib erleben, nachdem er unter der Überschrift "The Syrian opposition: who's doing the talking?" am 12. Juli auf der Seite für Gastkommentare - "Comment is free" - auf der Website der renommierten liberalen britischen Tageszeitung Guardian in einem detaillierten, empfehlenswerten Beitrag die zahlreichen finanziellen und organisationellen Verbindungen der führenden Exiloppositionellen wie Najib Ghadbian, Bassma Kodmani, Ausama Monajed und Radwan Ziadeh vom Syrischen Nationalrat zu den Außenministerien in London und Washington sowie zu den wichtigsten Denkfabriken Großbritanniens und der USA wie dem Council on Foreign Relations (CFR), dem Brookings Institute, dem U. S. Institute of Peace, dem Centre for European Reform (CER), Chatham House, dem European Council on Foreign Relations (ECFR) und der Henry Jackson Society aufzeigte.

Der Beitrag von Skelton stieß bei der kritischen Guardian-Leserschaft auf große Resonanz. Das kann man anhand der zahlreichen - am 16. Juli waren es 385 - überwiegend positiven Kurzkommentare erkennen, die Leute dem Artikel anhängten. In der Redaktion der angesehensten britischen Zeitung sind Skeltons Aufklärungsbemühungen dagegen auf weniger Gegenliebe gestoßen. Gleich am nächsten Tag veröffentlichte Julian Borger, diplomatic editor des Guardian, bei "Comment is free" eine Replik, deren Überschrift "US manipulation of news from Syria is a red herring - The big picture is clear: A slaughter is under way in Syria, largely carried out by government forces and militias" ("US-Manipulation der Nachrichten über Syrien eine falsche Spur - Das große Bild ist eindeutig: Es findet in Syrien ein großes Abschlachten, von Regierungstruppen und -milizen durchgeführt, statt") an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Die Argumente, die Borger gegen Skelton anführte - zum Beispiel, daß die NATO 1999 auch mit den "Autodieben" von der UCK habe zusammenarbeiten müssen, um das Kosovo zu befreien und die Schreckensherrschaft Slobodan Milosevics in Jugoslawien zu beenden -, ließen an Überzeugungskraft und Stichhaltigkeit, jedoch nichts an der typischen moralischen Verblendung der angloamerikanischen Politelite missen.

Noch mehr Guardian-Leser als bei Skeltons Kommentar fühlten sich aufgerufen, unter Borgers Replik einen eigenen Kommentar zu hinterlassen. Am 16. Juli waren es bereits 479 Personen, welche diese Möglichkeit in Anspruch genommen hatten. Die meisten von ihnen zeigten sich enttäuscht, aber nicht sonderlich überrascht von der Borgerschen Bannbulle. Das muß man der Guardian-Leserschaft anrechnen. Wie man es anhand der Leserbriefseite der Zeitung immer wieder erlebt, sind die regelmäßigen Konsumenten des britischen Vorzeigeblatts meistens aufgeklärter als die Zeitungsmacher selbst. Bis heute stehen sie der Unterwerfung des Guardians unter dem Kriegskurs der US-Neokonservativen, die während der Ära Bill Clintons und Tony Blairs einsetzte, skeptisch bis ablehnend gegenüber.

16. Juli 2012