Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

MILITÄR/783: Selbstmordrate bei US-Soldaten auf Rekordhöhe (SB)


Selbstmordrate bei US-Soldaten auf Rekordhöhe

Wirtschaftskrise dürfte alle Rekrutierungsprobleme des Pentagons lösen


Die Kosten der seit mehr als acht Jahren respektive fast sechs Jahren andauernden Kriegen in Afghanistan und im Irak steigen für die USA unaufhörlich und das nicht nur, was die enorme finanzielle Belastung des Staatshaushalts betrifft. Gerade veröffentlichten Zahlen des US-Verteidigungsministeriums zufolge hat die Selbstmordrate bei Amerikas Soldaten 2008 den höchsten Stand seit drei Jahrzehnten erreicht. Als Hauptursache gelten die langen Einsätze im Zweistromland und am Hindukusch. Leider ist mit einem raschen Rückgang der Selbstmordrate nicht zu rechnen, denn neue US-Präsident Barack Obama will die Kampftruppen, die wegen der ruhiger gewordenen Lage im Irak dort entbehrlich sind, nach Afghanistan verlegen, um den Kampf gegen die wiedererstarkten Taliban zu forcieren. Von einer Verdopplung der rund 30.000 im Afghanistan stationierten US-Soldaten ist die Rede.

Über den Anstieg der Selbstmordrate bei Amerikas Militärangehörigen berichtete am 30. Januar die New York Times unter Verweis auf Zahlen, welche die zuständigen Stellen im Pentagon am Tag davor veröffentlicht hatten. Zu den wichtigsten Statistiken gehörten folgende: 2008 ist die Selbstmordrate beim US-Militär zum vierten Jahr hintereinander gestiegen und hat die höchsten Rate seit drei Jahrzehnten erreicht; letztes Jahr brachten sich mindestens 128 Soldaten um, wobei mit einem weiteren Anstieg dieser Zahl gerechnet wird, da die Armee noch 15 Todesfälle untersucht, von denen in den meisten Fällen Suizid als Ursache vermutet wird; die Selbstmordrate der letzten 12 Monaten bei den Soldaten - 20,2 auf 100.000 - hat die bei der Zivilbevölkerung der USA - 19,2 auf 100.000 - erstmals seit dem Vietnamkrieg übertroffen. In dem NYT-Artikel mit der Überschrift "Suicides of Soldiers Reach High of Nearly 3 Decades" berichtete Lizette Alvarez von einem "Flut an Soldaten, die nach der Rückkehr aus dem Irak und aus Afghanistan mit psychologischen Problemen zu kämpfen haben". Zur explodierenden Selbstmordrate unter den US-Kriegsveteranen schrieb die Reporterin unter anderem:

Die Armee hat keinen spezifischen Grund für den Anstieg identifiziert, aber ihre Vertreter erklärten, daß 15monatige Einsätze im Kriegsgebiet eine Rolle spielten. Diese Einsätze, die wenig Zeit abseits des Schlachtfelds erlauben, haben post-traumatischem Streßsyndrom, Depression, Alkoholmißbrauch und Familienproblemen mit sich gebracht. Sieben Selbstmorde geschahen in Afghanistan und 31 im Irak. ... Von denen, die letztes Jahr Selbstmord begingen, waren 85 verheiratet.

Im NYT-Artikel wurde von verstärkten Bemühungen des US-Verteidigungsministeriums berichtet, die psychologische Betreuung seiner Soldaten im Einsatzgebiet sowie nach der Heimkehr zu verbessern. Veteranenorganisationen werfen dem Pentagon vor, sich zu wenig um die Militärs zu kümmern, nachdem sie wieder zu Hause sind. Dies gilt sowohl für die Berufssoldaten, die auf den Stützpunkten weiterhin dienen, als auch für die Nationalgardisten, die nach der Heimkehr das Zivilleben wieder aufnehmen. Inwieweit mit psychologischer Betreuung das Suizidproblem in den Griff zu bekommen ist, solange die USA zwei Kriege im Ausland führen, muß sich noch zeigen.

Jedenfalls brauchen Weißes Haus und Pentagon keine Sorgen zu machen, daß ihnen die Soldaten ausgehen könnten. Nach jahrelangen Rekrutierungsschwierigkeiten haben 2008 die internationale Wirtschaftskrise und die damit einhergehende Zunahme der Arbeitslosigkeit dazu geführt, daß sich das US-Militär vor neuen Bewerbern kaum retten kann. Wie die britische Tageszeitung Guardian am 28. Januar unter der überschrift "Forces thrive amid US jobs crisis" berichtete, haben letztes Jahr alle vier US-Teilstreitkräfte - Armee, Luftwaffe, Marine und Marineinfanterie - zum erstenmal seit 2004 ihre Rekrutierungsziele übertroffen. 2008 seien 185.000 Männer und Frauen - die höchste Zahl seit fünf Jahren - in den Dienst des US-Militärs getreten, so Guardian-Korrespondenten Dan Glaister. Nimmt man die jüngsten Statistiken des US-Verteidigungsministeriums zur Grundlage, ist damit zu rechnen, daß knapp 40 dieser neuer Soldaten bis zum Ende 2009 durch die eigene Hand ums Leben gekommen sein werden.

31. Januar 2009