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MILITÄR/819: Internationale Konvention zum Verbot von Streubomben tritt in Kraft (SB)


Meilenstein der Abrüstung oder Feigenblatt der Kriegsführung?


Am 1. August tritt die Internationale Konvention zum Verbot von Streubomben in Kraft, die bislang von 107 Ländern unterzeichnet worden ist, darunter auch Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Norwegen, die noch Streubomben lagern. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums will Deutschland seinen Bestand bis 2015 vollständig zerstören. Mehr als 30 Staaten haben das Abkommen ratifiziert und damit die Voraussetzung für das Inkrafttreten der Konvention erfüllt. Die weltweit bedeutendsten Hersteller von Streumunition wie die USA, Rußland, China und Israel haben die Konvention jedoch bislang nicht unterzeichnet. Die schlagkräftigsten Militärmächte verfügen mithin über die größten Bestände der heimtückischen Waffen. [1]

Streubomben wurden von 34 Staaten hergestellt und von mindestens 23 Ländern eingesetzt. Sie gehören in zahlreichen Armeen zur Standardmunition der Luftwaffe und wurden in bewaffneten Konflikten systematisch verwendet. Beispielsweise setzten die US-Streitkräfte in den 1970er Jahren allein in Kambodscha, Laos und Vietnam mehr als 370 Millionen Bomblets ein, deren Blindgänger bis heute explodieren. Auch 1999 im Kosovokrieg und später im Irak kamen Clusterbomben zum Einsatz. Im Krieg in Georgien 2008 sollen sowohl die russischen als auch die georgischen Truppen Streumunition verwendet haben, wobei Rußland dies bestreitet. Im Krieg gegen den Libanon 2006 warfen die israelischen Truppen in den letzten 72 Stunden des Konflikts, nachdem der Weltsicherheitsrat bereits die Feuereinstellung angeordnet hatte, mehr als vier Millionen Streubomben über dem südlichen Libanon ab. Dies diente offensichtlich dem Zweck, weite Gebiete unbewohnbar zu machen, und hatte eine Welle der Entrüstung zur Folge. [2]

Bei der Streumunition handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Schrapnellgeschosse, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg mit verheerender Wirkung eingesetzt wurden. Die heute verwendeten Streubomben werden von einem Flugzeug abgeworfen, von der Artillerie verschossen oder aus Raketenwerfern abgefeuert. Ein Waffenkanister verstreut knapp vor seinem Aufprall auf dem Erdboden bis zu 2.000 Kleinbomben, die sich auf einer Fläche von bis zu mehreren hundert Hektar verteilen können. Manche Modelle gleiten auch an Fallschirmen zu Boden. Es existieren verschiedene Typen von Bomblets mit Explosions-, Brand-, Splitter- oder auch panzerbrechender Wirkung. [3]

Eingesetzt wird diese Waffe insbesondere gegen Panzerkolonnen, zur Zerstörung von Flugzeuglandepisten oder um vom Gegner verlegte Landminen zur Explosion zu bringen. Streubomben gehören zu den heimtückischsten Waffensystemen, da eine einzige Bombe ganze Landstriche verwüsten kann. Ein Großteil der Sprengsätze explodiert nicht unmittelbar, sondern bleibt als Blindgänger auf Hausdächern, in Bäumen oder Feldern liegen. Diese können noch Jahrzehnte später detonieren und dabei Menschen töten und verstümmeln. Die Waffe trifft zu 98 Prozent nicht den militärischen Gegner, sondern Zivilisten, wobei mindestens ein Viertel der Opfer Kinder sind. Da die Bomblets nicht selten bunt sind und wie Spielzeug aussehen, trifft es Kinder häufig beim Spielen oder auf dem Schulweg mit tödlichen Folgen oder lebenslanger Behinderung. Viele der Opfer benötigen nach ihrem Unfall eine Prothese, weil ihnen ein Arm oder Bein amputiert werden mußte. Zudem werden die Betroffenen durch den Unfall meist schwer traumatisiert. Armut infolge von Arbeitsunfähigkeit ist eine weitere Folgewirkung. Wie viele Menschen weltweit von Streubomben verstümmelt wurden, ist nur ungefähr bekannt, wobei Schätzungen von mehr als 100.000 Opfern ausgehen.

Der Ruf, diese heimtückischen Waffen international zu ächten, wurde schon vor Jahrzehnten laut. Dennoch fand sich weder bei der Genfer Abrüstungskonferenz, die für solche Verhandlungen zuständig wäre, noch in einem anderen UN-Organ ein Konsens, die Streumunition zu verbieten. Schließlich gründeten die abrüstungswilligen Staaten ein Verhandlungsforum außerhalb der Vereinten Nationen. Wie schon zuvor beim Verbot der Antipersonenminen, das 1997 in Ottawa unterzeichnet wurde, schlossen sich Hunderte von Nichtregierungsorganisationen zu einer "Cluster Munition Coalition" zusammen. Dazu gehören in Deutschland die im Aktionsbündnis Landmine zusammengeschlossenen Organisationen Handicap International, Caritas, Brot für die Welt und Unicef. Auf Regierungskonferenzen in Wien, Wellington, Oslo und Dublin wurde der Vertrag zu Papier gebracht und Ende 2008 in der norwegischen Hauptstadt von 94 Staaten unterzeichnet. Im Februar dieses Jahres hatte man die zum Inkrafttreten nötigen 30 Ratifizierungen erreicht. Rüstungsgegner haben die USA, Rußland und China aufgefordert, dem Übereinkommen beizutreten.

Das Aktionsbündnis Landmine weist auf Schlupflöcher der Konvention hin, da von ihr angeblich ungefährliche Streumunition ausgenommen ist. Diese Ausnahme hatte bei den Vertragsverhandlungen vor allem die Bundesregierung durchgesetzt, um die Interessen der hiesigen Rüstungsindustrie zu wahren und die Kriegsführung der Bundeswehr zu befördern. Diese will die von der Nürnberger Firma Diehl entwickelte Streumunition Smart 155 noch in diesem Jahr in Afghanistan einsetzen. Die Munition wird mit der von der Düsseldorfer Rheinmetall hergestellten Panzerhaubitze 2000 verschossen. Pro Ladung werden dabei sekundenschnell zwölf Artilleriegranaten abgefeuert, die je vier Einheiten Submunition enthalten, die angeblich mit 99prozentiger Sicherheit sofort explodiert. Das war genau jene technische Spezifikation für Ausnahmen von dem Streubombenverbot, das die Bundesregierung bei den Verhandlungen um die Konvention durchgesetzt hatte.

Das Aktionsbündnis Landmine hat den Bundestag aufgefordert, nach Artikel 1 der Konvention ein ausdrückliches Verbot von Investitionen in die Produktion von Streumunition zu beschließen, wie es bereits in Belgien, Irland, Luxemburg und Neuseeland existiert. In Deutschland beteiligen sich derzeit noch sechs Finanzdienstleister (Deutsche Bank, Commerzbank, Bayerische Landesbank, Allianz, WestLB und Union Investment) durch Investitionen, Beteiligungen, Anleihen und Kredite an der Herstellung und dem Vertrieb von Streubomben und -munition. Einer Studie zufolge sollen Banken allein von Oktober 2009 bis April 2010 weltweit 3,26 Milliarden Euro in Hersteller von Streubomben investiert haben.

Wie das ARD-Fernsehmagazin Monitor am Donnerstagabend berichtete, kann die Altersvorsorge mittels einer Riester-Rente unter Umständen dazu führen, daß man in Rüstungskonzerne investiert, die Streubomben herstellen. Demnach soll das Geld von Riester-Kunden unter anderem bei DWS - der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank-Gruppe - und der Landesbank Berlin-Brandenburg (LBB) bei Herstellern von Streubomben angelegt worden sein. Die DWS bestreitet den Vorwurf, während die LBB den Bericht bestätigt und zugleich gelobt hat, künftig nicht mehr in Streubombenhersteller zu investieren.

Die Verbotskonvention verbietet Einsatz, Herstellung, Lagerung sowie Import und Export dieses Waffentyps und enthält bahnbrechende Bestimmungen zur Opferhilfe. Die Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, ihre eigenen Bestände binnen acht Jahren zu vernichten. Viele der 107 Staaten behaupten jedoch, sie könnten die dafür erforderlichen Finanzmittel derzeit nicht aufwenden. Daher haben bis heute erst 38 Unterzeichnerstaaten die Konvention ratifiziert. Auch in Europa mit seinen vergleichsweise reichen Ländern haben zwar 20 der 27 EU-Staaten die Konvention unterzeichnet, jedoch nur sieben das Abkommen ratifiziert. Wollte man die zur Umsetzung der Konvention erforderliche Munitionsräumung und Opferhilfe in Angriff nehmen, müßten die dafür benötigten Gelder zügig aufgestockt werden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, da beispielsweise auch in Berlin mehrere Ministerien und der Haushaltsausschuß Kürzungsabsichten bestätigt haben. Wenigstens hat Deutschland im Jahr 2001 damit begonnen, die vorhandenen Bestände an Streubomben abzubauen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sieht in dem Verbot von Streubomben einen wichtigen Fortschritt für die weltweiten Abrüstungsbemühungen. Er zeigte sich "erfreut", daß die Konvention zum Verbot der "abscheulichen Waffen" endlich Geltung erlange. Entscheidend sei nun die "Kooperation" zwischen den Staaten bei der Anwendung, wobei auch der Betreuung der Opfer zentrale Bedeutung zukomme. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz spricht von einem "riesigen Schritt hin zur Beendigung des schrecklichen Leidens, das diese Waffen während Jahrzehnten verursacht haben". Das Aktionsbündnis Landmine.de würdigt die Streubomben-Konvention als wichtigsten Beitrag zur humanitären Rüstungskontrolle der letzten zehn Jahre.

Anmerkungen:

[1] In 107 Ländern gilt das Verbot von Streubomben (31.07.10)
http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article1585061/In-107-Laendern-gilt-das-Verbot-von-Streubomben.html

[2] Verbot von Streubomben. Ächtung der Heimtücke (31.07.10)
http://www.fr-online.de/politik/aechtung-der-heimtuecke/-/1472596/4520112/-/index.html

[3] In 107 Ländern gilt das Verbot von Streubomben. Halbherziges Verbot von Streubomben (31.07.10)
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/ausland/halbherziges-verbot-von-streubomben--33797416.html

31. Juli 2010