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MILITÄR/824: Gesundsheitkosten beim US-Militär sollen gesenkt werden (SB)


Gesundsheitkosten beim US-Militär sollen gesenkt werden

Medizinische Betreuung der Kriegsveteranen wird Washington zu teuer


In den USA steht die Regierung Barack Obamas vor dem Problem einer rasant anwachsenden Staatsverschuldung, die inzwischen die unglaubliche Summe vom 13 Billionen Dollar beträgt und nicht nur eine Folge der Finanzkrise sowie der von der Vorgängeradministration George W. Bushs verordnete Steuererleichterungen für Reiche ist (Noch in diesem Jahr wird das Staatsdefizit mit 1,5 Billionen Dollar mehr als zehn Prozent des Bruttosozialproduktes betragen und damit den höchsten Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erreichen). Zum rasanten Anwachsen der negativen Bilanz des öffentlichen Haushalts in den USA haben auch die nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 drastisch angestiegenen Ausgaben des Verteidigungsressorts einschließlich derjenigen für die noch laufenden Kriege in Afghanistan und im Irak beigetragen.

Angesichts dieser Entwicklung sieht man sich im Pentagon dazu aufgerufen, seinen Teil zur Verringerung der Staatsschulden - oder zumindest zur Verringerung deren Anwachsens - beizutragen. Deshalb hat vor einigen Wochen Admiral Michael Mullen, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs und damit Amerikas höchster Militär, erklärt, daß die "nationale Sicherheit" der USA "in direkter Verbindung" mit der "finanziellen Gesundheit" des Staats stehe. In den letzten zehn Jahren hat sich in den USA der Wehretat auf fast 700 Milliarden Dollar jährlich praktisch verdoppelt. Um dem entgegenzuwirken, will US-Verteidigungsminister Robert Gates in den nächsten fünf Jahren 100 Milliarden Dollar einsparen.

Doch es stellt sich die Frage, an welcher Stelle die Ersparnisse erzielt werden sollen. Gates hat bereits die Schließung einiger Basen im Inland und die Streichung einiger überteuerte Rüstungsprojekte angekündigt. In der US-Rüstungsindustrie hat man inzwischen erkannt, daß die ganz fetten Jahre vorbei sind, und bereitet sich jetzt schon auf eine Konsolidierung vor. Doch weil Washington mit Waffenkauf und -entwicklung auch Außen-, Industrie- und Technologiepolitik betreibt - bestes Beispiel das milliardenverschlingende, bis heute nicht funktionierende Raketenabwehrsystem - dürften Amerikas Rüstungsfabrikanten nicht das größte Opfer zu bringen haben. Von einer Kürzung der üppigen Bezüge für pensionierte Generäle oder Admirale hat auch bisher niemand gesprochen. Dafür diskutiert man umso eifriger, die Ausgaben für die medizinische Betreuung physisch oder psychisch erkrankter US-Soldaten zusammenzustreichen. Dort hofft man, die größten Einsparungen erzielen zu können.

Bei den Kriegen in Afghanistan und im Irak sind verhältnismäßig wenige US-Soldaten gefallen - zusammen rund 5.000 Mann. Dafür geht die Zahl derjenige, die schwer verletzt wurden und vielleicht einen oder mehrere Gliedmaßen verloren haben, in die Zehntausende. Die gesundheitliche Betreuung solcher Personen, die noch dreißig bis vierzig Jahre leben könnten, ist extrem teuer. Nach Angaben des Amts für Veteranenangelegenheiten im Pentagon sind 600.000 Soldaten infolge des Einsatzes im Zweistromland oder am Hindukusch medizinisch betreut worden. 500.000 von ihnen gelten als berufsunfähig und haben deshalb eine Invalidenrente entweder beantragt oder bereits erhalten.

Die Gesundheitsausgaben des Pentagons sind von 19 Milliarden Dollar 2001 auf 50 Milliarden Dollar in diesem Jahr angestiegen. In vier bis fünf Jahren werden sie Einschätzungen zufolge auf 64 Milliarden Dollar geklettert sein. Bei einem Treffen mit Reportern am 29. September hat Generalstabschef Mullen diese Kostenentwickung für "untragbar" erklärt. Daraufhin hat am selben Tag die Zeitung Christian Science Monitor die Frage aufgeworfen, ob das staatliche Gesundheitssystem für Amerikas Soldaten - das bekanntlich gegenüber dem privaten System, auf das die einfachen Bürger in den USA angewiesen sind, viele Vorteile aufbietet - noch zu bezahlen sei. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten müßten die Veteranen auch bereit sein, finanzielle Opfer zu bringen, so der Christian Science Monitor - als hätten diese durch das Riskieren ihres Lebens und den Verlust ihrer Gesundheit dem Gemeinwohl nicht bereits genug geleistet.

Beim US-Militär verzeichnet man wegen dem, was die Soldaten in Afghanistan und im Irak erlebten, einen drastischen Anstieg der Selbstmordrate. Einem Bericht der US-Armee von Juli hat der Prozentsatz der Selbstmorde beim militärischen Personal erstmals seit dem Vietnamkrieg den der Zivilbevölkerung übertroffen. Kommt es zu den von Mullen, Gates und anderen angepeilten Kürzungen der medizinischen Ausgaben des Pentagons, so dürfte davon auch die psychologische Betreuung der vielen Veteranen, die unter post-traumatischem Streßsyndrom leiden, betroffen sein. In der Folge dürfte die Selbstmordrate unter den Ex-Soldaten weiter ansteigen - was eventuell ein erwünschter Nebeneffekt im Sinne einer verbesserten Haushaltslage wäre.

2. Oktober 2010