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MILITÄR/891: USA lockern die Bestimmungen für den Drohnen-Export (SB)


USA lockern die Bestimmungen für den Drohnen-Export

Predator und Reaper treten den kommerziellen Siegeszug an


Alle paar Tage werden Menschen in einem entlegenen Teil der islamischen Welt durch einen Drohnenangriff der CIA bzw. der US-Luftwaffe ihres Lebens beraubt. Am 2. Februar waren es nach Angaben des Pentagons in der jemenitischen Provinz Baida drei "Al-Kaida-Verdächtige" - darunter ein 12jähriger Junge -, am 9. Februar ein ranghohes Taliban-Mitglied, Mullah Abdul Rauf, und acht Begleiter im afghanischen Helmand und am 11. Februar neun Menschen in der afghanischen Provinz Nangarhar, nahe der Grenze zu Pakistan. Bei letzterem Vorfall sollen infolge der Feuersbrunst und der Druckwelle bei der Explosion der Rakete Dutzende Menschen verletzt worden sein.

Die Drohnenangriffe der USA im Rahmen des "globalen Antiterrorkrieges" sind hoch umstritten. Erstens ist ihre Durchführung nach Meinung namhafter internationaler Juristen weder durch das Strafrecht noch durch das Kriegsrecht gedeckt; die Liquidierung eines "Terrorverdächtigen" kommt einer außergerichtlichen Hinrichtung gleich, ohne daß die Verdachtsmomente gegen die betroffene Person jemals einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden konnten. Zweitens kommen bei den Angriffen viele Zivilisten ums Leben. Die USA versuchen diese Tatsache zu leugnen, indem sie in der Statistik einfach alle männlichen Opfer im wehrfähigen Alter als "Militante" führen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Einer Studie der New Yorker Menschenrechtsorganisation Reprieve zufolge kommen auf jeden getöteten "Terrorverdächtigen" 28 tote Zivilisten. Im Rahmen des Projekts "Naming the Dead" hat das Bureau of Investigative Journalism (BIJ) mit Sitz in London 704 derjenigen der 2,904 Pakistaner, die von 2004 bis September 2014 durch US-Drohnenangriffe getötet worden waren, identifiziert und festgestellt, daß nur zehn Prozent von ihnen einer bewaffneten Gruppe angehörten. Ganze vier Prozent der Getöteten - 84 - waren Al Kaida zuzurechnen.

Darüber hinaus wirkt der regelmäßige Einsatz von Drohnen destabilisierend auf die betroffenen Länder und verschärft das Problem des "Terrorismus", statt es zu lindern. Aktuellstes Beispiel dieses Phänomens ist der Jemen. Dort hatten die USA bis Ende 2014 118 Drohnenangriffe durchgeführt; bis auf einen unter George W. Bush fanden alle während der Präsidentschaft von Barack Obama, die im Januar 2009 begann, statt. In dem Zeitraum verloren durch solche Militäroperationen mehr als 800 Menschen ihr Leben. Man kann davon ausgehen, daß es sich hierbei in der Mehrheit um Zivilisten handelte, die mit Al Kaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP) nichts am Hut hatten.

Während sich Weißes Haus, Pentagon und Langley rühmen, AQAP auf diese Weise schwer zuzusetzen, zeigen die Daten, daß zwischen 2009 und 2012 die Zahl der zum "harten Kern" von AQAP gehörenden Kämpfer im Jemen von 300 auf mehr als 800 angestiegen ist. Liest man die regelmäßig in der Presse erscheinenden Aussagen einfacher Jemeniten, so stellt man fest, daß der durch die US-Drohnenangriffe verursachte "Kollateralschaden" unter der Zivilbevölkerung bei Angehörigen, Freunden und Bekannten der Opfer die Sympathie für die Sache der gewaltbereiten Feinde Amerikas fördert. Der Verdacht liegt sogar nahe, daß der jahrelange per Drohne erfolgte Einsatz von Bomben und Hellfire-Raketen der Amerikaner im Jemen die Spannungen zwischen der Zentralregierung in Sanaa, Huthi-Rebellen, südlichen Separatisten und AQAP verschärft und damit nicht unwesentlich zum Kollaps der staatlichen Ordnung geführt hat.

Dessen ungeachtet will Washington nun den weltweiten Markt für bewaffnete Drohnen mit Spitzentechnologie "Made in the USA" erobern. So berichtete die New York Times am Mittwoch, den 18. Februar, unter der Überschrift "New Rules Set on Armed Drone Exports": "Die Obama-Administration hat am Dienstag eine neue Richtlinie für den internationalen Export von bewaffneten Drohnen erlassen, ein Schritt, der die amerikanische Führung auf einem schnell wachsenden Markt sichern soll, aber wahrscheinlich die Verbreitung einer viel kritisierten Waffe im Kampf gegen den Terrorismus beschleunigen wird."

Bislang hatten die US-Behörden den Verkauf von Kampfdrohnen lediglich an die Streitkräfte des engsten Verbündeten Großbritannien genehmigt. Doch die steigende Nachfrage des Auslands hat die bisherigen Bedenken offenbar zerstreut. Zur Erläuterung der Gründe für die Lockerung der Ausfuhrbestimmungen heißt im NYT-Artikel:

Die neue Politik liegt der Erkenntnis zugrunde, daß unbemannte Flugzeuge rund um den Globus zunehmend als unverzichtbare Waffe bei der Terrorbekämpfung und der Kriegsführung angesehen werden.

(...)

Eric R. McClafferty, Anwalt bei Kelley Drye & Warren, der auf Exportkontrollen spezialisiert ist, sagte, es habe seitens der amerikanischen Industrie intensiven Druck gegeben, die Ausfuhr sowohl militärischer als auch nicht-militärischer Drohnen zu genehmigen. Das liegt zum Teil daran, daß die Rüstungsproduzenten unbemannte Flugzeuge als Wachstumsbereich betrachten. "Da sind unzählige Verbündete, die wirklich diese UAVs haben wollen", erklärte er in Bezug auf unmanned aerial vehicles [unbemannte Luftfahrzeuge - Anm. d. SB-Red.]".

Als potentielle Konkurrenten der USA auf dem Markt für Drohnen, der derzeit jährlich auf sechs Milliarden Dollar geschätzt wird, führt die New York Times lediglich China und Israel auf. Rußland, Deutschland und die anderen wichtigen Waffenexportnationen hängen offenbar weit hinterher. Der enorme Vorteil, den die US-Produzenten gegenüber möglichen ausländischen Interessenten werden geltend machen können, ist, daß ihre Kampfdrohnen Predator und Reaper jahrelang unter Kriegsbedingungen ausgiebig getestet und verbessert werden - auf Kosten der Zivilbevölkerung im Jemen, in Afghanistan, Pakistan, Somalia und anderswo, versteht sich.

20. Februar 2015


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