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MILITÄR/915: US-Raketenabwehr erneut als Mogelpackung entlarvt (SB)


US-Raketenabwehr erneut als Mogelpackung entlarvt

Donald Trumps Lobeshymnen auf Amerikas Waffentechnologie klingen hohl


Daß Donald Trump ein schamloser Betrüger und Blender ist, haben im Laufe seiner langen Karriere als Immobilienmagnat, Kasinobetreiber und Boxpromoter die meisten Geschäftspartner und Kunden, darunter die Deutsche Bank, zahlreiche kleine Subunternehmen der Bauindustrie sowie die Studenten seiner 2010 eingestellten "Trump University" zu ihrem Leidwesen erfahren müssen. Als sich Trumps Aktivitäten noch auf die Geschäftswelt beschränkten, war sein räuberisches Verhalten lediglich für die unmittelbaren Opfer ein Problem. Doch inzwischen residiert der Reality-Fernsehstar mit Hang zur Selbstüberschätzung im Weißen Haus und kann von einem Moment zum nächsten als US-Präsident und Oberkommandierender der amerikanischen Streitkräfte einen Atomkrieg auslösen, der das Ende der Menschheit bedeutete.

Aktuell geht die größte Gefahr eines atomaren Infernos von der Koreakrise aus. Aus Angst vor den Regimewechselplänen der USA rüstet das kommunistische Nordkorea permanent mit Atombomben und Interkontinentalraketen auf, während Washington Pjöngjang als Nuklearmacht nicht hinzunehmen bereit ist und sich deshalb die Option eines präventiven Überraschungsangriffs offenhält. Von der Tatsache, daß ein solches Vorgehen einen Konflikt lostreten könnte, dessen unmittelbare Folgen nicht auf Nordkorea beschränkt blieben, versuchen die Amerikaner abzulenken. Die von den ballistischen Raketen Nordkoreas ausgehende Bedrohung tat Trump bei einer Pressekonferenz im Tokioter Akasaka-Palast am 6. November im Beisein Shinzo Abes mit folgender Prahlerei ab: "Er wird sie aus dem Himmel schießen, sobald er den Kauf zusätzlicher Rüstungsgüter aus den USA abschließt. Der Premierminister Japans wird große Mengen Militärausrüstung kaufen, womit er gut beraten ist. Das wird uns viele neue Jobs bringen und viel Sicherheit für Japan bedeuten."

Bereits beim Flug in der Air Force One am 5. November zu jener Asienreise durch Japan, Südkorea, China, Vietnam und die Philippinen hatte Trump gegenüber den mitreisenden Journalisten die Vorzüge des amerikanischen Patriot-Raketenabwehrsystems in den höchsten Tönen gepriesen, weil es wenige Stunden zuvor angeblich eine von den schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen auf den internationalen Flughafen der saudischen Hauptstadt Riad abgefeuerte Rakete abgefangen und zerstört hätte. "Unser System hat die Rakete aus dem Himmel geholt. So gut sind wir. Niemand baut, was wir bauen, und nun verkaufen wir es in der ganzen Welt", so Trump. Japan und Saudi-Arabien gehören zu den insgesamt vierzehn Staaten, die das von Raytheon hergestellte, milliardenteuere Patriot-System bereits installiert haben. Mit viel Tamtam hat das US-Militär in den vergangenen Monaten mehrere Batterien des Raketenabwehrsystems namens Theater High-Altitude Area Defense (THAAD) in Südkorea nahe der Demilitarisierten Zone (DMZ) am 38. Breitengrad installiert, das vor allem den etwa 26 Millionen Einwohnern Seouls einen Schutz vor Raketenbeschuß aus dem Norden suggerieren soll.

Daß es sich hier eher um eine Suggestion als um wirklichen Schutz von Leib und Leben handelt, zeigt ein am 4. Dezember veröffentlichter Artikel der New York Times zum Thema des von Trump überschwenglich gelobten vermeintlichen Abschusses der Huthi-Rakete über Riad einen Monat zuvor. Für den Beitrag mit der Überschrift "Did American Missile Defense Fail in Saudi Arabia?" haben die Journalisten Max Fisher, Eric Schmitt, Audrey Carlsen und Malachy Browne mit einem Expertenteam gesprochen, dessen Mitglieder inzwischen alle verfügbaren Daten über den Vorfall ausgewertet haben. Demnach ist die Burkan-2-Rakete der Huthis - eine jemenitische Variante der Scud-2 und kein iranisches Geschoß, wie von den Saudis und Mitgliedern der Trump-Regierung behauptet - "von der saudischen Abwehr völlig ungehindert über Riad geflogen und hat sein Ziel, den Flughafen von Riad, fast getroffen". Für die Behauptung, die insgesamt fünf abgefeuerten Patriot-Raketen hätten die Huthi-Rakete abgefangen, gebe es demnach "keine Beweise".

In dem Artikel wird Jeffrey Lewis, Leiter des Expertenteams und Professor am James Martin Center for Non-Proliferation Studies am Middlebury Institute of International Affairs at Monterey, mit den Worten zitiert: "Regierungen lügen hinsichtlich der Effektivität dieser Systeme. Oder sie sind falsch informiert. Und das sollte uns allen große Sorgen machen." Diese Aussage sollte vor allem von der Regierung Benjamin Netanjahus in Israel ernst genommen werden, die seit Wochen mit einem Krieg droht, um den zunehmenden Einfluß des Irans im Nahen Osten einzudämmen und die schiitisch-libanesische Hisb-Allah-Miliz in die Schranken zu weisen. Berichten zufolge ist das Arsenal der Hisb-Allah-Miliz an Kurz- und Mittelstreckenraketen um ein vielfaches größer als beim Libanonkrieg vor elf Jahren. Schon damals hat die Hisb-Allah-Miliz ein israelisches Kriegsschiff mit einer Rakete getroffen, schwer beschädigt und fast versenkt.

In einem Artikel, der am 29. September bei Counterpunch unter der Überschrift "Hezbollah has Launched the Initial Phase of the Next Israel-Hezbollah War" schrieb der in Damaskus lebende US-Nahostexperte Franklin Lamb unter Verweis auf eigene Hisb-Allah-Quellen, die Männer Hassan Nasrallahs bereiteten sich darauf vor, im Falle des Ausbruchs eines heißen Kriegs militärische und zivile Ziele in Israel täglich mit mehr als 2000 Raketen zu beschießen. Wie Lamb richtig feststellte, liegt "diese Zahl höher als der Wochendurchschnitt während des gesamten 34tägigen Kriegs im Jahr 2006". Zu glauben, daß das dreigestaffelte israelische Raketenabwehrsystem aus Iron Dome, David's Sling und US-Patriot-Batterien einem solchen Beschuß etwas Wirksames entgegenzusetzen hätte, ist mehr als illusorisch.

9. Dezember 2017


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