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NAHOST/1039: Israelische Regierung strapaziert die Geduld ihrer Verbündeten (SB)


Provokativer Siedlungsbau torpediert Friedensverhandlungen


Die Strategie der israelischen Regierung, unter allen Umständen Stärke zu zeigen, keinerlei Kompromisse einzugehen und die Friedensverhandlungen durch unablässige Verzögerungsmanöver und Provokationen zu torpedieren, stellt die Geduld ihrer Verbündeten auf eine harte Probe. Wenngleich die Phalanx bedingungsloser Unterstützung Israels in Washington, Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten keine ernstzunehmenden Risse zeigt, wächst doch der Unmut angesichts einer offenbar fehlenden Bereitschaft der Administration Benjamin Netanjahus, das gemeinsame Anliegen eleganter und weniger konfrontativ zu befördern.

Solange Israel UN-Beschlüsse, die seinen Interessen zuwiderlaufen, grundsätzlich nicht anerkennt, die sogenannte internationale Gemeinschaft jedoch von Sanktionen absieht, zählen die Annexion des Ostteils Jerusalems im Zuge des Sechstagekriegs 1967 und die gegenwärtig forcierte Vertreibung der dort lebenden Palästinenser aus israelischer Sicht zu den bereits oder so gut wie vollendeten Tatsachen, die auf die Verhinderung eines künftigen Palästinenserstaats hinauslaufen. Getragen von der Überzeugung, daß die eigene Position im Laufe der Jahre immer nur stärker, jedoch niemals schwächer werden kann, setzt die Netanjahu-Regierung auf Verzögerung und hintertreibt alle Ansätze einer Verhandlungslösung.

Nun hat die Stadtverwaltung von Jerusalem grünes Licht für den Bau von mehr als 1.300 Wohnungen im arabischen Ostteil der Stadt gegeben und sich damit nicht nur nach Einschätzung des israelischen Menschenrechtsgruppe Peace Now erneut des Mittels der Provokation bedient. Den Angaben zufolge liegen drei neue Wohnungsbaupläne öffentlich aus, die 983 Neubauten in der jüdischen Siedlung Har Homa sowie für 320 weitere Wohnungen im nördlichen Stadtteil Ramot und 42 Einheiten bei Bethlehem umfassen. Was Har Homa betreffe, wo bereits rund 7.000 jüdische Siedler leben, stelle das Bauvorhaben eine "neue Stufe" dar, da die Siedlung "wirklich erweitert" werde, so eine Sprecherin von Peace Now. Wenngleich es bis zur Umsetzung noch "ein weiter Weg" sei, müsse man doch von einer Provokation sprechen, da das Vorhaben vorangetrieben und nicht etwa mit Rücksicht auf mögliche Friedensgespräche gestoppt wird. [1]

Da die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland und im Osten Jerusalems derzeit den vielzitierten Friedensprozeß mehr als andere Streitpunkte verhindert, sprach der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erakat von gravierenden Folgen für die Friedensgespräche. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei offenbar zur "Zerstörung der Verhandlungen" entschlossen.

Während seines Besuchs in der indonesischen Hauptstadt Jakarta warnte US-Präsident Barack Obama, daß Siedlungsaktivitäten "nie hilfreich" für Friedensverhandlungen seien. Zugleich äußerte er sich besorgt darüber, daß "beide Seiten keine besonderen Anstrengungen für einen Durchbruch unternehmen, mit dem endlich ein Rahmen für ein friedvolles Nebeneinander eines sicheren Israels und eines souveränen Palästinas geschaffen werden kann". Obama ließ keinen Zweifel daran, daß er sich dennoch weiterhin im Nahost-Friedensprozeß einsetzen werde, da dies "im Interesse der Welt" und im Interesse der Völker Israels und der Palästinenser sei. [2]

Vor einem Treffen des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu mit US-Außenministerin Hillary Clinton sagte ihr Sprecher, Philip Crowley, die USA seien "tief enttäuscht von der Ankündigung der fortgeschrittenen Planung neuer Wohneinheiten in sensiblen Bereichen von Ost-Jerusalem". Sie unterlaufe neuerlich die Bemühungen der US-Regierung, den ins Stocken geratenen Friedensprozeß wieder auf Kurs zu bringen. [3]

Bei einem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in New York sprach UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Wiederaufnahme des Siedlungsbaus an und verlieh zugleich seiner Hoffnung Ausdruck, daß Israel weitere Schritte zur Erleichterung "der Bewegung von Personen und Gütern von und nach Gaza" unternehmen werde. Schärferer Worte bediente sich EU-Außenministerin Catherine Ashton in Brüssel. Die Siedlungen seien nach internationalem Recht illegal, ein Hindernis für den Frieden und machten eine Zweistaatenlösung unmöglich", übte Ashton unverhohlen Kritik. Die EU werde keine Änderung an den vor 1967 bestehenden Grenzen Israels akzeptieren, was auch für Jerusalem gelte.

Unterdessen forderte Netanyahu die Palästinenser in einer Rede vor der Jewish Federations of North America in New Orleans auf, nicht länger Vorbedingungen zu stellen. "Palästinensische Führer, die wahrhaftig Frieden wollen, sollten aufhören, Vorbedingungen zu stellen, und anfangen, über Frieden zu verhandeln", sagte Netanjahu ungeachtet der jüngsten Meldungen aus Jerusalem. [4]

Anmerkungen:

[1] 1300 neue Wohnungen in Ostjerusalem geplant. Israel provoziert weiter mit seiner Siedlungspolitik (08.11.10)
http://www.nzz.ch/nachrichten/international/ israelische_regierung_beendet_baustopp_in_ostjerusalem_1.8011348.html

[2] Internationale Kritik an neuen Baugenehmigungen in Jerusalem (08.11.10)
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-11/siedlungspolitik-israel- kritik

[3] 1300 neue Wohnungen in Ostjerusalem geplant (08.11.10)
http://www.focus.de/politik/ausland/nahost/israel-1300-neue-wohnungen- in-ostjerusalem-geplant_aid_570110.html

[4] Ost-Jerusalem. UNO und USA kritisieren Siedlungsausbau (09.11.10)
http://derstandard.at/1288659886585/Ost-Jerusalem-UNO-und-USA- kritisieren-Siedlungsausbau

9. November 2010