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NAHOST/1049: Kairo und Washington bereiten Abgang Mubaraks vor (SB)


Kairo und Washington bereiten Abgang Mubaraks vor

Für den ägyptischen Diktator wird der Handlungsspielraum eng


Wie die New York Times am 5. Februar unter Hinweis auf gutinformierte US-Regierungskreise berichtete, bereiten Washington und Kairo den Abgang des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak vor. Seit dem 25. Januar nun halten die landesweiten Proteste in Ägypten gegen das Regime des alternden Staatsoberhaupts an. Der verzweifelte Versuch der Regimeanhänger, am 2. und 3. Februar mit gewaltsamen Übergriffen die Tausende von Demokratiebefürwortern zu vertreiben, die den Tahrir-Platz im Herzen Kairos besetzen, ist grandios gescheitert. Die schockierenden, vom arabischen Nachrichtensender Al Jazeera ausgestrahlten Bilder der stundenlangen Straßenschlacht, welche auch die ganze Nacht hindurch als Livestream zu sehen waren und die mindestens ein Dutzend Oppositionellen das Leben kostete, hat dem Ansehen des Mubarak-Regime nachhaltig geschadet und es für seine Verbündeten, allen voran die USA, untragbar gemacht.

Dies wurde im Verlauf des 3. Februar deutlich. Zuerst hat sich am Vormittag Mubaraks neuer Premierminister, der Ex-Luftwaffenchef Ahmed Schafik, für die Vorfälle öffentlich entschuldigt und eine Untersuchung angekündigt - was an sich ein Novum war. Später hat der neue Vizepräsident Omar Suleiman der verbotenen Moslem-Bruderschaft, welche die größte Oppositionsgruppierung stellt, Gespräche zur Beendigung der Krise angeboten. Gleichzeitig beklagte der ehemalige Geheimdienstchef die finanziellen Verluste, welche durch die Proteste für die ohnehin schwächelnde ägyptische Wirtschaft entstanden sind. Allein im Bereich des Tourismus, der elf Prozent des ägyptischen Bruttoinlandsproduktes beisteuert, hätten die vorangegangenen neun Tage das Land eine Milliarde Dollar gekostet; eine Millionen ausländische Besucher hätten die Flucht ergriffen oder ihren Urlaub am Nil gestrichen, so Suleiman.

Am Abend gab der 82jährige Mubarak der ABC-Starreporterin Christiane Amanpour ein Interview, das erste Anzeichen einer Kapitulation erkennen ließ. Hatte der ägyptische Präsident in seinen bisherigen Fernsehreden an die Nation am 28. Januar und 1. Februar zwar Verständnis für die Forderungen der Opposition gezeigt und Reformen versprochen, jedoch stets seinen Willen bekundet, das Zepter in der Hand zu behalten, so klang im Gespräch mit Amanpour Resignation und eine gewisse Einsicht in die Notwendigkeiten durch. Mubarak, der seit 1981 Präsident ist, erklärte, er habe 62 Jahre lang seinem Land gedient und sei dessen inzwischen müde. Er würde lieber heute als morgen zurücktreten, wenn er nicht befürchten müßte, nach seinem Abgang würde "Chaos" in Ägypten ausbrechen. Dies hätte er auch versucht US-Präsident Barack Obama bei ihrem letzten Telefongespräch zwei Tage zuvor zu erklären. Darüber hinaus gab sich Mubarak zutiefst traurig über die Kämpfe zwischen Regimeanhängern und -befürwortern. Daß Ägypter aufeinander losgehen, habe er niemals gewollt.

Parallel dazu, wie die Regimespitze rhetorisch die Waffen streckte, ging auf den Straßen das Militär langsam dazu über, nicht nur die Mubarak-Anhänger von der demokratischen Opposition fernzuhalten, sondern erstere, von denen die eigentliche Gewalt ausging, zu verhaften. So kam es am 4. Februar nach dem Freitagsgebet auf dem Tahrir-Platz erneut zu einer enormen Demonstration, für deren friedlichen, störungsfreien Verlauf das Militär unter der persönlichen Aufsicht von Verteidigungsminister Feldmarschall Mohamed Tantawi sorgte. Laut einem Bericht der New York Times vom selben Tag gehört Tantawi neben Vizepräsident Suleiman und Generalstabschef Sami Enan zu denjenigen in der ägyptischen Führungsspitze, die mit der Obama-Administration über die Modalitäten eines Übergangs vom Mubarak-Regime zu einer neuen Ordnung samt Verfassungsreform und neuen Parlaments- und Präsidentenwahlen diskutieren. Vor diesem Hintergrund dürfte es auch kein Zufall gewesen sein, daß sich auch an diesem Tag Amr Mousa erstmals unter den Demonstranten am Tahrir-Platz zeigte. Der ehemalige Außenminister Ägyptens, der bei seinen Landsleuten recht beliebt sein soll und nur noch wenige Monate als Generalsekretär der Arabischen Liga zu dienen hat, wird seit einigen Tagen als möglicher Interimspräsident gehandelt.

Da Mubarak selbst angekündigt hat, nicht vor dem Ende seiner regulären sechsten Amtszeit im September zurücktreten zu wollen, könnte ein Ausweg aus der derzeitigen Krise wie folgt aussehen: Er bleibt nominell im Amt und übergibt die Amtsgeschäfte an Suleiman, um sich erneut in Deutschland wegen seines Krebsleidens behandeln zu lassen. In einem am 4. Februar erschienenen Artikel des Londoner Guardians berichtete dessen Nahost-Korrespondent Ian Black unter Hinweis auf einen nicht namentlich genannten, "ranghohen westlichen Regierungsvertreter" von entsprechenden Gesprächen unter den Mitgliedern der alten Garde in Kairo.

5. Februar 2011