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NAHOST/1329: Bürgerkrieg in Libyen vollends ausgebrochen (SB)


Bürgerkrieg in Libyen vollends ausgebrochen

Feuerpause am Flughafen von Tripolis nur die Ruhe vor dem Sturm



Nach tagelangen, heftigen Kämpfen am internationalen Flughafen von Tripolis, die Dutzende Tote forderten und das Terminal, den Kontrollturm, die Rollbahnen und neunzig Prozent der dort geparkten Passagiermaschinen schwer beschädigten, ist am 18. Juli vorerst eine Feuerpause eingetreten. Dafür hatten sich erfolgreich Vertreter des Stadtrats eingesetzt. Geplant ist, daß "neutrale" Kräfte die Kontrolle über den Flughafen der libyschen Hauptstadt übernehmen. Wer diese stellen oder woher sie kommen sollen, weiß niemand. Aus dem Aufruf von Außenminister Mohammed Abdelasis an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Entsendung einer internationalen Hilfstruppe, damit Libyen nicht zum "gescheiterten Staat" wird, in dem "radikale Gruppen und Warlords" ihr Unwesen treiben und der "Extremisten" anlockt, die dann Instabilität in die Nachbarländer tragen, klingt die pure Verzweiflung. Jene "unkontrollierte Lage" mit "weitreichenden Konsequenzen", vor der Abdelasis mit Blick auf die Region Nordafrika warnt, ist in dem ölreichen Mittelmeerstaat längst eingetreten.

Ausgebrochen waren die Kämpfe am Flufghafen von Tripolis am 13. Juli, als islamistische Milizionäre aus der Hafenstadt Misrata die liberaleren Konkurrenten aus der Bergstadt Zintan, die seit dem Sturz Muammar Gaddhafis vor drei Jahren den enorm wichtigen Verkehrsknotenpunkt besetzt halten, zu vertreiben versucht hatten. Der Überraschungsangriff scheiterte jedoch. Nach vielen Toten und Verletzten, nicht nur unter den Kämpfenden, sondern auch unter Zivilisten, war eine Pattsituation entstanden, was beide Seiten zur Einwilligung in eine Waffenruhe veranlaßte. Der Überfall auf den Flughafen der libyschen Hauptstadt dürfte von den Islamisten als Entlastung für ihre Verbündeten von der Ansar al Scharia gedacht gewesen sein, die sich seit Wochen in der östlichen Metropole Benghazi heftige Kämpfe mit der Armee von General Khalifa Hifter liefern.

Im Mai hat CIA-Vertrauensmann Hifter einen Kreuzzug gestartet, um Libyen vom Übel der islamistischen Milizen zu befreien. Er soll rund 6.000 Mann, darunter weite Teile der libyschen Luftwaffe und Spezialstreitkräfte, unter Waffen haben. Er scheint die Rückendeckung der USA zu genießen und präsentiert sich als libysches Äquivalent zum neuen ägyptischen Präsidenten, Ex-General Abdel Fattah Al Sisi, der im vergangenen Jahr mit brutaler Militärgewalt die gewählte Regierung der Moslembruderschaft um Mohammad Mursi stürzte. Nach eigenen Angaben sieht sich Hifter im Kampf gegen den "globalen Terrorismus" und hat angekündigt, die Mitglieder des von islamistischen Parteien dominierten Allgemeinen Volkskongresses (General National Congress - GNC), der seit Ende 2012 Libyen mehr schlecht als recht verwaltet, hinter Gitter zu bringen.

Am 25. Juni fanden in Libyen Wahlen zu einem neuen Parlament statt, das den GNC ersetzen soll. Wegen des großen Chaos im Lande und der allgemein herrschenden Enttäuschung über die Politikerkaste gaben nur 40 Prozent der rund 1,5 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Wegen Unregelmäßigkeiten und unüberschaubarer Verhältnisse liegt immer noch kein Endergebnis vor. Bis zum 20. Juli will man die Ergebnisse für 184 der insgesamt 200 Sitze veröffentlichen. Bei den restlichen 16 Sitzen konnte die Wahl wegen der unsicheren Lage im jeweiligen Bezirk nicht durchgeführt werden. Dort soll die Stimmabgabe zu einem geeigneteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Ungeachtet dessen hat der GNC quasi als letzte Handlung entschieden, den Sitz des neuen Parlaments von Tripolis nach Benghazi zu verlegen, was - ungeachtet der derzeitigen Undurchführbarkeit eines solchen Vorhabens - als Etappensieg für die Islamisten und als Niederlage für General Hifter gewertet werden kann.

Was die Zukunft Libyens betrifft, so sieht diese derzeit düster aus. Aufgrund von Streitigkeiten läuft der Ölexport nur schleppend. Mit dem Flieger ist das Land momentan praktisch nicht mehr zu erreichen. Sämtliche internationalen Flughäfen - Tripolis, Benghazi, Misrata an der Küste und Sebha im Landesinneren - sind wegen anhaltender Kämpfe und/oder Kriegsschäden außer Betrieb. Darum mußte am 16. Juli der militärische Bereich des Flughafens Mitiga bei Tripolis für den zivilen Luftverkehr geöffnet werden. Derzeit verhandelt General Hifter mit Führern einiger der wichtigsten Stämme Libyens, damit diese ihm helfen, seine Offensive gegen die Ansar al Scharia und deren Gesinnungsgenossen zu Ende zu führen. Gleichzeitig ist eine unbekannte Anzahl kampferprobter sunnitischer Takfiris aus Libyen, die sich zuletzt an den Bürgerkriegen in Syrien und im Irak beteiligt hatten, auf dem Weg in ihre Heimat, um dort den Dschihad gegen die Hifter-Armee zu unterstützen. Dies berichtete am 16. Juli die in London erscheinende pan-arabische Zeitung Asharq Al Awsat. Mit einer baldigen Besserung der Lage in Libyen ist also nicht zu rechnen.

18. Juli 2014