Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1356: Mossad-Agent in der Hisb-Allah-Führung entdeckt (SB)


Mossad-Agent in der Hisb-Allah-Führung entdeckt

Spionageaffäre belastete die libanesisch-schiitische Miliz



Die Hisb Allah, die stärkste politische Organisation der Schiiten des Libanons, sieht sich derzeit an vielen Fronten gefordert. In Syrien trägt die Hisb-Allah-Miliz zum Erhalt des säkularen Baath-"Regimes" Baschar Al Assads bei und nimmt dabei nicht nur schwere Verluste in den eigenen Reihen, sondern auch die Gefahr einer Ausweitung des Bürgerkrieges im Nachbarland auf den Libanon in Kauf. Um eine Radikalisierung der libanesischen Sunniten in Richtung Islamischen Staat (IS) zu verhindern, gibt es Bemühungen seitens der Hisb Allah und der Future Movement um deren von Saudi-Arabien propagierten Anführer Saad Hariri, ihren jahrelangen politischen Streit beizulegen. Der Dialog zwischen beiden Seiten könnte auf eine stärkere Einbindung der Hisb-Allah-Miliz in die Strukturen der staatlichen libanesischen Streitkräfte hinauslaufen. Aktuell nehmen zudem Vertreter der Hisb Allah, des Iraks, der Regierung sowie der gemäßigten Opposition Syriens an einer diplomatischen Initiative Rußlands, die im kommenden Jahr in eine große Friedenskonferenz für die Region zwischen dem nordöstlichen Mittelmeer und der westlichen Grenze des Irans münden könnte, teil.

Währenddessen sieht sich die Hisb-Allah-Miliz mit dem schwersten Spionagefall ihrer Geschichte konfrontiert. Wie die Jerusalem Post am 16. Dezember, die in Beirut auf Englisch erscheinende Zeitung Daily Star am 19. Dezember und die Washington Post am 20. Dezember berichteten, ist Mohammad Shawraba, zuletzt Leiter der Auslandsspionage bei der Hisb-Allah-Miliz, als Agent des israelischen Mossad enttarnt worden. Demnach wurde der 42jährige Shawraba vor sieben Monaten unter Beobachtung genommen, in deren Verlauf sich der Verdacht der feindlichen Spionagetätigkeit erhärtet haben soll. Vor einem Monat wurden er und vier seiner engsten Mitarbeiter bei der Einheit 910 von der Hisb-Allah-Miliz verhaftet und sollen sich demnächst vor einem Gericht der Organisation verantworten.

Auf Shawrabas Spur sollen dessen Kampfgefährten gekommen sein, nachdem nacheinander fünf Operationen, die als Rache für den tödlichen Bombenanschlag auf den legendären Hisb-Allah-Kommandeur Imad Mughniyeh 2008 in Damaskus gedacht waren, gescheitert waren. Hinter dem spektakulären Anschlag auf Mughniyeh, der Berichten zufolge durch die Explosion einer in der Kopfstütze seines eigenen Autos eingebauten Bombe getötet wurde, wird der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad vermutet. Israel hat sich nicht offiziell zur Liquidierung Mughniyehs bekannt, dennoch haben damals führende Politiker, Militärs und Geheimdienstler des jüdischen Staates große Zufriedenheit und Genugtuung über das Ablebens eines ihrer erbitterten Feinde erkennen lassen. Hisb-Allah-Chef Hassan Nasrallah, der offenbar keine Zweifel über die Urheberschaft des Mughniyeh-Attentats hegt, hatte Israel dafür mit schwerer Vergeltung gedroht.

Es wird vermutet, daß Shawraba auch für zwei weitere Aktionen gegen die Hisb Allah verantwortlich ist - die Erschießung von Hassan Al-Laqqis im Dezember letzten Jahres auf offener Straße in Beirut und die Verhaftung des Hisb-Allah-Mitgliedes Muhammad Amadar in der peruanischen Hauptstadt Lima im vergangenen Oktober. Amadar reiste mit gefälschten Papieren, die ihn als Bürger Sierra Leones auswiesen. Bei Vernehmungen soll er inzwischen seine Hisb-Allah-Mitgliedschaft gestanden haben. Die peruanische Polizei will Sprengstoffspuren in seinem Gepäck sichergestellt haben, weshalb die Staatsanwaltschaft eine Anklageerhebung vorbereitet. Der tödliche Anschlag auf Al-Laqqis war ein heftiger Schlag für die Hisb Allah. Das Gründungsmitglied der Organisation fungierte zuletzt als Leiter der Beschaffungsabteilung und soll eine wichtige Rolle beim Libanon-Krieg 2006 gegen Israel sowie beim Einsatz der Hisb-Allah-Miliz in Syrien gespielt haben. Zu dem Anschlag bekannte sich eine bis dahin unbekannte Gruppe namens Ahrar-al-Sunna-Baalbek-Brigade. Hisb-Allah-Chef Nasrallah hat die Existenz der Gruppe angezweifelt und Saudi-Arabien und Israel als Drahtzieher des Attentats bezeichnet.

Im Daily-Star-Bericht wird Shawraba auch mit der Bombenexplosion, die 2012 in einem Reisebus im bulgarischen Badeort Burgas dem Fahrer und fünf israelischen Touristen das Leben kostete, in Verbindung gebracht. Israel hat damals die Hisb-Allah-Miliz für den Anschlag verantwortlich gemacht. Diese hat jedoch jede Beteiligung von sich gewiesen. In Reaktion auf den Vorfall hat die EU 2013 formell den militärischen Flügel der Hisb Allah zur terroristischen Vereinigung erklärt. Zuvor hatten die bulgarischen Behörden unter anderem auf der Basis israelischer Hinweise zwei mutmaßliche Hisb-Allah-Mitglieder - den Australier Milad Farah und den Kanadier Hassan al-Hajj - als unmittelbare Beteiligte an dem Anschlag bezeichnet. Laut Daily Star, der sich auf eine nicht näher identifizierte "Sicherheitsquelle" beruft, hatte Shawraba die Israelis vorab vor Hisb-Allah-Aktivitäten in Bulgarien gewarnt. Derselben Quelle zufolge ist dann die von Farah transportierte Bombe "innerhalb des Linienbusses frühzeitig explodiert, bevor sie ihr ursprüngliches Ziel erreichte".

20. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang