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NAHOST/1531: Israels Einmischung in den Syrienkrieg nimmt zu (SB)


Israels Einmischung in den Syrienkrieg nimmt zu

In Syrien geraten die Großmächte zunehmend in direkten Konflikt


In Syrien und im Irak ist die "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) langsam aber sicher auf dem Rückzug. Im syrischen Nordosten stehen die von den USA militärisch unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte, die zum größten Teil aus Freiwilligen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), einer Schwesterorganisation der in der Türkei verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) Abdullah Öcalans, bestehen, kurz davor, die Kalifatsanhänger aus ihrer bisherigen Hochburg Rakka zu vertreiben. Im Nordwesten des Iraks haben die irakischen Streitkräfte mit Hilfe amerikanischer Spezialstreitkräfte und der US-Luftwaffe nach monatelangen Kämpfen die Millionenstadt Mossul fast gänzlich vom IS zurückerobert. Doch während sich die IS-Freiwilligen mehr und mehr in den Untergrund zurückziehen, geraten die Großmächte in der Frage der Zukunft Syriens zunehmend in Konflikt.

Vor allem die USA und Israel gönnen der Syrisch-Arabischen Armee (SAA) und deren Verbündeten Rußland, Iran und schiitisch-libanesische Hisb-Allah-Miliz den schwer erkauften Sieg über den IS, die Al-Nusra-Front, Ahrar Al Scham und die anderen dschihadistischen Gruppen nicht. Amerikaner und Israelis verfolgen offenbar die Absicht, das "Regime" Baschar Al Assads an der Verwirklichung seines Ziels, nämlich der Wiedergewinnung der Kontrolle über das gesamte syrische Staatsgebiet, zu hindern. Wie es die in Beirut ansässige Nahost-Expertin Sharmine Narwani in einem am 28. Juni auf der Website der US-Politzeitschrift American Conservative unter der Überschrift "Dispatch From the Middle East: U.S. Buildup All About Iran - Requiring an American wedge between Syria and Iraq" erschienenen Artikel formulierte: "Seit dem Scheitern der Regimewechselpläne machen sich die Kriegsfalken in Washington für eine Aufteilung Syriens in mindestens drei Einflußzonen stark - eine Pufferzone für Israel und Jordanien im Süden, eine pro-amerikanische Entität der Kurden im Nordosten und entlang der Nordgrenze sowie die Kontrolle über die syrisch-irakische Grenze."

In der Türkei sorgt die Zusammenarbeit der USA mit der YPG zunehmend für Verärgerung. Ankara befürchtet die Entstehung eines kurdischen Autonomiegebiets an der türkischen Südgrenze und droht mit militärischen Gegenmaßnahmen. Im Juni hat die SAA mit einer raschen Offensive gen Osten die illegale Schutzzone, welche ein US-Expeditionskorps zuvor bei Al Tanf, nahe dem Länderdreieck Jordanien-Syrien-Irak, eingerichtet hatte, umzingelt. Dort sind aktuell amerikanische und russische Militärkommandeure bemüht, eine gefährliche Eskalationsspirale zu verhindern. Hinter dem Vorstoß der USA bei Al Tanf steckt die Absicht, die logistische Verbindungslinie zwischen dem Iran am Persischen Golf und den von der Hisb Allah kontrollierten Teilen Südlibanons am Mittelmeer zu unterbrechen.

Die Bedrohung durch den Iran und die Hisb-Allah-Miliz zusammen mit dem Wunsch, die im Sechstagekrieg 1967 eroberten Golanhöhen zu behalten, erklärt auch die zunehmende Einmischung Israels in den Syrienkrieg. Seit Beginn des Konflikts vor sechs Jahren ist es immer wieder zu Angriffen der israelischen Luftwaffe gekommen, die seitens der Regierung stets mit der Notwendigkeit einer Unterbrechung iranischer Rüstungslieferungen an die Hisb Allah gerechtfertigt wurden. Gleichzeitig entwickelte sich auch eine nicht ganz heimliche Zusammenarbeit zwischen israelischen Truppen auf den Golanhöhen und Rebellengruppen auf der syrischen Seite der Grenze. Verletzte Aufständische wurden in israelischen Feldlazaretten medizinisch versorgt; UN-Friedenstruppen haben die Übergabe von Rüstungsmaterial immer wieder beobachtet und gemeldet. Am 18. Juni wurde der Nexus zwischen Israel und den Dschihadisten in Syrien durch einen aufsehenerregenden Artikel im Wall Street Journal mit dem Titel "Israel gives secret aid to Syrien rebels" erstmals so richtig publik. Den Angaben des Journals zufolge haben die israelischen Streitkräfte eine Sondereinheit eingerichtet, deren Aufgabe in der Ausbildung, Beratung und Finanzierung der 400 Mann starken Rebellengruppe Foursan Al Dschoulan (Ritter des Golans) besteht.

Mit Hilfe dieser kleinen Stellvertreterarmee will Israel angeblich eine eigene Pufferzone im syrischen Südwesten schaffen. Auf der jüngsten Sicherheitskonferenz Mitte Juni in Herzliya hat Amos Gilead, der Leiter des Israeli Institute for Policy and Strategy (IIPS), die zunehmende Involvierung seines Lands in den Syrienkrieg so begründet: "So wie der IS an Bedeutung verliert, wird sein Platz von einer Allianz aus dem Iran, Hisb Allah und Assad [Syrien] eingenommen, die gerade vor unseren Augen entsteht. Ich nenne sie Hisbollastan und sie stellt für Israel eine stärkere, strategischere Bedrohung dar." General a. D. Gilead warnte vor einem potentiellen Krieg zwischen Israel und dem von Rußland unterstützten "Hisbollastan".

Doch gerade die jüngsten Aktivitäten der israelischen Streitkräfte sind dazu geeignet, ein solches Szenario heraufzubeschwören. Seit Tagen fliegen israelische Kampfjets regelmäßig Angriffe auf Ziele am nördlichen und östlichen Rand der Golanhöhen. Allein am 23. Juni haben die Israelis neun Stellungen der SAA bombardiert, nachdem zuvor infolge von Kämpfen in Syrien Mörsergranaten auf dem von Israel besetzten Teil der Golanhöhen niedergingen. Die Regierung in Damaskus unterstellt Israel, "Querschläger" der Rebellen als willkommenen Anlaß zu nutzen, um sich zugunsten der Aufständischen, darunter auch des Al-Kaida-"Netzwerks", in die Bodenkämpfe einzumischen. Derzeit setzt die SAA den Rebellen im syrischen Südwesten stark zu. Die Gefahr einer direkten Auseinandersetzung zwischen israelischen Bodentruppen und der SAA wächst mit jedem Tag.

1. Juli 2017


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