Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

USA/1197: Israel-Lobby bringt kritischen Nahost-Experten zu Fall (SB)


Israel-Lobby bringt kritischen Nahost-Experten zu Fall

Zionisten setzen sich gegen Geheimdienstveteranen Amerikas durch


In einer drastischen Entwicklung, welche die Macht der Israel-Lobby in Washington eindrucksvoll demonstriert und die Hoffnungen auf eine ausgewogenere Nahost-Politik der USA nach dem Einzug des liberalen Demokraten Barack Obama ins Weiße Haus zunichte macht, hat am Abend des 10. März der erfahrene und in Geheimdienstkreisen hoch angesehene Ex-Diplomat Charles Freeman seine Kandidatur für den Posten des Vorsitzenden des National Intelligence Council (NIC) zurückgenommen. Als Grund nannte Freeman die Diffamierungskampagne der zionistischen Hardliner gegen seine Person. Die Entscheidung des als "Realisten" geltenden Freemans ist nicht nur bedauerlich, sondern auch beunruhigend, denn als NIC-Vorsitzender hätte er großen Einfluß auf die Erstellung der täglichen Geheimdienstbriefings für den Präsidenten sowie der Lageberichte zu speziellen Themen, auch National Intelligence Estimates (NIE) genannt, gehabt. Als Vorsitzender des NIC wäre es Freemann möglich gewesen, die von Israel und dessen Unterstützern in den USA ausgehende Hysterie bezüglich des iranischen Atomprogramms aus der nächsten NIE zum Thema Iran herauszuhalten - was auch vermutlich der Grund war, warum die Verfechter einer aggressiven Haltung gegenüber Teheran partout nicht bereit waren, ihn in dieser Funktion zu dulden.

Als Ende Februar bekannt wurde, daß Admiral Dennis Blair, Obamas Director of National Intelligence (DNI) und damit Koordinator aller 16 US-Geheimdienste, Freeman zum künftigen NIC-Vorsitzenden ernannt hatte, wurde die Personalie von den Befürwortern einer US-Nahost-Politik, die nicht in erster Linie auf die Interessen Israels zugeschnitten ist, als positives Zeichen der Unabhängigkeit der neuen Regierung freudig begrüßt. Der 1943 geborene Freeman, der neben Englisch auch Arabisch, Chinesisch, Französisch und Spanisch spricht, gilt als einer der fähigsten und aufgewecktesten Mitarbeiter, die das US-Außenministerium seit dem Zweiten Weltkrieg hatte. Der Yale- und Harvard-Absolvent hat 1972 mit relativ jungen Jahren als Dolmetscher Richard Nixon auf dessen historischer Reise in die Volksrepublik China und bei der Begegnung mit Mao Tse-tung begleitet. Es folgten Postierungen an den US-Botschaften in Taipeh, Bangkok, Peking und Riad. Unter George Bush sen. und damit während des Golfkrieges gegen den Irak Saddam Husseins war er US-Botschafter in Saudi-Arabien. Von 1993 bis 1994 gehörte Freeman als der für internationale Sicherheitsfragen zuständige Stellvertretende Verteidigungsminister der Regierung Bill Clintons an.

Seit 1997 leitet Freeman den Middle East Policy Council (MEPC), eine Denkfabrik, die sich um eine differenzierte Analyse der Lage im Nahen Osten bemüht. In den letzten Jahren ist Freeman selbst durch kritische Stellungnahmen zur Außenpolitik der USA und Israels aufgefallen. 2002 kritisierte er die Reaktion Washingtons auf die Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 als von "Chauvinismus" bestimmt. Besser wäre gewesen, die Amerikaner hätten sich der Frage gewidmet, ob die Politik ihrer eigenen Regierung den Menschen im Nahen Osten Anlaß zu Gewaltaktionen gegeben habe, so Freeman. 2006 kritisierte er die Gewaltanwendung der israelischen Streitkräfte im Libanon-Krieg gegen die Hisb Allah als unverhältnismäßig. Im selben Jahr veröffentlichte er auf der MEPC-Webseite den berühmten Essay John Mearsheimers und Stephen Walts über den übermäßigen, negativen Einfluß der Israel-Lobby in Washington und lobte in einem Gastkommentar für das Wall Street Journal die beiden Akademiker für ihren Mut, eine unbotmäßige Wahrheit doch noch ausgesprochen zu haben.

Freeman gilt als Kritiker des Irakkrieges und der Bemühungen bestimmter Kreise in den USA, die Volksrepublik China zur kommenden großen Bedrohung aufzubauschen. Er plädiert für mehr Diplomatie und weniger Militär und macht kein Geheimnis aus seiner Ablehnung der Art und Weise, wie Israel mit den Palästinensern umgeht. Zwar sind das keine Minderheitenpositionen in der US-Bevölkerung, im Kongreß sowie in den zahlreichen Denkfabriken in Washington sehr wohl. Folglich haben diejenigen, die sich im Kongreß und den US-Medien für eine militaristische Politik der USA an der Seite Israels stark machen, eine beispiellose Hetzkampagne gestartet, um Freeman selbst oder die Obama-Regierung zur Rücknahme der Nominierung zu veranlassen. Man warf Freeman vor, mit den "Regimen" Saudi-Arabiens und Chinas zu sehr befreundet zu sein und Israel gegenüber eine zu kritische, wenn nicht sogar feindliche Position einzunehmen. Im Kongreß drohten israelfreundliche Demokraten und Republikaner damit, das Leben des neuen NIC-Vorsitzenden zur Hölle zu machen.

Wiewohl DNI Admiral Blair sich bis zuletzt für Freeman eingesetzt hat, blieb jegliches Wort der Unterstützung aus dem Weißen Haus aus. Nicht zuletzt dieser Umstand hat Freeman bewogen, auf die Kandidatur zu verzichten. Gleichwohl hat er in einer am 10. März veröffentlichten Erklärung gegen seine Gegner gewettert und diese unumwunden als "skrupellose Leute, die leidenschaftlich die Ansichten einer politischen Fraktion in einem ausländischen Staat" - gemeint ist Israel - "vertreten". Freeman nutzte auch die Gelegenheit, um Zweifel zu äußern, ob die Obama-Regierung und mit ihr die USA in der Lage sein würden, eine unabhängige Nahost-Politik zu betreiben, solange in Washington die Israel-Lobby das Sagen hat.

Besonders bezeichnend am Sieg der Zionisten in diesem Fall ist die Tatsache, daß die erfolgreiche Diffamierungskampagne gegen Freeman von niemand anderem als Steve Rosen angeführt wurde, der seit 2005 zusammen mit Keith Weisman, seinem ehemaligen Kollegen bei der mächtigen Lobbygruppe American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), unter mehrfacher Anklage wegen Spionage für Tel Aviv steht. 2006 wurde Rosen und Weissmans Maulwurf im Pentagon, Larry Franklin, seinerseits Iran-Referent im Verteidigungsministerium, zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Rosen und Weissman werden verdächtigt, über Franklin versucht zu haben, die Analyse der US-Geheimdienste bezüglich der vom Iran ausgehenden Bedrohung zum Nachteil Teherans auszulegen. Die Rolle Rosens beim Feldzug gegen Freeman läßt erkennen, wie wichtig die nächste NIE zum Thema Iran und dessen Atomprogramm, die über Krieg und Frieden entscheiden könnte, bestimmten Kreisen in Israel und ihren Gesinnungsgenossen in den USA ist.

11. März 2009