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USA/1267: Militaristen drängen auf Konfrontation mit dem Iran (SB)


Militaristen drängen auf Konfrontation mit dem Iran

Republikaner fordern den Kriegspräsidenten in Obama heraus


Derzeit versuchen die Regierungen Barack Obamas und Mahmud Ahmadinedschads - wie zaghaft, distanziert und unbeholfen auch immer - eine gemeinsame Lösung des Streits um das iranische Atomprogramm zu finden. In den nächsten Wochen sollen sich zu diesem Thema die Vertreter des Irans mit denen der P5+1 - den fünf ständigen (Permanent) Mitgliedsländern im UN-Sicherheitsrat, China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, die USA plus Deutschland - entweder in Genf, Wien oder Istanbul treffen. Nach ihren Erfolgen bei den Zwischenwahlen zum Kongreß drängen jedoch die US-Republikaner auf Konfrontation. Sie verlangen von Obama, daß er dem Iran ein Ultimatum stellt und, sollte er nicht innerhalb kürzester Zeit einlenken, das Land militärisch angreift.

Noch am Sonntag vor den Vorwahlen am 2. November hatte David Broder mit dem dreisten Vorschlag in seiner Kolumne in der Washington Post, Obama sollte einen Krieg gegen den Iran anzetteln, um die amerikanische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und die eigene Wiederwahl 2012 zu sichern, für Aufsehen gesorgt. Während linksliberale Kommentatoren die Anregung als Anzeichen eines moralischen Verfalls der außenpolitischen Elite der USA deuteten, fiel sie bei den Republikanern offenbar auf fruchtbaren Boden. Bei einem Auftritt am 6. November auf einer internationalen Sicherheitskonferenz in Halifax, im kanadischen Neufundland, hat Lindsey Graham, republikanischer Senator aus South Carolina, den seit dem Sturz des Schahs 1979 bis heute gehegten Traum von Amerikas Kriegstreibern - Sturz der "Mullahkratie" in Teheran - offen beschworen. In einer ersten Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press vom selben Tag hieß es, Graham habe mit seinen markigen Sprüchen "viele Teilnehmer des Halifax International Security Forum schockiert".

Graham ist Reserveoffizier der US-Luftwaffe - Militäranwalt - und hat in den letzten Jahren während der parlamentarischen Ferien in Washington sowohl im Irak als auch in Afghanistan gedient. Er nahm an der Sicherheitskonferenz in Halifax unter anderem deshalb teil, weil er im US-Senat Mitglied sowohl des Ausschusses für Verteidigung als auch desjenigen für Heimatschutz ist. Letzterer Aspekt ist nicht unwichtig. Schließlich werfen die meisten Republikaner und konservativen Demokraten den Iranern vor, nicht allein Hisb Allah und Hamas in ihrer Ablehnung der Existenz des Staates Israel den Rücken zu stärken, sondern auch noch Aufständische im Irak und Afghanistan im Kampf gegen die US-Streitkräfte zu unterstützen. Für sie stellt das iranische Atomprogramm eine so große Bedrohung dar, weil der Iran nicht nur Israel eventuell mit Nuklearwaffen angreifen, sondern diese sogar "Terroristen" zur Verfügung stellen könnte. Daraus leitet sich eine inakzeptable Bedrohung der USA ab, die derjenigen gleichkommt, wegen der Obamas republikanischer Vorgänger George W. Bush 2003 den Befehl zum Einmarsch in den Irak erteilte.

In Halifax warf Graham die Frage auf, was man in einem jahr tun sollte, sollte Teheran trotz der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen den Iran verhängten, wirtschaftlichen Sanktionen im Atomstreit nicht klein beigeben. Den "Freunden in Israel" - damit war unter anderem der im Saal ebenfalls anwesende, israelische Verteidigungsminister Ehud Barak gemeint - sei es nicht zuzumuten, daß sie weiterhin tatenlos zusähen, während die Iraner weiterhin an ihrem Atomprogramm, hinter dem Washington und Tel Aviv geheime Nuklearwaffenforschung vermuten, arbeiteten, so Graham. Deshalb schlug der Südstaaten-Senator vor, Obama sollte gegenüber Teheran die Drohkulisse nach schärfer als bisher zeichnen und, verhielten sich die Iraner weiterhin uneinsichtig, das Land angreifen lassen. Graham beschrieb seine Vorstellung der dabei anzuwendenden "militärischen Gewalt" wie folgt. Man müsse nicht nur die iranischen "Nuklearanlagen", die "wahrscheinlich" in gehärteten Bunkern "überall verteilt" seien, "neutralisieren", sondern "ihre Marine versenken, ihre Luftwaffe zerstören und den Revolutionsgarden einen entscheidenden Schlag versetzen. Mit anderen Worten, das Regime kastrieren; ihre Fähigkeit, Widerstand zu leisten, vernichten" - damit eine washingtonfreundliche Regierung in Teheran an die Macht komme. Graham versprach Obama starke Unterstützung der Republikaner im Kongreß, sollte er gegenüber dem Iran einen harten Kurs einschlagen.

Wie Justin Raimondo am 8. November bei Antiwar.com überzeugend erläuterte, geht Grahams betonte Machopose in Sachen nationaler Sicherheit auf die Angst zurück, die innerrepublikanische Konkurrenz seitens der reaktionären Tea-Party-Bewegung könnte ihm demnächst seinen Senatssitz in Washington kosten. Doch das Denken in sicherheitspolitischen Kategorien ist kein alleiniges Merkmal der Grand 'Ol Party (GOP), sondern bei den Demokraten genauso vorhanden. Dies zeigt sich an den haarsträubenden Äußerungen, die der PR-Experte Mark Penn am 4. November bei einem Auftritt in der MSNBC-Politsendung "Hardball" von sich gegeben hat. Penn ist Vorstandsvorsitzender von Burson-Marsteller, einem der größten PR-Unternehmen der Welt mit Sitz in New York. 2008 hat er als Chefstratege die letztlich erfolglose Kampagne Hillary Clintons um die US-Präsidentschaft geleitet und war damit für jenen berühmten Werbespot verantwortlich, der die Botschaft enthielt: Wenn im Krisenfall nachts um drei Uhr das Telefon im Weißen Haus klingele, sollte man sich wünschen, daß die ehemalige First Lady diejenige ist, die ihn entgegennimmt und die richtige Entscheidung trifft.

Penn gilt als Vertreter der Ansicht, die Demokraten könnten sich in der "Post-9/11-Welt" politisch nur behaupten, wenn sie sich in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik genauso aggressiv wie die Republikaner gebärdeten. Von daher war seine Antwort in der Fernsehsendung Hardball, was Obama nach den von den Demokraten haushoch verlorenen Zwischenwahlen tun müsse, um 2012 als Präsident wiedergewählt zu werden, nur logisch, wenn auch höchst bedenklich. Penn verglich die derzeit niedrige Zustimmungsrate Obamas in den Umfragen mit denen Bill Clintons im Frühjahr 1995, nachdem bei den Zwischenwahlen im November davor die Republikaner unter Newt Gingrich den Demokraten eine ähnlich schwere Niederlage wie in diesem Jahr beigebracht hatten. Der Schlüssel für Clintons Aufstieg aus dem damaligen Stimmungstief und die Wiederwahl ein Jahr später war aus Sicht Penns der Bombenanschlag auf das Alfred-P.-Murrah-Bundesgebäude in Oklahoma City, der am 19. April 1995 168 Menschen das Leben kostete und bis dahin der schwerste "Terrorangriff" in der Geschichte der Vereinigten Staaten war. Nach Angaben von Penn hat Clinton erst durch seine damalige Rede in Reaktion auf den Anschlag den Platz als Vater der Nation erobern können. Aus dem Vergleich Obama-Clinton zog Penn die Schlußfolgerung, "Und der Präsident wirkt derzeit etwas distanziert. ... Obama braucht eine ähnliche - eine ähnliche Art von ... Yeah." Auch wenn der PR-Stratege seinen Satz nicht zu Ende ausführte, ist der dahinterliegende Gedanke leicht zu erraten.

10. November 2010