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USA/1313: Hysterie um den Iran und die Hisb Allah reißt nicht ab (SB)


Hysterie um den Iran und die Hisb Allah reißt nicht ab

Panetta und das FBI beschwören die schiitische Bedrohung



Der Sturz des Schahs 1979, die kurz darauf erfolgte 444tägige Geiselnahme der amerikanischen Botschaftsangehörigen sowie die verheerenden Bombenanschläge 1983 auf einen Stützpunkt der Marines und die amerikanische Botschaft in Beirut, liegen inzwischen rund vier Jahrzehnte zurück. Nichtsdestotrotz gelten aus Sicht von Politik und Medien in den USA der "Schurkenstaat" Iran und die mit ihm verbündete schiitisch-libanesische Hisb-Allah-Miliz immer noch als übergroße Bedrohung der nationalen Sicherheit Amerikas. Während sich die USA in den vergangenen Jahren der Buhmänner Saddam Hussein, Osama Bin Laden und Muammar Gaddhafi entledigen konnten, halten Hisb Allah und die Islamische Republik weiterhin an ihrer Gegnerschaft zur amerikanisch-israelischen Hegemonie über den Nahen Osten fest.

Darum hat die Supermacht USA die Schmach durch den Verlust des Schah-Regimes im Iran und den erzwungenen Rückzug der Marines aus dem Libanon bis heute nicht verwinden können. Nicht zufällig wird Teheran andauernd vom Pentagon aufgrund dürftigster Beweise für die Unterstützung der Aufständischen in Afghanistan und im Irak zur "Schaltzentrale" des "internationalen Terrorismus" hochstilisiert. Im September 2002, gerade ein Jahr nach den dem Al-Kaida-"Netzwerk" Bin Ladens zugerechneten Flugzeuganschlägen, hat sogar der damalige Stellvertretende US-Außenminister Richard Armitage, selbst ein ehemaliger Marineinfanterist mit Vietnamkriegserfahrung, die Hisb-Allah-Miliz zum "A-Team" des "Terrorismus" erklärt und von deren "Blutschuld" gesprochen, die Amerika über kurz oder lang begleichen würde.

Seit Jahren geistern die haarsträubendsten Geschichten darüber herum, wie Hisb Allah und der Iran Lateinamerika zum "terroristischen" Brückenkopf ausbauen. Gemeinsam und/oder getrennt würden sie "Schläfer", die sich als illegale Arbeitsmigranten tarnten, über die mexikanische Grenze in die USA schleusen und nebenbei die mexikanischen Drogenkartelle, kolumbianischen FARC-Rebellen und die venezolanischen Streitkräfte im Bombenbau unterrichten. So wird dem Durchschnittsnachrichtenkonsumenten in den USA seit Jahren eingebleut, daß die Handlanger Hassan Nasrallahs und Mahmud Ahmadinedschads im Länderdreieck zwischen Argentinien, Brasilien und Uruguay einen Umschlagsplatz für illegale Drogen und Waffen eingerichtet hätten. Im vergangenen Jahr hat das FBI der Welt wenig erfolgreich weiszumachen versucht, die Iranischen Revolutionsgarden hätten über einen, dem Alkohol zugeneigten Gebrauchtwagenhändler in Texas die mexikanische Drogenmafia mit einem Attentat auf den saudischen Botschafter in Washington beauftragt, während im Kampf um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner die erzkonservative Kongreßabgeordnete aus Minnesota, Michelle Bachmann, von Hisb-Allah-Raketen auf Kuba - und damit wenige Seemeilen von Florida entfernt - fabulierte.

Damit die Posse am Leben bleibt, muß sie ständig mit neuen "Erkenntnissen" seitens des US-Sicherheitsapparats ausstaffiert werden. Diese Aufgabe haben in den vergangenen Tagen US-Verteidigungsminister Leon Panetta und das FBI in Michigan übernommen. Wie die elektronische Zeitung The Hill, deren Spezialinteresse dem politischen Geschehen rund um den Kongreß in Washington gilt, am 25. April berichtete, hatte der ehemalige CIA-Chef zwei Tage zuvor auf einer Lateinamerikareise, im konkreten Fall beim Besuch in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota, die angeblich südlich des Rio Grandes schlummernde, iranische "Gefahr" groß an die Wand gemalt. Dem Zitat bei The Hill zufolge verlieh Panetta den Bemühungen des Irans um einen Ausbau seiner diplomatischen, militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den Staaten Südamerikas die negativste aller Umdeutungen:

Wir sorgen uns ständig insbesondere wegen der [iranischen Revolutionsgarden] und [deren] Bemühungen ... ihren Einfluß nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in [Südamerika] auszubauen. ... Nach meinem Dafürhalten hängt das mit der Ausweitung des Terrorismus zusammen. Und das ist eines der Felder, denke ich, wo wir uns alle Sorgen machen.

Ob Panetta sein "Dafürhalten" mit irgendwelchen harten Fakten untermauerte, geht nicht aus dem Hill-Artikel hervor. Vermutlich hat er es nicht, denn dort wird auf General Douglas Fraser, den Oberbefehlshaber des US-Südkommandos, verwiesen, der bei seinem Auftritt am 13. März vor dem verteidigungspolitischen Ausschuß des Senats in Washington ganz nebulös von einer Verwicklung der Hisb Allah und der palästinensischen Hamas in den lateinamerikanischen Drogen- und Waffenschmuggel schwadroniert hatte, mittels dessen die beiden Gruppen angeblich die Finanzierung künftiger "Terroranschläge" sichern wollten. In einem kritischeren Artikel, der am 24. April bei antiwar.com erschienen war, hat sich John Glaser über die "Paranoia" Panettas lustig gemacht und an den nach Ländern unterteilten "Terrorbericht" des Außenministeriums vom August 2010 erinnert. Dort hatten die zuständigen Experten im State Department Hillary Clintons schwarz auf weiß festgestellt: "Die Gefahr eines transnationalen Terroranschlages in der westlichen Hemisphäre blieb niedrig ... Es gab in der Hemisphäre keine bekannten operierenden Zellen von Gruppen mit Verbindungen zu Al Kaida oder Hisb Allah." An diesem Zustand dürfte sich in der Zwischenzeit nicht allzuviel geändert haben.

Bei einem Auftritt am 25. April im Jewish Community Center im Detroiter Stadtteil West Bloomfield hat FBI Assistant Special Agent Todd Mayberry, Leiter der Abteilung Terrorabwehr bei der US-Bundespolizei in Michigan, vor der Bedrohung durch Hisb Allah eindringlich gewarnt. Über die Äußerungen Mayberrys berichtete am selben Tag in ihrer Onlineausgabe die Detroit Free Press. Wenngleich der FBI-Spezialagent einräumen mußte, daß es keine einzige bekannte Hisb-Allah-Zelle im Bundesstaat Michigan gibt, hat ihn dies nicht daran gehindert zu behaupten, daß die schiitische Miliz gefährlicher als Al Kaida sei - obwohl diese vor 11 Jahren das US-Militär und sämtliche US-Geheimdienste überlistet und 3000 Menschen ermordet haben soll. In Michigan leben nicht wenige Einwanderer aus dem Libanon. Folglich schürte Mayberry unter seinem überwiegend jüdischen Publikum die ominöse Angst vor ausflippenden arabischen oder persischen Mitbürgern, sollte der aktuelle "Atomstreit" mit dem Iran zu einem israelischen Überraschungsangriff auf die iranischen Nuklearanlagen führen. "Sollte irgend etwas im Iran passieren, würden sie die Samthandschuhe ausziehen. Was würden ihre Ziele sein?"

Man kann nur hoffen, daß die nächste Runde der internationalen Verhandlungen im "Atomstreit", die Ende Mai in Bagdad zwischen Vertretern des Iran, der USA, Chinas, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands stattfinden, zu einer Entspannung führen, die es Teheran und Washington in der Folge erlauben, das Kriegsbeil endlich zu begraben. Dann könnte vielleicht diese blödsinnige Dauerbeschwörung einer vom Iran und der Hisb Allah für die "freie Welt" ausgehenden Bedrohung ebenfalls ein Ende finden.

27.‍ ‍April 2012