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USA/1345: Verfassungskrise um CIA-Ausspähung des Senats (SB)


Verfassungskrise um CIA-Ausspähung des Senats

Senatorin Feinstein macht CIA-Chef Brennan zur politischen Leiche



Am 11. März hat der Skandal um die Ausspähung des Geheimdienstausschusses des Senats durch die Central Intelligence Agency (CIA) wegen des laufenden Streits um die Aufarbeitung der Folter-Vorwürfe gegen die frühere Regierung von George W. Bush die Form einer Verfassungskrise angenommen. An jenem Tag hat Dianne Feinstein, die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, eine erstaunliche Erklärung abgegeben, in der sie einerseits die Hintergründe des Skandals umfassend beleuchtete, andererseits die CIA bezichtigte, die Kontrollfunktion des Kongresses mißachtet, dessen Mitarbeiter ausspioniert und eingeschüchtert und damit gegen die in der Verfassung vorgeschriebene Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative verstoßen zu haben. Um ihrer Erklärung mehr Gewicht zu verleihen und sich selbst vor rechtlichen Einwänden zu schützen, sie mache vertrauliche Interna des Sicherheitsapparats publik, hat die Demokratin aus Kalifornien sie nicht auf einer Pressekonferenz, sondern vom Rednerpult des Oberhauses des US-Parlamentes aus abgegeben. Besonders die vernichtende Kritik der eher als Schutzherrin der Geheimdienste bekannten Feinstein an die Adresse von John Brennan, dürfte dessen baldiges Aus als CIA-Chef bedeuten.

Kurz nach der Einführung Barack Obamas als US-Präsident Anfang 2009 haben sich die Senatsleitung und der damalige CIA-Direktor Leon Panetta auf ein Verfahren geeinigt, wie der Geheimdienstausschuß den Folterkomplex aufarbeiten könnte. Weil der Auslandsgeheimdienst das relevante, hochbrisante Datenmaterial nicht aus der Hand geben wollte, wurde eine Sonderstelle außerhalb des CIA-Hauptquartiers in Langley, im Norden des Bundesstaats Virginia, unweit der Hauptstadt Washington D. C., eingerichtet, wo Ausschußmitarbeiter über ein von der Außenwelt abgeschirmtes Computernetzwerk Einblick in die mehr als 6,2 Millionen Dokumentenseiten nehmen, zwecks Bearbeitung ausgewählte Textstellen ausdrucken und in einem Tresor deponieren oder auf Laptops vor Ort kopieren konnten. Jedes Dokument, das die Ausschußmitarbeiter einsehen wollten, mußte vor der Übergabe von den Angestellten einer Sicherheitsfirma überprüft werden, die im Auftrag der CIA die gesamte Anlage betrieb.

Im Verlauf ihrer Nachforschungen sind die Senatsmitarbeiter auf viele unangenehme Einzelheiten über das nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 ins Leben gerufene Folterprogramm der CIA gestoßen. Sie stellten vor allem fest, daß es im Umfang und in der Brutalität der angewandten Methoden viel weiter ging, als die Bush-Regierung 2006 nach der Bekanntmachung seiner Existenz gegenüber dem Geheimdienstausschuß zugegeben hatte und daß die durch "verschärfte Vernehmungspraktiken" gewonnenen "Erkenntnisse" entgegen anderslautender Behauptungen nicht nennenswert zur nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten beigetragen hatten. Dies hielten die Senatsmitarbeiter in jenem 6.300seitigen Untersuchungsbericht fest, den sie Ende 2012 erstellt haben und dessen Veröffentlichung in zusammengefaßter Form seitdem von der CIA blockiert wird.

Im Juni 2013 hat Brennan dem Geheimdienstausschuß eine eigene Erwiderung vorgelegt, in der er vielen der im Untersuchungsbericht enthaltenen Befunde und Schlußfolgerungen widerspricht. Hierbei hat der CIA-Chef nicht nur die eigene Institution, sondern auch sich selbst in Schutz genommen. Als stellvertretender CIA-Direktor an der Seite George Tenets von 2001 bis 2003 und als Antiterrorkoordinator der Bush-Administration von 2003 bis 2005 stand Brennan dem Programm zur Verschleppung und Folter mutmaßlicher Al-Kaida-Aktivisten vor, dirigierte die unmittelbar Beteiligten und leitete deren "Erkenntnisse" an das Weiße Haus, die CIA, das Pentagon, das FBI, das Heimatschutzministerium und zahlreiche andere Behörden weiter. 2009 verzichtete Obama darauf, Brennan als neuen CIA-Direktor vorzuschlagen, weil er wußte, daß die Nominierung im Senat an der Folter-Kontroverse scheitern würde. Statt dessen wurde Brennan Berater des Präsidenten in Sachen Heimatschutz und koordinierte in dieser Funktion vier Jahre lang für Obama die CIA-Drohnenangriffe im Ausland. Erst im März 2013, infolge des Rücktritts von David Petraeus wegen einer außerehelichen Affäre, avancierte Brennan zum Chef des US-Auslandsgeheimdienstes.

Jedenfalls hat Brennans Replik auf den Untersuchungsbericht Feinstein und die anderen Mitglieder im Geheimdienstausschuß des Senats nicht besonders überzeugt. Dafür gab es einen gewichtigen Grund. 2010 hatten die Senatsmitarbeiter im Dokumentenberg eine vorläufige Studie des damaligen CIA-Direktors Leon Panetta gefunden, in der dieser vielfach zu denselben kritischen Schlußfolgerungen gekommen war, die sie später in ihrem Bericht auflisten sollten. Aus Angst die CIA könnte die geheime, niemals publik gewordene Panetta-Studie vom Rechnernetzwerk in der Sonderdienststelle löschen - so etwas war 2010 bereits zweimal passiert -, haben die Senatsmitarbeiter sie heimlich auf einen privaten Datenträger kopiert und quasi nach Washington geschmuggelt. Dort wurde sie in jenem abhörsicheren Bereich deponiert, den die Senatoren für Anhörungen und Beratungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit benutzen.

Im Januar 2014 hat Feinstein Brennan schriftlich darum gebeten, ihr die Widersprüche zwischen seiner Replik und der Panetta-Studie zu erklären. (Bis heute ist er der Aufforderung nicht nachgekommen). Seitdem herrscht Eiszeit zwischen CIA und Senat. Der Leiter der Rechtsabteilung bei der CIA - der General Counsel - hat die Mitarbeiter des Geheimdienstausschusses wegen Verstoßes gegen die staatlichen Geheimhaltungsregeln beim Justizministerium angezeigt und um Ermittlungen gebeten. Seinerseits hat der Senatsausschuß beim Justizministerium Beschwerde gegen die Überwachung der Computer in der Sonderdienststelle, die Löschung von Daten und die Behinderung der Arbeit der Legislative durch die CIA eingelegt. Ein baldiges Ende des erbitterten Streits ist also vorerst nicht in Sicht, wenngleich man bereits jetzt prognostizieren kann, daß Brennan in nicht allzu ferner Zukunft wohl seinen Stuhl räumen muß.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Identität des CIA General Counsel, des leitenden Anwalts des US-Auslandsgeheimdienstes. Presseberichten zufolge handelt es sich um denselben Juristen, Robert Eatinger, der von 2004 bis 2009 für die rechtlichen Aspekte des Folter- und Verschleppungsprogramms der CIA zuständig gewesen ist und deshalb laut Feinstein im Senatsbericht mehr als 1600 Mal erwähnt wird. Eatinger ist auch derjenige, der am 9. November 2005 den damaligen Leiter der CIA-Abteilung für Sonderoperationen, Jose Rodriguez, zur Vernichtung der Videoaufzeichnungen der Folter von Khalid Scheich Mohammed und anderen mutmaßlichen Hintermännern der 9/11-Anschläge veranlaßte. Nur sechs Tage zuvor hatte Leonie Brinkema, Richterin am Gericht in Alexandria, Virginia, die Aushändigung allen im staatlichen Besitz befindlichen Materials angeordnet, das zur Entlastung von Zacarias Moussaoui, dem sogenannten "20. Hijacker", beitragen könnte. Dieser bemerkenswerte Umstand hat den Verdacht aufkommen lassen, daß die Beseitigung jener Videoaufzeichnungen, deren Existenz die CIA 2003 und 2004 sogar der "unabhängigen" 9/11-Kommission verheimlicht hatte, der Vertuschung einiger Aspekte des Tages, "der die Welt veränderte" (O-Ton George W. Bush), diente.

13. März 2014