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USA/1354: Barack Obama verliert zusehends an Einfluß und Macht (SB)


Barack Obama verliert zusehends an Einfluß und Macht

Amerikas erster schwarzer Präsident enttäuscht auf ganzer Linie



Nach sechs von acht Jahren im Weißen Haus ist der Demokrat Barack Obama zu dem geworden, was man in den USA einen Lahme-Ente-Präsidenten nennt. Bei den Zwischenwahlen zum Kongreß Anfang November haben die Republikaner die Mehrheit im Senat erobert und kontrollieren nun zusammen mit dem Repräsentantenhaus beide Häuser des Kongresses. Der Vormarsch der Republikaner ist auf deren konsequente Blockadehaltung zurückzuführen, mit der sie seit der Amtseinführung Obamas im Januar 2009 alle Initiativen des Staatsoberhaupts - sei es die Schließung des Sonderinternierungslagers Guantánamo Bay auf Kuba oder die große Reform des Gesundheitssystems - verhindert respektive verschleppt haben. Statt die überwältigende Mehrheit zu mobilisieren, die ihm 2008 den Sieg bei der Präsidentenwahl gegen John McCain bescherte, hat sich Amerikas erster schwarzer Präsident sechs Jahre lang vergeblich um Kompromisse mit der republikanischen Opposition bemüht. Doch das hat die Gegner nur gestärkt und Obamas eigene Anhängerschaft entmutigt.

Ein Vergleich veranschaulicht die traurige Entwicklung. Zeichnete sich die Präsidentenwahl 2008 durch eine ungewöhnlich rege Bürgerbeteiligung von rund 60 Prozent der Wahlberechtigten aus, so gaben bei den Zwischenwahlen im vergangenen Monat nur rund 40 Prozent ihre Stimme ab. Der Rückgang fand hauptsächlich bei den demokratischen Wählern statt, die sich aus Enttäuschung von Obama abwandten und so den Republikanern zu ihren zahlreichen Siegen in Senat und Repräsentantenhaus sowie bei den Gouverneurs- und Kongreßwahlen in den einzelnen Bundesstaaten verhalfen.

Nichts verdeutlicht die große Diskrepanz zwischen den Hoffnungen, die Obamas Wahlkampagne in den Jahren 2007 und 2008 mit dem Versprechen nach "Wandel" geweckt hat, und der unveränderten Realität in den USA mehr als die aktuellen Proteste gegen rassistisch-motivierte Gewalt seitens weißer Polizisten gegen schwarze Bürger. Amerikas Schwarze merken bis heute nichts von der "post-rassistischen Gesellschaft", welche die Massenmedien bei der Amtseinführung Obamas beschwört haben. Im Schnitt werden in den USA zwei Schwarze pro Woche von der Polizei erschossen. Die Entscheidungen zweier Grand Juries in Missouri und New York der letzten Tagen, keine Anklage gegen die Polizisten Darren Wilson - wegen der Erschießung des 18jährigen Michael Brown im August in Ferguson - respektive Daniel Pantaleo - wegen der Anwendung eines illegalen Würgegriffs, der bei der Festnahme des sechsmaligen Familienvaters Eric Garner im Juli dessen Erstickungstod herbeiführte, zu erheben, haben zu landesweiten Protesten geführt, die bisher nicht abreißen.

Parallel dazu erlebt der weiße Rassismus, wenn auch etwas verdeckt, wieder Hochkonjunktur. In Ferguson und in St. Louis, der Hauptstadt von Missouri, sehen sich die schwarzen Demonstranten nicht nur mit einer stark militarisierten Polizei, sondern mit einer schwerbewaffneten, freiwilligen Milizentruppe namens Oath Keepers konfrontiert, deren Mitglieder mit überwältigender Mehrheit weiß sind und sich hauptsächlich aus ehemaligen Soldaten mit Kriegserfahrung, Ex-Polizisten, Wachmännern und Mitarbeitern privater Sicherheitsdienste rekrutieren. Als am 3. Dezember die Entscheidung bekannt wurde, keinen Prozeß im Fall Eric Garners einzuleiten, und Empörung unter Amerikas Schwarzen und Liberalen auslöste, verhöhnte der reaktionäre republikanische Kongreßabgeordnete Peter King aus New York das Opfer bei einem Auftritt im US-Fernsehen mit der Behauptung, dessen eigenes Übergewicht und nicht der Würgegriff des Polizeibeamten Pantaleo sei die eigentliche Todesursache gewesen.

Ähnlich zynisch äußerte sich am selben Nachmittag der New Yorker Polizeipräsident Bill Bratton. Auf die für den Abend zu erwartenden Protestaktionen angesprochen, erklärte Bratton, der bei den Schwarzen in Gotham City wegen der überproportional gegen sie angewandten Anhalten-und-Abtasten-Maßnahme der Polizei verhaßt ist, seine Beamten würden den Demonstranten ausreichende "Luft zum Atmen" gewähren, solange sie sich an die Gesetze und alle behördlichen Anweisungen hielten. Die Formulierung Brattons war klar als spöttische Anspielung auf Garners Todesumstände zu verstehen, dessen letzte Worte, als er auf dem Boden im Würgegriff Pantaleos lag, die verzweifelte, elfmalige Wiederholung "Ich kann nicht atmen" lauteten.

Das skandalös herablassende Benehmen von King und Bratton macht auch Schule. So war am zweiten Abend der Proteste in New York bei einer Live-Berichterstattung hinter der Korrespondentin vor Ort ein weißes Pärchen zu sehen, bei dem der Mann den Arm um den Hals seiner Partnerin legt und beide lachend vor der Kamera so taten, als erwürge er sie. Angesichts derlei Provokationen wirken die Handlungen Obamas, eine Gruppe schwarzer Bürgerrechtler im Weißen Haus zu empfangen und die Ausstattung aller Polizisten mit Kameras anzuordnen, die sie im Einsatz am Körper tragen sollen, vollkommen hilflos, wenn nicht sogar lachhaft. Schließlich wurde die tödlich endende Verhaftung Eric Garners vor einem Bahnhof in Staten Island von einem Passanten per Mobiltelefon in allen schrecklichen Einzelheiten festgehalten und die Videoaufnahme der Grand Jury vorgelegt, ohne daß dies etwas genützt hätte.

Auch außenpolitisch liegt bei der Obama-Regierung alles im argen. Zwei Wochen nach den Zwischenwahlen hat der Präsident nach Leon Panetta und Robert Gates mit Chuck Hagel bereits seinen dritten Verteidigungsminister nach nur eineinhalb Amtsjahren entlassen. Über die Gründe für dem Rausschmiß Hagels wird gemunkelt, der Vietnamkriegsveteran habe in der Syrien- und Ukraine-Politik zu sehr die Scharfmacher in der Administration, wie die Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice und und die UN-Botschafterin Samantha Power, gebremst. Als Nachfolger Hagels wird Ashton Carter gehandelt, der als Kriegsfalke unter den US-Demokraten gilt und zum Beispiel 2006 in einem Gastbeitrag für die Washington Post die Regierung George W. Bush zu präemptiven Angriffen auf Nordkorea wegen dessen Aktivitäten im Bereich Langstreckenraketen und Atomwaffen aufforderte.

Es wird erwartet, daß die Nominierung Carters bei der republikanischen Mehrheit im Kongreß auf große Zustimmung stoßen wird. Dort bereiten sich die Anhänger des alleinigen Führungsanspruchs der USA auf der internationalen Ebene bereits jetzt auf eine schärfere Gangart gegenüber allen tatsächlichen oder potentiellen Gegnern vor. So hat das Repräsentantenhaus am 4. Dezember mit überwältigender Mehrheit ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das Rußland die alleinige Verantwortung für die Krise in der Ukraine anlastet und neue Sanktionen gegen Moskau sowie verstärkte Militärhilfe für Kiew vorsieht. Darüber hinaus drängen die Republikaner im Kongreß, angeführt von John McCain und unterstützt durch die einseitige Berichterstattung der New York Times und der Washington Post, auf eine Beendigung der Verhandlungen zur Beilegung des "Atomstreits" mit dem Iran sowie auf eine direkte Militärintervention der USA in Syrien, um endlich das "Regime" Baschar Al Assads zu beseitigen. Es ist nicht zu erwarten, daß Obama derlei Bestrebungen allzuviel entgegensetzen wird.

5. Dezember 2014