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USA/1356: Bericht zur CIA-Folter wirft Fragen zu 9/11 wieder auf (SB)


Bericht zur CIA-Folter wirft Fragen zu 9/11 wieder auf

Dienstältester Senator Levin wirft CIA-Chef Brennan Vertuschung vor



Die mit der Veröffentlichung eines niederschmetternden Berichts des US-Senats am 9. Dezember neu ausgebrochene Debatte um die Folter von 119 "Terrorverdächtigen" durch die CIA nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 hat alte Fragen hinsichtlich des "Tages, der die Welt veränderte" - O-Ton George W. Bush - aufgeworfen. Aus dem Bericht des Geheimdienstausschusses selbst, einer ähnlichen Studie des Verteidigungsausschusses des Senats aus dem Jahr 2009, diversen Medienberichten sowie den Aussagen von Lawrence Wilkerson, in der fraglichen Zeit Stabschef von US-Außenminister Colin Powell, geht hervor, daß die Haupttreiber des CIA-Folterprogramms Vizepräsident Dick Cheney und Pentagonchef Donald Rumsfeld waren. Demnach ging es den beiden früheren Mitarbeitern Richard Nixons weniger darum, einen weiteren verheerenden Anschlag gegen die USA zu verhindern, als sich vielmehr "Beweise" für eine Verbindung zwischen Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" und Saddam Husseins Regierung in Bagdad zu verschaffen, mit denen sich der von ihnen längst geplante Einmarsch in den Irak rechtfertigen ließe (siehe hierzu den Artikel "CIA 'torture report': Agency conduct was driven by pressure to link Iraq to al-Qaeda following 9/11" aus der Feder des mehrfach ausgezeichneten Nahost-Korrespondenten Patrick Cockburn in der Ausgabe der britischen Zeitung Independent on Sunday vom 14. Dezember).

Zwei der Hauptleidtragenden des CIA-Folterprogramms, der Saudi Abu Zubaidah und der Libyer Ibn Al Scheich Al Libi, wurden 2002 über Wochen und Monate so lange mißhandelt, bis sie von sich gaben, der irakische Geheimdienst habe Mitgliedern von Al Kaida den Umgang mit chemischen und biologischen Waffen beigebracht. Mit der vorgeblichen Erkenntnis, es existiere ein "finsterer Nexus" zwischen Bagdad und den mutmaßlichen 9/11-Auftraggebern, gingen im Herbst 2002 und in den ersten Monaten 2003 Bush, Cheney, Rumsfeld und die nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice bei öffentlichen Auftritten hausieren. CIA-Chef George Tenet sorgte extra dafür, daß die Angaben Al Libis und Zubaidahs Eingang in jene berühmte, inzwischen längst diskreditierte Anklage gegen den Irak fand, die General a. D. Powell am 5. Februar 2002 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und damit der Weltöffentlichkeit vortrug. Wegen mangelnden Vertrauens in die Verläßlichkeit des Inhaltes seiner Rede beharrte der ehemalige Generalstabschef darauf, daß bei dem Auftritt Tenet und der damalige UN-Botschafter der USA, John Negroponte, gleich hinter ihm sitzen mußten - was man auf historischen Fotos gut erkennen kann.

Im Mittelpunkt der Propagandakampagne im Vorfeld der angloamerikanischen Irakinvasion stand die Möglichkeit eines Anschlages unter Einsatz von Massenvernichtungswaffen auf eine amerikanische Großstadt. Es wurde seitens der neokonservativen Kriegstreiber innerhalb der Bush-Regierung - ganz besonders im Pentagon - nichts ausgespart, um die Plausibilität eines solchen Szenarios zu suggerieren. Dazu gehörten jene "16 Worte" in der Rede des Präsidenten zur Lage der Nation Ende Januar 2003, denen zufolge Saddam Hussein heimlich versucht habe, aus Niger Uran zwecks Atombombenbau zu besorgen. Als Ex-US-Botschafter Joseph Wilson, der 2002 im Auftrag der CIA nach Niger gefahren war und die Wertlosigkeit der entsprechenden Hinweise sichergestellt hatte, im Juni desselben Jahres mit einem Gastkommentar in der New York Times die Behauptung Bushs als gezielte Irreführung anprangerte, verlor seine Frau, Valerie Plame, ihre Stelle als verdeckte Agentin beim US-Auslandsgeheimdienst. Das Ehepaar Plame-Wilson wurde von der Bush-Administration und deren Gewährsleuten in der Presse durch den Dreck gezogen. Durch die Enttarnung der CIA-Agententätigkeit Plames hatten Bushs Getreue jedoch gegen ein Bundesgesetz verstoßen. Deshalb wurde Scooter Libby, Cheneys Stabschef, 2007 zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt, die kurz darauf durch eine präsidiale Begnadigung ausgesetzt wurde.

Vor dem Hintergrund der laufenden Aufarbeitung des Folterberichtes des Senats ist ein heftiger Streit zwischen Barack Obamas CIA-Chef John Brennan und Senator Carl Levin, der seit 1979 im Oberhaus des US-Kongresses den Bundesstaat Michigan vertritt und im kommenden Januar aus Altersgründen sein Mandat niederlegt, entbrannt. Seit der Veröffentlichung des bereits erwähnten Folterberichts des Verteidigungsauschusses des Senats vor fünf Jahren versucht Levin, der Vorsitzender des wichtigen Gremiums ist, vergeblich, die CIA zur Freigabe einer Depesche zu bewegen, mittels derer ein weiterer Teil des Lügengebäudes der Bush-Regierung bezüglich der Notwendigkeit des Irakkriegs zum Einsturz gebracht werden soll.

Bei der Depesche handelt es sich um eine formelle Stellungnahme des tschechischen Geheimdienstes, wonach es für die Legende, die Ende 2001 und 2002 die Neokonservativen in Washington, allen voran Cheney, in die Welt setzten, der vermeintliche Anführer der 19 mutmaßlichen Flugzeugattentäter 9/11, der Ägypter Mohammed Atta, habe sich wenige Monate vor dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Arlington in Prag mit Ahmad Samir Al Ani, einem Diplomaten und möglichen Geheimdienstmann an der irakischen Botschaft, getroffen, keine Grundlage gibt. In seinen in diesem Jahr erschienenen Memoiren hat Jiri Ruzek, seinerzeit Chef der tschechischen Spionageabwehr, der CIA vorgeworfen, sie habe ihn und die damalige Regierung in Prag unter Druck gesetzt zu erklären, daß der unbekannte Araber, mit dem sich Al Ani im April 2001 getroffen hatte, Atta gewesen sei. Als sich die Tschechen dem Druck nicht beugten, weil die Identität der zweiten Person völlig unbekannt war - und übrigens bis heute geblieben ist -, haben die Amerikaner die Sache in die eigenen Hände genommen. "Ohne jede Rücksicht auf uns haben sie unsere Geheimdienstinformationen benutzt, um Propagandalecks in die Presse zu lancieren. Sie wollten aus einem unbestätigten Verdacht eine gesicherte Erkenntnis machen, um dies als Vorwand für eine militärische Operation zu benutzen. Wir sollten die Rolle des nützlichen Idioten spielen", so Ruzek.

In einem offenen Brief hat der achtzigjährige Levin unter Hinweis auf die Erläuterungen Ruzeks Brennan aufgefordert, endlich die betreffende Geheimdienstdepesche aus Prag zur sagenumwobenen Begegnung zwischen Atta und Al Sani zur Veröffentlichung freizugeben. Sich der Unterstützung Obamas bewußt, weigert sich Brennan weiterhin hartnäckig, der Aufforderung nachzukommen, und argumentiert, ein solcher Schritt würde die nationale Sicherheit der USA gefährden. Bei einer Rede vor dem Senat am 11. Dezember hat Levin das Argument Brennans als durchsichtige Ausrede abgetan, da die Tschechen ihrerseits keinen Einwand gegen die Veröffentlichung ihrer Depesche erheben, und das Verhalten des CIA-Chefs als eine "fortgesetzte Vertuschung" bezeichnet. Das wirft die Frage auf, ob die zugespitzte Formulierung des dienstältesten Mitglieds des US-Senats nicht für die gesamte offizielle Version des 11. September und der bald danach einsetzenden Anthrax-Anschläge zutrifft.

16. Dezember 2014