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USA/1366: Verlogene Kontroverse um CIA-Drohnenangriffe im Ausland (SB)


Verlogene Kontroverse um CIA-Drohnenangriffe im Ausland

Barack Obama und die US-Medien in Trauer um Warren Weinstein


In den USA ist die Diskussion um CIA-Drohnenangriffe auf "Terrorverdächtige" im Ausland, die bislang hauptsächlich zwischen Militaristen und Kriegsgegnern geführt wird, kurz aufgeflammt. Auslöser ist die Bekanntgabe der Tatsache, daß bei einer solchen Operation im Januar im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan ein unschuldiger US-Bürger, der 73jährige Entwicklungshelfer Warren Weinstein, getötet wurde. Beim selben Angriff starb eine zweite westliche Geisel von Al Kaida, der Italiener Giovanni Lo Porto. Der Vorfall "unterstreicht die Gefahren eines weitestgehend unsichtbaren Krieges, der mittels Bildschirmen, Joysticks und manchmal unvollständiger nachrichtendienstlicher Erkenntnisse geführt wird", hieß es bedeutungsschwer am 24. in der New York Times.

Die einflußreichste Zeitung der Welt widmet an diesem Tag dem peinlichen Ereignis gleich mehrere Artikel, die, statt den CIA-Drohnenkrieg in Frage zu stellen, in allererster Linie die angeblich schwere Last hervorhoben, welche die Verantwortlichen im amerikanischen Sicherheitsapparat im niemals endenden "Antiterrorkrieg" zu tragen haben. Die emotionsgeladene, zugleich regimefreundliche Wortwahl im dritten und vierten Absatz aus dem NYT-Artikel "Obama Apologizes After Drone Kills American and Italian Held" von Peter Baker läßt die Absicht zur Rechtfertigung und Entschuldigung des mörderischen Treibens des US-Auslandsgeheimdienstes besonders gut erkennen (Übersetzung: SB-Redaktion):

Der gewaltsame Tod eines Amerikaners durch die Hände seiner eigenen Regierung stellte ein quälendes Moment in einem Drohnenkrieg dar, der inzwischen den Kampf der Nation gegen Al Kaida definiert, insbesondere seit Präsident Obama seinem Amt antrat. Sichtlich betrübt, betrat Herr Obama den Briefing Room des Weißen Hauses, kurz nachdem sein Stab in einer schriftlichen Erklärung die Todesfälle bekanntgegeben hatte, um eine seltene persönliche Entschuldigung abzugeben.

"Als Präsident und als Oberbefehlshaber übernehme ich die volle Verantwortung für alle unsere Antiterroroperationen", sagte der Präsident mit grimmiger Miene den Reportern, während Fernsehkameras seine Worte übertrugen. "Ich bedauere zutiefst, was geschehen ist", fügte er hinzu. "Im Namen der Regierung der Vereinigten Staaten bitte ich die Familien von ganzem Herzen um Verzeihung."

Am Tag zuvor hatte Obama in selbiger Angelegenheit mit Weinsteins Ehefrau Elaine und dem italienischen Premierminister Matteo Renzi telefoniert. Das öffentlich gemachte Aufheben um den Tod Weinsteins steht im krassen Widerspruch zum sonstigen Desinteresse, das üblicherweise in den USA bezüglich des Schicksals der vielen anderen unschuldigen Opfer des CIA-Drohnenprogramms in Afghanistan, Pakistan, Somalia und im Jemen herrscht. Die Zahl der durch die Explosion von Hellfire-Raketen der CIA getöteten Menschen liegt inzwischen bei mehr als 5000. Nach Einschätzungen unabhängiger Instanzen wie des Bureau of Investigative Journalism, welche das Programm und seine Auswirkung untersuchen und kritisieren, kommen auf jeden getöteten "Terroristen" acht tote Zivilisten. CIA und Pentagon reden ihrerseits die Zahl der unschuldigen Opfer klein, indem sie jedes männliches Opfer im wehrfähigen Alter zu einem potentiellen "feindlichen Kombattanten" erklären.

Die Doppelmoral der Apologeten des westlichen Technokrieges gegen ressourcenarme Stammesvölker am Hindukusch, Horn von Afrika sowie auf der Arabischen Halbinsel zeigt sich besonders gut an einem Vorfall, der sich am 17. März 2011 in Nordwasiristan ereignete und in Pakistan für große Empörung sorgte. Beim bisher blutigsten CIA-Drohnenangriff überhaupt starben 45 Teilnehmer einer Loya Jirga. Anfangs hieß es seitens der Obama-Regierung, die CIA hätte die Versammlung mit einem Taliban-Treffen verwechselt. Den aufgebrachten Pakistanern dagegen fiel auf, daß der Angriff nur wenige Stunden erfolgt war, nachdem der CIA-Agent Raymond Davis, der einige Wochen zuvor in Lahore zwei Männer auf offener Straße erschossen hatte und sich seitdem - sehr zum Unmut Obamas und seiner Außenministerin Hillary Clinton - in Untersuchungshaft befunden hatte, gegen eine Entschädigungszahlung von 2,3 Millionen Dollar an die Hinterbliebenen ausreisen durfte.

Wenige Monate danach, am 22. August 2011, hieß es in einer Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press, der damalige CIA-Direktor und spätere Verteidigungsminister Obamas, Leon Panetta, habe den Raketenangriff auf die Loya Jirga in Nordwasiristan persönlich angeordnet. Dazu zitierte AP anonym einen Mitarbeiter der Obama-Administration mit der an Unverfrorenheit nicht zu überbietenden Aussage: "Es war Vergeltung für Davis. Die CIA war zornig." In Pakistan hat man den Massenmord in Datta Khal bis heute nicht vergessen. In den USA dagegen hat ihn praktisch niemand zur Kenntnis genommen.

25. April 2015


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