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BERICHT/115: Sozialökologische Bewegungen im Visier der Staatsgewalt (SB)


Repression gegen Umwelt- und Tierbefreiungsbewegungen in den USA

Vortrag von Will Potter am 3. Juni 2012 in Hamburg-Altona

Transparent 'Green is the New Red' - Foto: © 2012 by Schattenblick

Paradigmenwechsel der Feindbildproduktion
Foto: © 2012 by Schattenblick

Der Erhalt von Natur und Umwelt steht ganz oben auf der Agenda der globalen Politik, Waren mit ökologischen Unbedenklichkeitszertifikaten verkaufen sich bestens, faschistoide TV-Serien wie "24" rühmen sich einer CO2-neutralen Produktionsweise und selbst die Waffenarsenale imperialistischer Staaten werden auf umweltschonende Betriebsweise umgestellt. Steuergesetze und Verhaltensauflagen unter grünem Vorzeichen sind mehrheitsfähig, und die Vorzeichen der ökologischen Katastrophe katapultieren die Kulturindustrie in postapokalyptische Welten.

Was vor wenigen Jahrzehnten noch als extremistische Maschinenstürmerei verpönt war, ist heute fester Bestandteil der Parteiprogramme und Regierungspolitiken zumindest postindustrieller Gesellschaften. Kurz gesagt, der Kapitalismus wird grün angemalt und mit Konzepten wie "Green New Deal" oder "Green Economy" für die Ära der Ressourcenknappheit und des Klimawandels wetterfest gemacht. Mit einem Buch unter dem Titel "Green is the New Red" an die Öffentlichkeit zu treten und es auf einer Vortragsreihe durch Deutschland, Österreich und die Schweiz vorzustellen [1] erscheint daher auf den ersten Blick abwegig. Was sein Autor, der US-amerikanische Journalist Will Potter, über staatliche Repression gegen Umweltbewegungen zu berichten hat, läßt jedoch schnell erkennen, daß Grün nicht gleich Grün ist. Die in diesem Titel gezogene Analogie zur Red Scare, die in den USA unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg begann und in der antikommunistischen Treibjagd der McCarthy-Ära ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, ist keineswegs übertrieben. Sie trifft den Kern des Konflikts zwischen einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung, deren Produktions- und Reproduktionsverhältnisse in Sicht auf die begrenzte Verfügbarkeit materieller Ressourcen auf ein angeblich nachhaltiges Wachstum rekalibriert werden, und sozialen Bewegungen, die das kapitalistische Verwertungssystem selbst als zentralen Faktor räuberischer Zerstörung erkannt haben.

Das radikale Eintreten für Mensch, Tier und Natur wird denn auch unabhängig von Beweggründen ethischer, anarchistischer oder kommunistischer Art von Staat und Kapital als unvereinbar mit den eigenen Interessen angesehen. Wer sich nicht, wie etwa die Partei der Grünen in Deutschland und zahllose, teils zu transnationalen Konzernen herangewachsene Nichtregierungsorganisationen für die herrschende Produktionsweise und Gesellschaftsordnung vereinnahmen läßt und das in linksalternativ bewegten Zeiten angehäufte Glaubwürdigkeitskapital für deren Legitimation nutzbar macht, wird entschieden bekämpft. Die angebliche Sorge um die Bewahrung der Ökosphäre des Planeten erweist sich da schnell als Feigenblatt einer Kapitalakkumulation und Ressourcensicherung, die, wenn ökonomische Expansionsstrategien oder neokolonialistische Nachhaltigkeitsimperative versagen, auch mit polizeilichen und militärischen Gewaltmitteln durchgesetzt werden.

Beim Vortrag - Foto: © 2012 by Schattenblick

Will Potter
Foto: © 2012 by Schattenblick

In Hamburg, der ersten Station seiner Rundreise, hat Will Potter die dabei angewendeten Praktiken und Strategien im Rahmen einer Veranstaltung der Assoziation Dämmerung am 3. Juni im veganen Restaurant Leaf geschildert. Die Beweggründe des in Washington DC lebenden Journalisten, dessen Artikel in Zeitungen und Zeitschriften wie The Chicago Tribune, The Dallas Morning News und das Journal Vermont Law Review veröffentlicht werden, sich diesem Konfliktfeld zuzuwenden, resultieren aus seinen persönlichen Erfahrungen als Aktivist. 2002 wurde er im Zuge einer Protestaktion gegen das Huntington Life Science Labor zusammen mit einer Gruppe Tierrechtsaktivisten wegen des Verteilens von Flugblättern festgenommen. Obwohl alle strafrechtlichen Schritte eingestellt worden waren, weil nicht einmal der Vorwurf des zivilen Ungehorsams erhoben werden konnte, drohte das FBI Potter damit, ihn auf eine Terrorismusliste zu setzen, wenn er sich nicht dazu bereiterklärte, Tier- und Umweltschutzgruppen zu unterwandern. Der Schock darüber, für eine gewaltfreie Protestaktion als Terrorist abgestempelt zu werden, wie die langjährige Inhaftierung einiger Freunde wegen bloßer Protestaktionen war sein Einstieg in eine nunmehr zehn Jahre währende Recherchearbeit zu staatlicher Repression gegen Tierrechts- und Umweltschutzbewegungen.

Für das FBI firmieren diese Organisationen ganz oben auf der Liste des sogenannten inländischen Terrorismus, obwohl sich die US-Bundespolizei darüber bedeckt hält, worin die von diesen Gruppen angeblich ausgehenden Gefahren eigentlich bestehen. Wenn das FBI auf seiner Fahndungswebseite das Bild eines Tierrechtsaktivisten direkt neben Osama Bin Laden plaziert, dann macht es die Prioritäten seiner Terrorismusabwehr hinlänglich klar. Rechtsradikale Milizen, christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner oder andere Feinde der US-Regierung aus dem rechten Lager, die sich gewaltsamer Mittel bedienen, hingegen bleiben vom Vorwurf des domestic terrorism verschont, wie Potter unter Verweis auf die einen Tag zuvor in Hamburg erfolgten Blockadeaktionen gegen den bundesweiten Aufmarsch von Nazis berichtete.

Des Terrorismus bezichtigt hingegen werden Gruppen wie Earth First, die die Rodung eines Waldes mit einer Blockadeaktion zu verhindern versuchte. Auch die Aktivisten der Sea Shepherd Conservation Society, die sich mit kleinen Booten zwischen japanische Walfänger und ihre Beute stellen, werden mit diesem Stigma belegt, weil die japanische Regierung Druck auf die USA ausübte. Dabei scheint unerheblich zu sein, daß etwa die als Terroristen verfolgten Aktivisten der Animal Liberation Front bei ihren auf Tierbefreiung und Sachbeschädigung beschränkten Aktionen nie einen Menschen verletzt haben.

Da die Blockade- und Befreiungsaktionen dieser Gruppen in der Bevölkerung auf Zustimmung stoßen könnten und den betroffenen Konzernen nicht nur Millionenverluste bescherten, sondern als direkte Gefahr für den Kapitalismus bewertet würden, gerieten selbst so konforme Tierrechtsorganisationen wie PETA unter Terrorismusverdacht. Wenn schon Konsumkritik als Gefahr erachtet und gezielt diffamiert wird, kann es allerdings nicht erstaunen, daß Menschen und Gruppen, die zum Mittel der direkten Aktion greifen, massiv verfolgt werden. Bei Potters Recherchen stellte sich heraus, daß die Konzerne, die am Animal Enterprise Terrorism Act, dem maßgeblichen Gesetzeswerk für diese Art politischer Verfolgung, mitwirkten, intensive und teure Lobbyarbeit im US-Kongreß betrieben. Dabei werde der Terrorismusvorwurf auch für andere Zwecke instrumentalisiert, wie Potter am Beispiel des Clean Water Act darstellte. Die davon betroffene Agroindustrie machte geltend, daß Informationen über Trinkwasserverschmutzung für Anschläge auf die Wasserversorgung genutzt werden könnten. Diese Informationen nicht freizugeben schützt die Agroindustrie davor, als Verursacherin für diese Form von Umweltverschmutzung angeprangert zu werden.

Seit 1986 werde das Schlagwort des Ökoterrorismus in den USA massenmedial propagiert und notorisch auf alle möglichen Formen des legalen wie illegalen Aktivismus angewendet, so Potter unter Verweis auf einige prototypische Beispiele in führenden US-Medien. Für ihn stellt sich die extensive Anwendung des Terrorismusbegriffs auf grüne Aktivistinnen und Aktivisten als strategische Nutzung der massenmedial verstärkten Macht der Sprache dar. Erfreuten sich deren Organisationen in den frühen 1980er Jahren noch breiter Unterstützung der Öffentlichkeit, so hat sich insbesondere seit den Anschlägen des 11. September 2001 der Wind vollständig gedreht. Wie die Präventivlogik des Deklarierens strafrechtlich nicht zu verfolgender Menschen als "Terrorverdächtige" oder "illegale feindliche Kombattanten", ihrer Verschleppung, Folterung und unbegrenzten Inhaftierung dokumentiert, ist die Stigmatisierung als Terrorist eine Form der Vorverurteilung, die den Versuch, sich auf gesetzlich verbürgte Garantien und strafrechtliche Prozeduren zu berufen, gegenstandslos macht.

Verstärkt wird der systematisch virulent gemachte Verdacht durch Anhörungen des US-Kongresses, in denen etwa gefragt wird, ob Ökoterrorismus eine Bedrohung der USA darstelle. Da sich diese Frage quasi von selbst beantwortet - was anderes sollte Terrorismus sein als eine Bedrohung? - und die in derartigen Anhörungen auftretenden Zeugen zu einem Gutteil von Politikern ausgesucht werden, die Konzerninteressen vertreten, legitimierten derartige Veranstaltungen den erhobenen Verdacht eher, als daß sie ihn entkräfteten. Es ist zwar kein Geheimnis, daß die im Kongreß getroffenen Entscheidungen maßgeblich Kapitalinteressen reflektieren, zumal Abgeordnete und Senatoren fast vollständig der vermögenden Klasse angehören. Diesen Zusammenhang aufzugreifen ist dennoch kaum ein Thema für Medien, die ihm selbst ausgesetzt sind.

Folie mit Beispielen für Public Relations War - Foto: © 2012 by Schattenblick

Konterstrategien zur Dämonisierung von Tierbefreiern Foto: © 2012 by Schattenblick

Das Terrorismusstigma dient auch dazu, oppositionelle Bewegungen in einen legalen und illegalen Teil zu spalten. So werden große Organisationen wie Greenpeace aktiv aufgefordert sich zu entscheiden, ob sie auf der Seite der Regierung oder der der "Terroristen" ständen. Dies erfolge unter Androhung von Untersuchungsverfahren und des Entzugs des Non-Profit-Privilegs dieser Organisationen, der sich nicht nur auf diesem Feld als ein wirksamer Hebel zur Neutralisierung sozialen Widerstands erwiesen hat [2]. Insgesamt werde versucht, so Will Potter, radikale Tierrechts- und Umweltschutzbewegungen aus der Linken auszugrenzen, was offensichtlich nicht nur in den USA gelingt.

Unter den von Potter geschilderten Strategien der Sicherheitsbehörden nehmen die Versuche der Unterwanderung durch Undercover-Agenten einen besonderen Platz ein. Was in der EU anhand des britischen Polizisten Mark Kennedy und in Deutschland am Beispiel des ebenfalls bei ökologischen Protesten aktiven LKA-Ermittlers Simon Bromma [3] zumindest in den davon betroffenen Kreisen Furore machte, läuft in den USA darauf hinaus, daß Agenten des FBI immer wieder versuchen, unbescholtene Aktivistinnen und Aktivisten zu Straftaten zu verleiten, was diesen schlimmstenfalls jahrzehntelange Haftstrafen einbringt. Indem die Sicherheitsbehörden auch im Bereich des "islamistischen Terrorismus" produzieren, wovor sie zu schützen behaupten, frönen sie im mindesten Fall dem bürokratischen Mechanismus, selbst für die Gründe ihrer finanziellen Bemittelung zu sorgen. Darüberhinaus wird auf diese Weise versucht, die Gesellschaft in einem permanenten Ausnahmezustand zu halten, ohne den die staatsautoritäre Ermächtigung der Exekutive kaum zu legitimieren wäre.

Das Anwerben von Informanten und V-Leuten unter den Aktivistinnen und Aktivisten, die den Sicherheitsbehörden zuarbeiten, nachdem sie unter Androhung von Haftstrafen wegen kleinerer Delikte gefügig gemacht wurden, sei so verbreitet, daß es für Potter eine Art Standardvorgehen darstellt. Was er als "Spitzelmodell" bezeichnet, hat zu großen Verhaftungswellen geführt, nachdem derartige Informanten, mit Mikrofonen ausgestattet, Beweise für die Planung von Sabotageakten oder anderer strafrechtlich relevanter Handlungen erbrachten. Nicht minder verbreitet sei die offene Überwachung der Aktivistinnen und Aktivisten durch FBI-Agenten, die öffentliche Veranstaltungen besuchten, um belastendes Material zu sammeln. Potter selbst stehe unter dauerhafter Beobachtung des FBI, dessen Agenten nicht nur bei seinen Vorträgen zugegen seien, sondern auch seine Publikationen studierten. Dies brachte ihm allerdings eine positive Rezension seines Buches ein, stellt Potter amüsiert fest, konnte er doch einem ihm zugespielten Dokument entnehmen, daß es bei der US-Bundespolizei als "fesselnd und gut geschrieben" bewertet werde.

Anti-Tierbefreiungspropaganda - Foto: © 2012 by Schattenblick

Maßlose Übertreibung ... demagogisch für dumm verkauft
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So unterhaltsam die Anekdoten, mit denen der Journalist seinen Vortrag würzte, auch sind, so ändern sie nichts am Ernst der Lage. Wenn ein angeblicher Tierbefreier in einer Anzeige gegen diese angebliche Bedrohung mit Lederjacke figuriert, dann zeigt das auch, daß sich die Urheber einer solchen Propaganda in einer derart starken Stellung befinden, daß sie nicht einmal korrekt arbeiten müssen. Was staatliche Gewaltorgane nicht erledigen können, dafür werden professionelle Söldnerfirmen eingesetzt, die ebenfalls bei der Bekämpfung des inländischen Terrorismus eingesetzt werden.

Laut dem USA PATRIOT Act vom 26. Oktober 2001 [4] ist jeder, der auf dem Boden der USA Handlungen vollzieht, "die Menschenleben gefährden und die amerikanischen Strafgesetze verletzen; die den Anschein der Absicht erwecken, die Zivilbevölkerung zu bedrohen oder Zwang auf sie auszuüben; die Politik einer Regierung durch Zwang oder Bedrohung zu beeinflussen", prinzipiell des "inländischen Terrorismus" (domestic terrorism) verdächtig. Wer einen Menschen, der auf irgendeine Weise unter diesen Straftatenkatalog subsumiert wird, auch nur in geringem Maße unterstützt, läuft Gefahr, selbst als Terrorist verhaftet zu werden.

Auf diese Weise können simple Meinungsbekundungen, die etwa im Rahmen von Sprechchören, per Internet oder Flugblatt verbreitet werden, Sachbeschädigungen, die bei Protestformen wie Straßenblockaden oder Hausbesetzungen entstehen, oder andere öffentlichkeitswirksame Aktionen, die die Bevölkerung beeinflußen und damit die Regierung unter Druck setzen, mit diesem Gesetz sanktioniert werden. Ein des domestic terrorism bezichtigter Mensch kann bis zu sechs Monate lang ohne Gerichtsverhandlung ins Gefängnis gesteckt werden, und dieses Vorrecht des Staates auf Administrativhaft ist gegen jeden Einspruch eines Gerichts immun. Dem Opfer einer solchen Freiheitsberaubung ist weder gestattet, einen Anwalt zu konsultieren, noch etwas über die gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen in Erfahrung zu bringen oder auch nur Kontakt zu Familienangehörigen herzustellen.

Zudem können alle Guthaben und Vermögen einer Person oder Organisation, gegen die auch nur der Verdacht des inländischen Terrorismus erhoben wird, bis auf weiteres beschlagnahmt werden. Zwar muß die dauerhafte Beschlagnahme nach einiger Zeit in einem Zivilprozeß bestätigt werden, dieser hat jedoch für die Betroffenen den Nachteil, daß sie keinen Anspruch darauf haben, einen Anwalt gestellt zu bekommen, wenn sie ihn selbst nicht bezahlen können. Die von der Regierung vorzulegenden Beweise für die Legalität der Beschlagnahme hingegen müssen lediglich der Abwägung standhalten, daß ihre Stichhaltigkeit eher wahrscheinlich denn unwahrscheinlich ist.

Firmenlogos - Foto: © 2012 by Schattenblick

US-Kongreß Einfallstor für Lobbyismus der Tierausbeutungsindustrie
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Darüberhinaus wird die staatliche Repression gegen den sogenannten Ökoterrorismus anhand eines Generalverdachts in Stellung gebracht, den Potter in den Kontext eines Gesetzes aus der Zeit des Red Scare stellt, den Smith Act des Jahres 1940. Mit diesem offiziell als Alien Registration Act [5] firmierenden Gesetz versuchte die US-Regierung, die linke Opposition zu ersticken, indem sie sie mit einem Katalog strafrechtlich relevanter Vorwürfe überzog, anhand derer praktisch jeder als Staatsfeind dingfest zu machen war. Ein modernes Pendant dieser Staatsschutzgesetzgebung stellt der Animal Enterprise Terrorism Act dar. An der Ausarbeitung dieses Gesetz des Jahres 2006 [6], das gewaltlosen zivilen Ungehorsam wie etwa die Vermummung des Gesichts, die Verwendung lautstarker Tonerzeuger oder Blockadeaktionen als Terrorismus verfolgbar macht, seien laut Potter Verbände der Fleisch- und Tierversuchsindustrie wie Beef USA, PIJAC (Pet Industry Joint Advisory Council), SOT (Society of Toxicology) und Animal Agriculture Alliance direkt beteiligt gewesen. Zudem seien in den letzten zwei Jahren in Staaten mit großer tierausbeuterischer Industrie wie Iowa und Missouri Gesetze durchgewunken worden, die unerlaubtes Fotografieren oder Filmen in Tierzucht- und Schlachtbetrieben als Terrorismus einstufen. Dies schließt auch Journalisten ein, so daß die Berichterstattung über die Praktiken in diesen Staaten angesiedelter Unternehmen eine höchst gefährliche geworden ist.

Der Strafvollzug für Gefangene aus der ökologischen Bewegung findet unter anderem in Communication Management Units (CMU) statt. In diesen Knästen sitzen zwar vorrangig als terrorverdächtig gebrandmarkte Muslime, doch auch Umwelt- und Tierrechtsaktivisten werden dort untergebracht. Wie der Name sagt, wird dort ein restriktives Kommunikationsmanagement betrieben, sprich Haft unter der verschärften Bedingung weitgehender Isolation. Neben verurteilten Terroristen werden dort Gefangene hinverlegt, die angeblich versucht haben, Mitgefangene zu radikalisieren oder sich in ihrer Sache per Telefon auf eine Weise an Richter und Strafverfolger gewandt haben, die diese als Belästigung beklagt haben. Wer sich im Knast wehrt oder politisch aktiv wird, läuft also Gefahr, sein ohnehin hartes Schicksal weiter zu verschlimmern.

Potter schildert den Fall seines Freundes Daniel McGowan [7], der im CMU in Illinois einsitzt. Nach einem Besuch bei ihm wurde Potter von der Regierung angedroht, die Haftbedingungen seines Freundes weiter zu verschärfen, wenn er über das Gespräch mit ihm berichte. Dies konnte er nur durch kugelsicheres Glas führen unter permanenter Kamerabeobachtung, mit der dafür gesorgt wird, daß eine Antiterroreinheit jedes Wort observieren kann. Dieser Besuch sei unter anderem dafür verantwortlich, daß sein Buch jetzt in Dokumenten des FBI auftauche.

Die Aussichten für die Zukunft seien nicht eben hoffnungsvoll, so das Resümee Potters. Wenn eine Regierung erst einmal damit begonnen habe, bestimmte Gruppen und Personen auszugrenzen und zu verfolgen, würde sie damit nicht wieder aufhören. Dazu trage auch eine Staatsschutzdoktrin bei, die etwa im Fall von Anarchisten besagt, daß es sich dabei um "Kriminelle" handle, "die eine Ideologie suchen, um ihre Aktivitäten zu rationalisieren". In mehreren Gerichtsverhandlungen wurde das offene Bekenntnis zum Anarchismus als Beweis für terroristische Handlungen gewertet. Die Strategie des Staates, sich auf keinen Fall inhaltlich mit oppositionellen Gruppen und Ideologien auseinanderzusetzen, findet in der Bundesrepublik und EU in der Doktrin des Antiextremismus und der sozialwissenschaftlichen Untersuchung sogenannter Radikalisierungstendenzen den dementsprechenden Niederschlag nicht nur der Abwehr des sogenannten Terrorismus, sondern der Unterdrückung jeglicher Kritik an herrschenden Verhältnissen, die diesen Namen verdient hat.

Und Anlaß dazu gibt es genug, wie, um nur ein Beispiel von menschenfeindlicher Willkürjustiz zu nennen, die in den USA praktizierte Isolationsfolter belegt. In den sogenannten Security Housing Units (SHU), bei denen es sich um Isolationstrakts innerhalb der Supermax-Hochsicherheitsgefängnisse handelt, werden Menschen, die nicht selten dazu verurteilt sind, in Haft zu sterben, noch vor ihrem Tod lebendig begraben, indem sie fast rund um die Uhr allein in kleinen Betonverliesen ohne jeglichen Kontakt eingesperrt werden. Diese unmenschlichen Bedingungen führten letztes Jahr zum kollektiven Hungerstreik von bis zu 6600 Gefangenen in kalifornischen Staatsgefängnissen, der vom Pelican Bay State Prison seinen Ausgangspunkt nahm [8]. Was in der deutschen Presse, wo der banalste Exhibitionismus kalifornischer Filmstars das Erregungsniveau hochtreibt und die Inhaftierung einer ukrainischen Oligarchin wochenlang Schlagzeilen macht, fast vollständig ausgeblendet wurde, hat auch Will Potter betroffen gemacht, wie er bei der Schilderung der Haftbedingungen in diesen Knästen zeigte. Es spricht für den politischen Weitblick dieses Aktivisten der Tierbefreiungsbewegung, sein Engagement nicht auf die Gefangenen sozialökologischer Bewegungen zu beschränken, sondern Solidarität überall dort zu üben, wo sie vonnöten ist.

Luftaufnahme des Gefängnisses - Foto: © By Jelson25 (Own work) [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Pelican Bay State Prison im Juli 2009
Foto: © By Jelson25 (Own work) [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Konturen einer elementaren Auseinandersetzung

Das Mensch-Tier- und Mensch-Natur-Verhältnis legitimiert Raubbau und Ausbeutung mit Hilfe einer Abstraktion, die, wie vielen Menschen immer mehr zu Bewußtsein kommt, den Anspruch auf ein von Gewalt und Fremdbestimmung freies Dasein von vornherein bricht. Die Zerstörung endlicher Lebensgrundlagen als Problem eigener Existenzsicherung zu erkennen geht jedoch nicht über den Horizont ihrer Verobjektivierung hinaus, sondern unterliegt weiterhin einem Überlebensprimat, das in seiner Konsequenz aus dem Schaden des anderen die Bestätigung eigener Dauer erwirtschaftet. Erst die Subjektivität des Schmerzes öffnet den Zugang zu einer Kreatürlichkeit, der das Überleben zu Lasten des anderen inakzeptabel ist, weil jede noch so entwickelte Individuation des anderen bedarf, um überhaupt als solche definiert zu werden.

Die kompromißlose Feindseligkeit, mit der Menschen verfolgt werden, die sich auf der Basis dieser Unteilbarkeit für andere Lebewesen wie für jede Form belebter Natur einsetzen, entspringt dem Bestehen darauf, das Eigene zu verabsolutieren, indem das andere negiert wird. Nichts wissen zu wollen vom Schmerz der Ohnmacht im Angesichte übermächtiger Gewalt ist das Privileg einer Stärke, deren perspektivisches Scheitern am Vorhaben, das eigene Überleben über die Verwertung anderen Lebens zu organisieren, Vernichtungspotentiale totaler Art freisetzt. In der Massivität, mit der Menschen verfolgt werden, die den Schutz von Lebewesen und die Bewahrung der Natur so ernst nehmen, daß sie diesem Anliegen ihre persönlichen Interessen nachordnen, kommt die Vergeblichkeit des Versuchs zum Ausdruck, zu Lasten des anderen jenes Versprechen zu erfüllen, das in der Utopie vom Menschen als von Not, Schmerz und Trennung freies Wesen den bloßen Entwurfscharakter des Humanums zutage fördert. Wer unbescheiden genug ist, nicht von dieser Utopie zu lassen, sondern sie auf naheliegende Weise, im Eintreten für das jedem Schutz und Recht enthobene Leben, zu verwirklichen, stellt das Arrangement mit dem Prinzip des Fressen-oder-Gefressenwerdens so wirksam in Frage, daß widrige Folgen nicht ausbleiben können. Das Verhältnis des Menschen zu Tier und Natur erweist sich mithin als zutiefst soziales Verhältnis, als kategoriale Distanzierung vom Schmerz einer Ohnmacht, die im jeweils anderen ansiedelt, was als Akt der Befreiung an jeder Flucht und Distanzierung scheitert.

Fußnoten:

[1] http://www.assoziation-daemmerung.de/tour/

[2] siehe dazu "Gefesselte Kunst - Im Schatten des Schattenstaates - Ruth Wilson Gilmore über den Non-Profit-Sektor in den USA"
http://www.schattenblick.de/infopool/kunst/report/kurb0009.html

[3] http://spitzelklage.blogsport.de/

[4] http://frwebgate.access.gpo.gov/cgi-bin/getdoc.cgi?dbname=107_cong_public_laws&docid=f:publ056.107.pdf

[5] http://www.law.cornell.edu/uscode/text/18/2385

[6] http://www.govtrack.us/congress/bills/109/s3880/text

[7] http://www.greenisthenewred.com/blog/communication-management-units-mcgowan/1747/

[8] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/repr1430.html http://www.schattenblick.de/infopool/politik/meinung/polm1353.html

Außenansicht des Leaf - Foto: © 2012 by Schattenblick

Veganes Restaurant Leaf in der Eulenstr. 38
Foto: © 2012 by Schattenblick

15. Juni 2012