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BERICHT/184: Vernunft ruft zum Bündnis (SB)


Antimilitarismus und Friedensaktivismus in Zeiten des Krieges

"Störmanöver an der Heimatfront" in Berlin-Kreuzberg am 9. Juli 2014


Globus mit Stacheldraht - Foto: 2014 by Schattenblick

Kein Entkommen
Foto: 2014 by Schattenblick

Kein Gefechtsübungszentrum für Rußland, ordnet Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel an und hebt die Ausfuhrgenehmigung für eine Anlage auf, die den Umsatz des Rüstungsunternehmens Rheinmetall um 120 Millionen Euro gesteigert hat. Fernab davon, es hier mit einer Abrüstungsmaßnahme zu tun zu haben, geht die Stornierung der Lieferung aus dem Konflikt zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation hervor, dessen Potential, zu einer militärischen Konfrontation zu eskalieren, nicht zu leugnen ist. Ohnehin soll die Anlage bereits zu 90 Prozent fertiggestellt sein. Im Endeffekt dürfte Gabriel die Genehmigung zum Export widerrufen haben, um Rheinmetall davon zu entlasten, dem russischen Auftraggeber Schadenersatzleistungen zu bezahlen, welche nun die Bundesrepublik übernehmen müßte.

Die laut Rheinmetall "weltweit modernste Trainingsbasis mit simulationsgestützter Ausbildung" soll im russischen Mulino dazu dienen, daß Heereseinheiten aller Art auf einer 200 Quadratkilometer großen Fläche unter virtuellen Gefechtsfeldbedingungen, die vor allem durch Lasertechnik so realitätsnah wie möglich gestaltet werden sollen, den Landkrieg üben können. Eher randläufig erwähnt wird in der Berichterstattung über den Vorgang, die russische Anlage sei "eine Weiterentwicklung des Gefechtsübungszentrums im sachsen-anhaltinischen Letzlingen, das Rheinmetall 2001 eingerichtet hat und das die Bundeswehr nutzt" [1].

Dies wiederum sollte die Menschen hierzulande interessieren, bereiten sich im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide doch die Bundeswehr und andere NATO-Armeen auf den offensiv geführten Interventionskrieg vor. Auf dem 232 Quadratkilometer großen Gelände wird nicht nur der konventionelle Landkrieg geübt, der sich vor allem auf die hochmobile Feuerkraft der Kampfpanzer, motorisierten Artillerie und Heeresflieger stützt. Die im Bau befindliche Stadt Schnöggersburg soll vom nächsten Jahr an der Bundeswehr und anderen NATO-Armeen die Möglichkeit bieten, den Krieg in urbanen Zentren unter realitätsnahen Bedingungen zu trainieren. Auf sechs Quadratkilometern entstehen dort Bauten und Infrastrukturen, wie sie in jeder Stadt der Welt anzutreffen sind. Wohnhäuser in verschiedener Form, ein Industriegebiet und ein Elendsviertel sollen die Truppen inklusive der dazugehörigen Kanalisation, Straßen und Verkehrsmittel in die Lage versetzen, sich auf den Krieg in den Städten der Welt vorzubereiten.

Laut einer Pressemitteilung von Rheinmetall Defence vom 8. August 2014 [2] hat die Bundeswehr dem Konzern für weitere vier Jahre den Betrieb des GÜZ Altmark übertragen. Ob der rund 70 Millionen Euro schwere Auftrag auch dazu gedacht ist, das Unternehmen für die Stornierung des Rußlandgeschäfts zu entschädigen, geht daraus zwar nicht hervor. Der Vorgang dokumentiert jedoch den hohen strategischen Wert derartiger Ausbildungsstrukturen. Das gilt auch für die Planung der Bundeswehr, ihre Soldatinnen und Soldaten in Israel im Häuser- und Tunnelkampf ausbilden zu lassen [3]. Offensichtlich kann keine noch so lebensnah wirkende Simulation, wie sie für die Manöverstadt Schnöggersburg geplant ist, die konkreten Erfahrungen auf dem Gefechtsfeld ersetzen, die die israelischen Streitkräfte in der Konfrontation mit dem palästinensischen Widerstand gegen die Besatzungspolitik Israels sammeln.

Plakat 'Ausstellung Störmanöver an der Heimatfront' - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

"Störmanöver an der Heimatfront"

Ein möglicher Kristallisationskern einer antimilitaristischen Bewegung, die die Frage des Krieges am Beispiel des Gefechtsübungszentrums Altmark in der erforderlichen Breite und Tiefe stellt, ist das in diesem Jahr zum dritten Mal stattfindende War-Starts-Here-Camp, das vom 17. bis zum 25. August in der Nähe des Manövergeländes abgehalten wird. Das als internationales antimilitaristisches Aktions- und Diskussionscamp angekündigte Treffen soll unter anderem dazu dienen, den Widerstand gegen Militarisierung, Unterdrückung und Neokolonialismus auf möglichst breite und internationale Füße zu stellen, indem die damit unmittelbar und mittelbar verknüpften Kämpfe zusammengeführt, aufeinander bezogen und weiterentwickelt werden [4]. An seiner Organisation beteiligt ist dieses Jahr auch die Initiative Gewaltfreie Aktion GÜZ abschaffen, in der sich Menschen zusammengefunden haben, "die u.a. bei X-tausendmal quer und gorleben365 gewaltfreie Blockaden organisiert haben, in der Bürgerinitative OFFENe HEIDe mitarbeiten, sich gegen Stuttgart 21 oder gegen die in Büchel stationierten Atomwaffen engagieren oder neu aktiv geworden sind [5]".

Ankündigung des diesjährigen War-Starts-Here-Camps - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Wenn sich in dieser Augustwoche ein breites Bündnis aus Menschen verschiedenster politischer Positionen und aktivistischer Gruppen bildet, um gegen die militärische Nutzung der Colbitz-Letzlinger-Heide zu protestieren und dies mit gewaltfreien Aktionen wie Besetzungen in dem nicht umzäunten Gebiet zu unterstreichen, dann trifft das womöglich einen neuralgischen Punkt des staatlichen Gewaltmonopols. Das in den Programmen der bürgerlichen Parteien stets hochgelobte zivilgesellschaftliche Engagement, das demokratische Streiten für Frieden und Gerechtigkeit wie auch die allseits propagierte Zivilcourage, sich nicht wegzuducken, sondern mutig für Menschenrechte wie den Schutz der Natur einzutreten, stieß bei den letzten beiden Camps auf wenig Begeisterung bei den kommunalen und bundesstaatlichen Behörden. Allein die Tatsache, daß sich Kriegsgegner und -gegnerinnen in unmittelbare Nähe des GÜZ-Altmark begeben und es auch betreten, hat 2012 dazu geführt, daß der Altmarkkreis Salzwedel das größte Versammlungsverbot in der Geschichte der Bundesrepublik aussprach. Über das gesamte GÜZ-Gelände und seinen Umkreis wurde eine Verbotsverfügung verhängt, mit der in dem zum "Sicherheitskorridor" erklärten Gebiet quasi der Ausnahmezustand ausgerufen wurde. Auch geriet das War-Starts-Here-Camp 2012 zum Anlaß des ersten offiziellen gemeinsamen Einsatzes von Polizei und Militär im Innern seit 1945.

Zur Mobilisierung für das letztjährige Camp und zur Aufklärung der Bevölkerung über das GÜZ Altmark wie auch die Militarisierung der Gesellschaft fand im Mai 2013 im Rahmen der Kulturellen Landpartie die Ausstellung "Störmanöver an der Heimatfront" [6] in Meuchefitz im Wendland statt. Da das Projekt bei der Bevölkerung dieser nicht weit vom GÜZ Altmark gelegenen Region auf großes Interesse stieß, ging die Ausstellung auf Wanderschaft und war dabei auch im New Yorck im Bethanien in Berlin-Kreuzberg zu sehen. Um Menschen zu erreichen, die noch nicht antimilitaristischen Kreisen angehören, war das traditionsreiche selbstverwaltete Hausbesetzungsprojekt nicht unbedingt der ideale Ort. Doch wer bis zu den Räumlichkeiten vordrang, in denen "Störmanöver an der Heimatfront" gastierte, erhielt dort viele Informationen über Militarismus und Kriegführung im allgemeinen wie die sich gegen das GÜZ Altmark formierende Bewegung im besonderen.

Installation Wart Starts Here mit Miniaturexponaten - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

So waren auch die Aktivistin und der Aktivist, die die Ausstellung betreuten, der Ansicht, daß die Kunststadt Schnöggersburg ein perfekter Kristallisationspunkt sein könnte, um die doch recht zersplitterte antimilitaristische Bewegung in Deutschland wieder zusammenzuführen. Wenn Aufstandsbekämpfung eine zentrale Aufgabe von NATO und Bundeswehr ist, dann trifft das Motto der vor sechs Jahren initiierten War-Starts-Here-Kampagne in doppelter Hinsicht zu. Zum einen fungieren die Bundesrepublik und andere NATO-Staaten aufgrund der dort existierenden militärischen Infrastruktur sowie ihrer politischen und ökonomischen Interessen als Ausgangspunkt weltweiter militärischer Interventionen. Zum anderen ist die eigene Gesellschaft Austragungsort sozialer Konflikte, die je nach Stand krisenhafter Entwicklung und der Möglichkeit, die Handlungsfähigkeit der Exekutive im Ausnahmezustand zu Lasten grundrechtlicher Schutzgarantien zu erweitern, den Charakter eines Bürgerkrieges annehmen können.

Schautafel 'Krieg, Macht, Herrschaft' - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Antimilitaristischen Handlungsbedarf gibt es zuhauf, wie die Aktivistin und der Aktivist im New Yorck gegenüber dem Schattenblick darlegten. Die Vielzahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr, die zahlreichen Verflechtungen von militärischen und zivilen Zuständigkeiten, die Werbeaktivitäten der Bundeswehr in den Schulen oder die Militarisierung der Hochschulforschung sind nur einige Beispiele dafür, daß Kriegsvorbereitungen heute zum Alltag vieler Institutionen und Menschen in der Bundesrepublik gehören. Auch das verschärfte Vorgehen des Staates gegen antikapitalistische Demonstrationen oder die Ausrufung sogenannter Gefahrengebiete, in denen die Polizei besondere Zugriffsrechte erhält, sind Anzeichen dafür, daß äußere Aggression und innere Repression zwei Seiten eines Gewaltverhältnisses sind.

Schautafeln 'Zivil-Militärische Zusammenarbeit', 'Militarisierung des Alltags' - Fotos: 2014 by Schattenblick Schautafeln 'Zivil-Militärische Zusammenarbeit', 'Militarisierung des Alltags' - Fotos: 2014 by Schattenblick

Fotos: 2014 by Schattenblick

So berichteten die Gesprächspartner des Schattenblick auch über die scharfen Kontrollen, mit denen die Polizei den Zugang zum Camp in den vergangenen Jahren erschwerte. Das Feststellen der Personalien und Fahrzeugkontrollen gehören zum kleinen Einmaleins staatlicher Gefahrenabwehr. Die Möglichkeit, daß von diesem Camp nicht nur befristete Besetzungen des Manövergeländes ausgehen, sondern dort eine Bewegung gegen den Krieg entsteht, die in denjenigen Teilen der Bevölkerung auf Resonanz stößt, die der in Politik und Medien immer lauter werdenden Forderung nach deutscher Kriegsbereitschaft ablehnend gegenüberstehen, wird ihrerseits zum Gegenstand "präventiver Gefahrenabwehr". Es kann daher nicht erstaunen, daß zum Mittel der Einschüchterung gegriffen wird. Vorfälle, bei denen Waffen auf Protestierende gerichtet, Demonstranten durch bewaffnete Feldjäger auf dem GÜZ-Gelände festgehalten wurden oder Panzer auch während des angekündigten Aktionstages durch das Gelände rasten, sind dazu geeignet, Aktivistinnen und Aktivisten das Gewaltpotential zum Führen von Kriegen ausgebildeter Soldatinnen und Soldaten spüren zu lassen.

Während sich ein optisch von pink, der zum Markieren von Militäreinrichtungen verwendeten Farbe, dominierter Raum der Geschichte und Gegenwart des Antimilitarismus wie insbesondere den bereits erfolgten War-Starts-Here-Camps widmet, werden im zweiten, mit Tarnnetz drapierten Raum kritische Fragen an die Militarisierung der Gesellschaft gestellt. Mit der Breite der Themen wird eine Grundsatzdiskussion eröffnet, für die der Widerstand gegen die militärische Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide von exemplarischer Bedeutung ist. Diese Debatte in Sicht auf eine wirksame politische Positionierung zu führen, könnte durch die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine, im Irak, in Syrien, Libyen, Israel und Palästina kaum mit größerer Dringlichkeit erfüllt werden. Die im GÜZ Altmark in großem Stil ermöglichte Ausbildung für den Krieg in den Städten läßt ahnen, gegen wen der Frieden der Paläste in Zukunft hergestellt werden soll.

Installation 'Beispiele für Aufstandsbekämpfung' - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Urban Warfare als Matrix der Sozialkontrolle

So enthüllt der Blick auf die Brutalität der Urban Warfare etwa am Beispiel des irakischen Fallujah die Konsequenz eines kriegerischen Denkens, das sich im Endeffekt immer gegen die Bevölkerung eines angegriffenen Staates oder einer bekämpften Aufstandsbewegung richtet. 2004 wurden von 50.000 Häusern der Stadt 36.000 zerstört. 65 Moscheen, 60 Schulen, die historische Stadtbibliothek, alle Regierungsgebäude und Elektrizitätswerke, das gesamte Abwassersystem, alle Kommunikationseinrichtungen und die sonstige zivile Infrastruktur fielen dem umfassenden Angriff der US-Streitkräfte auf diese Hochburg des irakischen Widerstands zum Opfer. 6000 der Bewohner, die dem Aufruf der Angreifer zum Verlassen der Stadt nicht folgten, wurden getötet, 300.000 verloren ihr Heim. Wer überlebte, wurde in den folgenden Jahren einem rigiden Regime permanenter Kontrolle unterworfen. Die zurückkehrenden Einwohner Fallujahs wurden mit Ausweisdokumenten ausgestattet, die sie unter Androhung empfindlicher Strafen stets bei sich zu tragen hatten. Die elektronisch lesbaren Pässe waren mit den biometrischen Merkmalen ihrer Halter ausgestattet, so daß die Patrouillen der US-Armee stets die Möglichkeit besaßen, die Identität einer Person zweifelsfrei festzustellen.

Dieses Konzept wirksam zu kontrollierender Sonderzonen wurde anschließend auch in Bagdad eingesetzt. Der dabei verwendete Begriff der Gated Communities, mit dem in den USA durch private Sicherheitsdienste hermetisch abgeschirmte Stadtteile oder Ortschaften bezeichnet werden, die sich in Privateigentum befinden und zu denen nur Zugang hat, wer über eine besondere Erlaubnis verfügt, wurde auf den Kopf gestellt. Die US-Streitkräfte isolierten ganze Stadtteile durch ein System von Straßensperren, Kontrollpunkten und natürlichen Hindernissen, um dort aktive oder lebende Kräfte des Widerstands dingfest zu machen. Nach dem Abschotten dieser Zonen wurde ein Zensus abgehalten, um genau zu bestimmen, wer in dem Gebiet lebt. Alle dabei erfaßten Personen erhielten Pässe mit biometrischen Identifikationsmerkmalen und wurden in einer Datenbank erfaßt, so daß jeder Checkpoint und jede Patrouille sofort feststellen konnte, ob die jeweilige Person legal in dem Stadtteil lebt. Anschließend wurde das ummauerte Gebiet Haus für Haus durchkämmt, um es von "terroristischen Elementen zu säubern", wie es im Jargon der US-Militärsprecher hieß. Wer dabei ohne Ausweis aufgegriffen wurde, mußte damit rechnen, verhaftet und bei nicht zufriedenstellendem Nachweis seiner Identität und Absichten gefoltert zu werden.

Die Strategie, den aus Bevölkerungen hervortretenden Widerstand gegen ausländische Aggressoren unmöglich zu machen, indem die Menschen selbst zum Objekt der Kriegführung werden, ist ein klassisches Mittel der Aufstandsbekämpfung, das etwa in Vietnam mit der Umsiedlung ganzer Dorfbevölkerungen zur Etablierung sogenannter Free Fire Zones angewendet wurde. Was dort nicht funktionierte, weil man es dennoch nicht schaffte, die Guerilla von der Landbevölkerung zu trennen, wurde mit Hilfe moderner Überwachungstechnik und Datenerfassung im Irakkrieg perfektioniert. Da die Abschottung ganzer Stadtviertel nur erfolgreich sein kann, wenn die Möglichkeiten ihrer Bewohner wie aller anderen Personen, ihre Grenzen zu überschreiten, stark eingeschränkt werden, handelt es sich dabei im Grunde genommen um die Einrichtung urbaner Lager. Intensive Verkehrskontrollen und rigide Zugangsbeschränkungen haben unter anderem zur Folge, daß Fahrzeuge nur mit Sondererlaubnis durch die Checkpoints gelangen. Mittels Stacheldraht, Mauern oder Erdwällen ist die Abschottung physisch verwirklicht. Hinzu kommen die umfassende Observation des Gebiets aus der Luft und mit Überwachungskameras inklusive der dort vorhandenen Telekommunikationseinrichtungen, eine ständige Präsenz bewaffneter Soldaten, die genaue Erfassung der dort lebenden Menschen, die Verhängung einer rigiden Ausweispflicht und nicht zuletzt Notstandsvollmachten, die es erlauben, mit der Bevölkerung nach Belieben umzuspringen - die Gated Communities Bagdads verfügten über alles, um als Labor moderner Sozialkontrolle zu fungieren.

Werbung der Berliner Zeitung mit Fußballspieler und Einschußloch - Foto: © 2014 by Schattenblick

Der Krieg kehrt heim ...
Foto: © 2014 by Schattenblick

Globales Krisenmanagement im Zeichen neuer Herrschaftstechniken

Da die Entwicklung derartiger Methoden, wenn sie nicht ohnehin für die Aufstandsbekämpfung im eigenen Land gedacht ist, in der Bundesrepublik über den grundgesetzlichen Auftrag zur Landesverteidigung weit hinausgehen, kommt den modernen Formen der Kriegführung mit Schwerpunkt auf bürgerkriegsartige Eskalationen und sogenannte asymmetrische Kriege große Bedeutung für die bürgerrechtliche und demokratische Entwicklung der Bundesrepublik zu. Um an der militärischen Eroberung und Kontrolle von Metropolen, Megacities und urbanen Agglomerationen teilzuhaben, in denen die Mehrheit der Menschen heute lebt, wird das defensive Konzept der Landesverteidigung unter humanitären Vorwänden wie der sogenannten Schutzverantwortung zur interventionistischen Kriegführung transformiert. Dabei reflektieren die das Interesse der Bevölkerungen in den Ländern des globalen Südens an einer eigenständigen Entwicklung grob mißachtenden Ordnungsvorstellungen und Vergesellschaftungskonzepte westeuropäischer und nordamerikanischer Akteure den fragilen Charakter eines kapitalistischen Weltsystems [7], dessen Wertschöpfung sich an den unterschiedlichen Produktivitätsniveaus und Entwicklungsdynamiken regionaler und nationaler Wirtschafts- und Währungsräume orientiert.

Wo die Menschen nicht damit einverstanden sind, die Sicherung ihrer existentiellen Bedingungen transnationalen Akteuren zu überlassen, die Nahrung, Wasser und Energie privatisieren und monopolisieren, um sich anzueignen, was als Daseinsvorsorge den daran beteiligten Menschen und Kommunen überlassen sein sollte, werden sie, wenn die Instrumente der Schuldenwirtschaft und Handelspolitik versagen, auch mit militärischen Mitteln bekämpft. Wie die Kriege gegen den Irak und Libyen gezeigt haben, können selbst die Bevölkerungen despotisch regierter Staaten noch empfindliche Einbußen an Lebensqualität erleiden, wenn sie im Namen zivilisatorischer Ideale "befreit" werden. Dabei geht es den Herolden dieser Werte noch nicht einmal vorgeblich um die Besserstellung sozial unterprivilegierter Menschen. Die Durchsetzung ordnungspolitischer und bündnisstrategischer Absichten, denen die staatskapitalistischen Strukturen dieser Länder bislang im Wege standen, soll ihnen vielmehr dazu verhelfen, die Ware Arbeitskraft dem Kosten- und Rationalisierungsdruck einer auf den Weltmarkt orientierten Ökonomie auszusetzen.

Die programmatische Neuordnung der Welt, die in den Kriegen seit dem Zerfall der realsozialistischen Staatenwelt vor einem Vierteljahrhundert vollzogen wurde und wird, bewirkt allen Behauptungen zum Trotz, das internationale Finanzkapital treibe die Regierungen der NATO-Staaten vor sich her, keine Schwächung des staatlichen Gewaltmonopols. Dieses dient vielmehr dazu, die privatwirtschaftliche Ordnung selbst den reklamierten Grundlagen der freien Konkurrenz und freien Preisbildung zu entheben, wie in der Leninschen Theorie vom Imperialismus als "höchstem und letzten Stadium des Kapitalismus" wegweisend prognostiziert. So wälzt der derzeitige, durch diverse sogenannte Freihandelsabkommen vollzogene Strukturwandel in den internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen die privatwirtschaftliche Ordnung auf eine Weise um, die nicht nur verbliebene Garantien sozialer Daseinsvorsorge bedroht. Auch die Standesprivilegien des Bürgertums sind in Frage gestellt, wenn transnational agierende Monopole Marktmacht und Investitionsschutz gegen alle ausspielen, die nicht das Innerste nach außen kehren, um es noch auf irgendeine Weise in Wert zu setzen. In der Verkennung, für diese Entwicklung wäre jemand anderes als die eigenen Funktions- und Geldeliten verantwortlich, vertiefen sich nationalistische und rassistische Ressentiments, was die Feindseligkeit der Überlebenskonkurrenz nicht wirksamer verschärfen könnte.

Schautafel 'Krieg und Kapitalismus' - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Im Kern geht es um die Transformation des Menschen zum umfassend verfügbaren Partikel ihm fremder Verhältnisse. Wo unkontrollierbare Subjektivität oder gar sozialer Widerstand vermutet werden, schlägt die Stunde einer administrativen Verfügungsgewalt, die die verbliebenen Möglichkeiten demokratischer Partizipation durch innovative Strategien der Verrechtlichung und Governance ablöst. Der Mensch soll den Forderungen einer sozialdarwinistischen Leistungsgesellschaft unterworfen werden, in der darüber entschieden wird, ob er der verlangten Norm der Produktivität genügt und dementsprechende Privilegien des Verbrauchs in Anspruch nehmen kann oder ob er als bloßer Kostenfaktor verschiedenen Formen der Zwangsverwaltung unterworfen wird. Hier erweist sich die Bundesrepublik mit der Entrechtlichung als unproduktiv stigmatisierter Menschen durch Hartz IV, mit Gewerkschaften, die durch Standortprimat und Sozialpartnerschaft auf die Erwirtschaftung des nationalen Produkts eingeschworen sind, mit der auf normative Integration abgerichteten Ausländerpolitik, mit der gesundheitsökonomischen Zurichtung des Menschen auf die Bezichtigungslogik der Selbstsorge, mit der zivilgesellschaftlichen Widerspruchsregulation durch die Stellvertreterpolitik der Einheitsparteien und NGOs, mit kulturindustrieller Massenbespaßung, mit auf die Erwirtschaftung hoher Renditen orientierten Medienkonzernen und dem auf Staatsziele festgelegten öffentlich-rechtlichen Rundfunk als nicht umsonst für seine hochgradige Befriedungseffizienz bewundertes Gesellschaftsmodell.

Der Bestand eines Kapitalismus, der sich zusehends über Eigentumstitel, Börsenwerte, Lizenzhandel und andere Formen von der Mehrwertproduktion abgekoppelter Akkumulation reproduziert und dabei stets den Zusammenbruch aufgelaufener Schuldenkaskaden riskiert, kann nur über einen politisch bestimmten Kredit gesichert werden, der als sogenannte Staatsverschuldung den Legitimationscharakter eines quasi naturgegebenen Sachzwangs annimmt. Die bürgerliche Eigentumsordnung ist längst darüber hinweg, die sozial ungerechte Umverteilung im Überfluß vorhandener materieller Werte zu praktizieren. Da die privat angeeigneten Geldmengen durch den Tauschwert der stofflichen, zum Erhalt des Lebens erforderlichen Güter und Leistungen nicht mehr zu decken sind, aber ihren nominellen Tauschwert dennoch unter Einsatz des politisch fundierten Kredits behalten, treten sie als permanente Forderung an die Adresse derjenigen Menschen in Erscheinung, die darauf angewiesen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Diese in der Eigentumsordnung verankerte Verfügungsgewalt über das Produkt der Arbeit anderer versetzt die Eigentümerklasse in die Lage, die Bedingungen der gesellschaftlichen Reproduktion solange diktieren zu können, wie der Staat dieses neofeudale Herrschaftsverhältnis durch seine Rechts- und Gewaltorgane durchsetzt.

Schautafel 'Krieg und Neokolonialismus' - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Mangelverwaltung hat die Reichtumsproduktion als zentrales Paradigma der permanent manifesten Krise einer Welt abgelöst, die im fast synchronen Verlauf destruktiver Entwicklungen den sozialen Niederschlag der Globalisierung neoliberaler Marktwirtschaft erlebt. Befeuert wird die Krise des Kapitals über das konstitutive Mißverhältnis von Produktion und Akkumulation hinaus durch die stofflichen Grenzen der Nutzung natürlicher Ressourcen und durch die Auswirkungen des Klimawandels insbesondere auf die Ernährung. Nicht nur die auf den Verkauf der Ware Arbeitskraft beschränkte Lohnabhängigenklasse, sondern vor allem die Milliarden von jeder Aussicht auf das Erreichen angemessener Lebensbedingungen abgehängten Menschen haben allen Grund, gegen den anwachsenden Verlust an Lebenschancen aufzubegehren. Wird dieser - etwa im Fall von Nahrungsmittelverknappung - akut existenzbedrohend, drohen gesellschaftliche Erschütterungen, die sich mit den bewährten sozialstrategischen Spaltungs- und Atomisierungsprozessen nicht mehr im Zaum halten lassen.

Die in mehreren Ländern aufgrund eines drastischen Preisanstiegs bei Getreide ausgebrochenen Hungeraufstände der Jahre 2007 und 2008 waren Vorboten eines Kontrollverlustes, der in der akut werdenden Krise um so nachdrücklicher in seine Schranken gewiesen werden sollte. Um wieder in die Vorhand administrativer Regulation zu kommen, wurden die gesellschaftlichen Verwerfungen, die das physische Überleben selbst in südeuropäischen Peripheriestaaten wie Griechenland und Portugal in Frage stellten, als Labors innovativer Befriedungsszenarios auf der Höhe der erreichten Widerspruchslage genutzt [8]. Das Scheitern potentiell sozialrevolutionärer Bewegungen erklärt sich zumindest zum Teil aus der hochgradigen Adaptionsfähigkeit herrschender Interessen, die in der polizeilichen und militärischen Aufstandsbekämpfung die exponierteste Form immanenter Widerspruchsregulation annimmt.

Installation mit beflaggtem Soldatensarg - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Drängende Fragen für einen Antimilitarismus auf der Höhe der Zeit

Sich mit der Frage von Krieg und Frieden, der Militarisierung von Politik und Gesellschaft sowie möglicher Gegenmaßnahmen zu befassen, erfordert mithin mehr, als gegen die Kriegführung der Bundeswehr oder die Waffenexporte der deutschen Rüstungsindustrie zu protestieren. Während die Notwendigkeit, den Interventionskriegen der NATO-Staaten mit einer möglichst breit aufgestellten Bewegung entgegenzutreten, an Dringlichkeit zunimmt, kann die Zurichtung des Menschen auf ein Subjekt sozialdarwinistischer Vergesellschaftung für das Verständnis der immer weniger klar zu ziehenden Trennlinie zwischen Krieg und Frieden nicht ignoriert werden. Die bloße, als Frieden firmierende Abwesenheit mörderischer militärischer Repression stellt sich für Milliarden Menschen, denen das Leben am Existenzminimum alles abfordert, was sie brauchten, um die Überwindung ihrer Unterwerfung überhaupt in Angriff zu nehmen, als eine Form des sozialen, mit der Peitsche des materiellen Mangels und der Androhung physischer Gewalt geführten Krieges dar. Was die von unmittelbarer Existenznot befreite Minderheit der Weltbevölkerung als Privileg genießen kann, zumindest Zeit und Mittel zu haben, nach einem selbstbestimmten Leben zu streben oder sich schlicht in die herrschende Ordnung einzufügen, bleibt der großen Mehrheit der Menschen aus dem profanen Grund vorenthalten, daß die Sicherung des täglichen Lebens alle Sinne, alles Denken und alle Lebensenergie in Anspruch nimmt.

Der bis weit in das aufgeklärte Bürgertum und die emanzipatorische Linke hineinreichende Trugschluß, innerhalb Europas und unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ein friedliches Leben mit relativer sozialer Gerechtigkeit führen zu können, wenn nur etwas mehr umverteilt würde und die ökologische Problematik mit Marktregulativen bewältigt würde, erweist sich zusehends als solcher. Die Maßgaben polizeilicher Aufstandsbekämpfung stehen den ohnehin geringen Möglichkeiten, außerhalb der parlamentarischen Variante klassengesellschaftlicher Herrschaft die Stimme zu erheben, mit anwachsender Effizienz entgegen. Die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern als Einhegung des neofeudalen Charakters der herrschenden Eigentums- und Staatsordnung erscheinende Rechtsordnung erweist sich als Papiertiger, wenn diese Verhältnisse von unten in Frage gestellt werden. Mit dem Versuch, die Expansion der EU und NATO nach Osteuropa gegen Rußland durchzusetzen, ist die Möglichkeit, daß 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten und 75 Jahre nach dem des Zweiten Weltkriegs eine weitere Kriegskatastrophe von globaler Dimension Gestalt annimmt, nicht mehr unvorstellbar geworden. Eine Bundesregierung, die behauptet, einen Wirtschaftskrieg vom Zaun brechen zu können, ohne damit das Risiko seiner militärischen Eskalation einzugehen [9], handelt im mindesten Falle fahrlässig.

Selbst wenn es nicht zum äußersten kommt, sorgt die Rohstoff- und Energieproblematik dafür, daß weitere Interventionskriege jederzeit möglich sind. Dabei sucht die nach außen gerichtete Ressourcensicherung ihre Herkunftsländer in Form zusehends staatsautoritär agierender Regierungen und einer Sicherheitsdoktrin heim, die über ein historisch in seiner Allgegenwart, Tiefenwirkung, Vernetzung und Prognosefähigkeit nie dagewesenes Arsenal an elektronischer Erfassung und Überwachung verfügt. Die damit etablierte Sozialkontrolle beginnt bei der Bekämpfung sogenannter Radikalisierungstendenzen [10], die Normabweichungen empirisch evaluiert und zur Transformation individuellen Verhaltens operationalisiert, und hört bei der akribischen Untersuchung der Vermögenslage und Lebensbedingungen der "Kunden" der Arbeitsagentur noch lange nicht auf.

Wo unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung die Grenzen zwischen Außen- und Innenpolitik, zwischen äußerer und innerer Sicherheit, zwischen dem Zivilen und Militärischen in der Staats- und Regierungsdoktrin konzeptionell aufgehoben werden, wird der Ausbildung neuer, den Primat der Staatsräson und Eigentumsordnung verabsolutierender Rechtsformen freie Bahn gegeben. Die Relativierung des völkerrechtlichen Gewaltverbots durch die sogenannte Schutzverantwortung und das Plazet des Bundesverfassungsgerichts zum bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Innern [11] sind zwei Entwicklungen, die die Neudefinition staatlicher Kriegführung als humanitäre und polizeiliche Intervention im Rahmen einer angeblichen Weltinnenpolitik legitimieren.

War Starts Here - Bilder antimilitaristischer Aktionen - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Der offenkundige Widerspruch, die Totalisierung des Sicherheitsprimats im Namen von Freiheit und Demokratie zu vollziehen und im Ergebnis das Gegenteil dieser Ideale zu produzieren, wird durch den Klassiker autoritärer Staatsräson "Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit" mit letztinstanzlicher Gültigkeit aufgehoben. Emblematisch für diesen Verfall grundrechtlicher Garantien ist die Figur des "illegal enemy combatants", der per Dekret zum Feind erklärt und als solcher verfolgt wird, ohne daß ihm eigens ein strafrechtliches Vergehen nachgewiesen werden muß. Das deutsche Pendant zu diesem Ergebnis des US-amerikanischen "Global War on Terrorism" ist der zum "Gefährder" hochgestufte und dadurch besonderer Überwachungsmaßnahmen ausgesetzte "Terrorverdächtige". Man muß nicht mit der gegen die deutsche Kriegsmaschinerie des Ersten Weltkriegs gerichteten Parole Karl Liebknechts "Der Hauptfeind steht im eigenen Land!" konform gehen, um angesichts der Ausbildung eines solchen Feindstrafrechts den Maßnahmen einer präventiven Aufstandsbekämpfung zum Opfer zu fallen, mit der Ruhe an der Heimatfront hergestellt werden soll.

Der Logik einer exekutiven Ermächtigung, die die Aufhebung der Freiheit politischer Selbstbestimmung und die Anwendung militärischer Gewalt im Sachzwang akuter Krisenbewältigung verortet, basiert auf der strikten Ausblendung wesentlicher Faktoren, die zu dieser Krise geführt haben. Der eigene Anteil an der Eskalation sozialer, ökonomischer und ökologischer Katastrophen bleibt ungenannt oder wird auf symbolpolitische Weise an UN-Agenturen oder weltweit aktive NGOs delegiert, um interventionistischen Handlungsbedarf zu legitimieren und die Normalität eines permanenten Ausnahmezustands zu etablieren, der die schleichende Aufhebung demokratischer Freiheiten über einen Punkt ohne Wiederkehr hinaustreibt.

Schautafel 'Möglichkeiten des Widerstands' - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Das wiederum träfe nicht nur Friedensbewegte, antimilitaristische Aktivistinnen oder linke Parteien ins Mark ihrer Handlungsmöglichkeiten, sondern konfrontierte alle Menschen damit, daß die Gewißheit, mit der sie ihre bürgerlichen Freiheiten und ihre materielle Existenzsicherung in Anspruch nahmen, stets nur ein Lehen des staatlichen Gemeinwesens war, dem sie angehören. Über die weitreichenden Implikationen und Konsequenzen aufzuklären, die mit der Militarisierung der Gesellschaft und der aggressiven Durchsetzung außenpolitischer Ziele einhergehen, wäre ein wertvolles Unterfangen für eine Bewegung gegen den Krieg, die die eigene Verantwortung für ihn nicht einfach wegbehauptet, sondern ihr vorbehaltlos auf den Grund geht.

Dies ist auch deshalb vonnöten, weil Antimilitaristinnen und Antimilitaristen heute mit Regierungen konfrontiert sind, die ihr kriegerisches Handeln zum Teil auf antifaschistische Motive gründen. Der humanitäre Interventionismus der NATO war unter anderem das Ergebnis eines Geschichtsrevisionismus spezifisch linker Couleur, wie die vielen Protagonisten einer angeblich menschenfreundlichen Militarisierung belegen, die in den 1990er Jahren die Mobilisierung der NATO gegen das postsozialistische Jugoslawien propagierten. So legitimierte der grüne Außenminister Joseph Fischer den Überfall der NATO auf das Land mit der Behauptung, es gehe darum, ein neues Auschwitz zu verhindern, woraus der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Rekrutengelöbnis im Berliner Bendlerblock am 20. Juli 1999 den Schluß zog, die Bundeswehr sei "tatsächlich eine Friedensstreitmacht", angetreten dazu, "Verantwortung für die Menschenrechte zu übernehmen - auch und gerade dort, wo deutsche Armeen in der Vergangenheit Terror und Verbrechen über die Völker gebracht haben".

Schautafeln mit Tarnnetz, 'Krieg und Patriarchat' - Fotos: 2014 by Schattenblick Schautafeln mit Tarnnetz, 'Krieg und Patriarchat' - Fotos: 2014 by Schattenblick

Fotos: 2014 by Schattenblick

Die Logik militärisch aktiver Wiedergutmachung bedient sich ideologiekritisch erscheinender Argumente, um die angebliche Alternativlosigkeit militärischer Gewaltanwendung gegen jeden Einspruch gefeit zu machen, der sich auf einen antimilitaristischen Konsens beruft. Die Okkupation emanzipatorischer Ideale für den Krieg ist so wirkmächtig, daß die Bundesregierung und die oppositionellen Grünen im Fall der Ukraine mit einer von Neofaschisten durchsetzten Putschbewegung und -regierung paktieren können, ohne in der beanspruchten Moralität ihres Handelns angreifbar zu werden. Um das breite Feld zwischen imperialistischer Landnahme und wertegestütztem humanitären Interventionismus zu beackern, werden hochwirksame Techniken massenmedialer und wissenschaftlicher Legitimationsproduktion aufgeboten. Diese setzen nicht zuletzt darauf, daß die Bevölkerung sich lieber nicht darüber klar wird, keineswegs gegen die sozialchauvinistische Stigmatisierung gefeit zu sein, der "Pleitegriechen", "Wirtschaftsflüchtlinge", "Armutsmigranten" oder andere Opfer eines Raubbaus ausgesetzt sind, den sie nicht zu verantworten haben. Demgegenüber eine Position zu entwickeln, die sich nicht durch den Vorwurf irre machen läßt, man überließe Menschen in höchster Not ihrem Schicksal, wenn man gegen kriegerisches Staatshandeln antritt, könnte für die Zukunft des antimilitaristischen und friedensbewegten Widerstands von zentraler Bedeutung sein.

Ankündigung der Ausstellung 'Störmanöver an der Heimatfront' - Grafik: War-Starts-Here-Kampagne

Grafik: War-Starts-Here-Kampagne


Fußnoten:


[1] http://www.berliner-zeitung.de/politik/russisches-gefechtsuebungszentrum-mulino-soldaten-schiessen-mit-laserkanonen,10808018,28032078.html

[2] http://www.rheinmetall.com/de/rheinmetall_ag/press/news/aktuell_1/news_details_4224.php

[3] http://www.welt.de/politik/deutschland/article131057577/Bundeswehr-soll-in-Israel-den-Tunnelkampf-lernen.html

[4] http://www.warstartsherecamp.org/de/aufruf-zum-camp-2014

[5] http://www.gewaltfreie-aktion-guez-abschaffen.de/ueber-uns/

[6] http://krieg.nirgendwo.info/files/stoerbroschuere-WEB.pdf

[7] REZENSION/300: Robert Kurz - Das Weltkapital (Politik) (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar300.html

[8] REZENSION/565: Detlef Hartmann, John Malamatinas - Krisenlabor Griechenland (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar565.html

[9] HEGEMONIE/1784: Sanktionspolitik gegen Rußland - Zündeln am Weltkrieg (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/hege1784.html

[10] REPRESSION/1385: Den "Feind" sezieren ... neues EU-Projekt politischer Kontrolle (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/repr1385.html

[11] BERICHT/125: Kapitalismus final - Krieg Ratio der Ohnmacht (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0125.html
BERICHT/166: Herrschaft in der Krise - Mangel, Druck und Staatsräson (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0166.html


Ein virtueller Rundgang durch die Ausstellung "Störmanöver an der Heimatfront" siehe unter
http://www.youtube.com/watch?v=l3oSKfjjel8


13. August 2014