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BERICHT/223: Treffen um Rosa Luxemburg - Wasser predigen ... (SB)


Schattenspiel Parlamentarismus

21. Rosa Luxemburg Konferenz in Berlin


"Kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun - Selber tun!" - das Motto der diesjährigen Internationalen Rosa Luxemburg Konferenz ist sicherlich nicht als Aufforderung zu individueller Selbstverwirklichung zu verstehen. Daß die Marktsubjekte der neoliberalen Arbeitsgesellschaft kaum vereinzelter sein könnten und ihnen die Konkurrenz um die knapper werdenden Überlebensressourcen regelrecht in den Leib getrieben wird, ist nicht zuletzt das Ergebnis des Imperativs gnadenloser Leistungsbereitschaft und permanenter Selbstoptimierung. "Eigenverantwortlich" den Wert der Ware Arbeitskraft zu steigern und den dadurch vermeintlich bekämpften Verlust an Lebensqualität erst recht zu erleiden, ist Ausdruck einer Fremdbestimmung, die alles andere als frei vom Einfluß grausamer Götter und fremder Interessen ist. Wo das Eigene als Vermögen, sich marktgerecht zu verkaufen, adressiert wird, wird dem Menschen auf subtile Weise genommen, was als Maß des Lohnes stets das Weniger dessen beziffert, was er als Mehr zu produzieren hat, um Verhältnisse zu sichern, denen er ohnmächtig ausgeliefert ist.

Um dagegen etwas zu tun, hilft kein Warten auf bessere Zeiten oder neue Heilsbringer. Auf irgend etwas oder jemanden zu warten, ist in Anbetracht der sich rapide beschleunigenden Entwicklung der Produktionsverhältnisse weniger empfehlenswert denn je, ist doch die informationstechnische Rationalisierung nicht nur der Arbeit, sondern aller Lebenswirklichkeit gerade darauf angelegt, im Interesse Dritter vorwegzunehmen, was der total in-formierte Mensch gerade noch nachvollziehen kann. Wer nicht als Empfänger medialisierter Signalfunktionen und ausführendes Organ herrschaftlicher Kommandos, deren Voraussetzungen er als Produzent der Daten seiner Verwaltbarkeit beflissen bereitstellt, durch das System gesellschaftlicher Sozialkontrolle verfügbar gemacht werden will, tut gut daran, sich nicht in "sozialen Netzwerken" zu verlieren, sondern Kollektivität in direkter Begegnung - neudeutsch face to face oder in real life - wiederzuentdecken.


Banner mit Konferenzmotto an der Dachkante der Urania - Foto: © 2016 by Schattenblick

Der Himmel ist leer ...
Foto: © 2016 by Schattenblick

Ein Treffen mit über 2600 Gästen und einem umfassenden Programm politischer Debatten wie auch kultureller Animation ist dazu nicht nur bestens geeignet, sondern bietet darüber hinaus Gelegenheit, etwas über den Stand und die Aussichten linker Politik in der Bundesrepublik in Erfahrung zu bringen. Zum 21. Mal veranstaltet von der Tageszeitung junge Welt, die als überregionale Publikation allen materiellen Widrigkeiten und ideologischen Anwürfen zum Trotz antikapitalistischen und revolutionären Stimmen ein Forum bietet, gibt sich in den Sälen der Berliner Urania jedes Jahr im Januar die radikale Linke der Bundesrepublik ein Stelldichein. Daß dieses Mal noch vor Ankündigung der Konferenz so viele Vorbestellungen für Eintrittskarten vorlagen wie noch nie und der Vorverkauf eine Woche zuvor eingestellt werden mußte, wie jW-Chefredakteur Arnold Schölzel gegenüber dem SB erklärte, zeigt, daß der Bedarf an Auseinandersetzung und Gespräch über radikal linke Politik - den desaströsen gesellschaftlichen Umständen allemal adäquat - zunimmt. So konnte der Hauptsaal der Urania den größten Teil des Tages nurmehr betreten werden, wenn er gleichzeitig von einer entsprechenden Zahl von Zuhörerinnen und Zuhörern verlassen wurde.

Daß dieses Treffen stets im Gedenken an die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts am 15. Januar 1919 kurz nach der Gründung der KPD und dem Scheitern der Novemberrevolution erfolgt, ist angesichts dessen, daß die damals maßgeblich an der Niederschlagung des kommunistischen Aufstands beteiligte SPD als Regierungspartei Sachwalterin imperialistischer Politik ist, von unverminderter Bedeutung. Dementsprechend aufmerksam wurde die Rede verfolgt, in der die Co-Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag, Sahra Wagenknecht, vor vollem Haus umfassend Stellung zum Projekt einer rot-rot-grünen Bundesregierung bezog. Von viel Beifall begleitet, entwickelte sie eine dreiviertel Stunde lang Parameter linker Politik, die es unter derzeitigen Bedingungen nicht zuließen, daß Die Linke sich an einer solchen Regierung beteiligte. Ausgehend vom Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit, in dem sich Linke auf die Seite derjenigen zu stellen hätten, die von ihrer Arbeit leben müssen, mündete ihre Rede in die fundamentale Kritik deutscher Außenpolitik vor dem Hintergrund der diversen Auslandseinsätze der Bundeswehr.


Im Vortrag - Foto: © 2016 by Schattenblick

Sahra Wagenknecht
Foto: © 2016 by Schattenblick

Ebensowenig, wie eine Sozial- und Steuerpolitik, die die Ausbeutung durch Lohnarbeit begünstigt, für eine linke Partei akzeptabel sei, könne positiv Bezug genommen werden auf eine EU, die die in langen Kämpfen erstrittenen Errungenschaften demokratischer Entwicklung durch internationale Verträge und übernationale Institutionen einschränke. In Gesellschaften, in denen die Erhöhung der Kapitalrendite den Ton angebe, würden die Handlungsspielräume einer dem Interesse der Mehrheit der Menschen verpflichteten demokratischen Politik zusehends eingeengt.

Die von der EU ausgehenden sozialfeindlichen Zumutungen würden durch Freihandelsverträge wie CETA und TTIP weiter verschärft, so Wagenknecht. Unter ausdrücklichem Verweis auf den neoliberalen Vordenker Friedrich August von Hayek, dessen antidemokratische und ahistorische Doktrin vieles über die gesellschaftspolitische Zerstörungskraft des Neoliberalismus verrät, warnte sie vor der weiteren Ermächtigung transnationaler Konzerne in Folge dieser Vertragsabschlüsse. Eine Koalition mit Parteien, die derartige Verträge nicht kompromißlos ablehnen, sei dementsprechend ausgeschlossen.

Mit der Glaubwürdigkeit eigener Politik stehe und falle die Agenda linker Forderungen, so Wagenknecht auch und gerade in Hinsicht auf die von ihr ausführlich kommentierte Kriegsfrage. Die Menschen fliehen nicht vor Naturkatastrophen, sie fliehen vor Kriegen, die der Westen wesentlich mitgestaltet und mitinitiiert habe, legte die Politikerin den Finger in die Wunde des deutschen Imperialismus. Strategische Rohstoffinteressen und Absatzmärkte seien die Triebkräfte deutscher Kriegsbeteiligungen, nicht die Verteidigung der Menschenrechte. Wer Fluchtursachen bekämpfen wolle, der müsse Waffenexporte einstellen, so Wagenknecht unter großem Applaus des Publikums.

Natürlich gebe es auch Menschen, die einfach nur vor Armut fliehen, doch auch dabei liege ein Gutteil der Verantwortung in einer Politik der Marktöffnung, die den Ländern des Südens den Zusammenbruch der einheimischen Industrie wie der landwirtschaftlichen Produktion mit der Folge massenhafter sozialer Verelendung beschere. Diesen Vorgang mit dem Begriff "Wirtschaftsflüchtlinge" abzutun, zeuge von nichts als Arroganz, so Wagenknecht an die Adresse jener Politikerinnen und Politiker, die versuchen, Armut als Fluchtgrund auf eine selbstverschuldete Ursache schlechten Wirtschaftens zu reduzieren und dementsprechend nicht anzuerkennen.


Oskar Lafontaine im Publikum - Foto: © 2016 by Schattenblick

Applaus von berufener Stelle
Foto: © 2016 by Schattenblick

Dabei ließ es sich die Rednerin nicht nehmen, den angeblichen Kriegsgrund der NATO-Staaten, die Bekämpfung des Terrorismus, seiner Haltlosigkeit zu überführen. Nach 15 Jahren westlicher Kriegführung in Afghanistan hätten die Taliban mehr Rückhalt in der Bevölkerung als je zuvor, und auch der sogenannte IS melde dort inzwischen seine Ansprüche an. Daß die Eroberung des Iraks zu seiner Gründung geführt habe, er inzwischen das halbe Land beherrsche und auch in Libyen immer mehr Präsenz zeige, sind weitere Argumente für die Widerlegung vorgeschützter Kriegsgründe. Als Paradebeispiel für den in Sicht auf diese Vorwände kontraproduktiven Charakter westlicher Kriegspolitik kann Syrien gelten. Angeblich um einen unliebsamen Diktator im Interesse der Menschenrechte zu stürzen, wurde das Land so sehr destabilisiert, daß der IS in weiten Teilen die Herrschaft übernommen und die Menschen zu Millionen in die Flucht geschlagen hat.

Wer nun ernsthaft vertrete, die Bundesrepublik müsse Tornados und Kriegsschiffe nach Syrien schicken, um den Terrorismus zu bekämpfen, den halte sie für schwachsinnig oder für verlogen, so Wagenknecht, die kundtat, eher letzteres für zutreffend zu halten. Es sei niemals um Menschenrechte gegangen, und das nicht nur, weil die USA Assads Foltergefängnisse früher selber genutzt haben. Wer sich über Faßbomben empöre, unterschlage, daß die USA in vielen Kriegen Streubomben und Uranmunition, in Vietnam sogar Chemiewaffen, eingesetzt haben, was tödliche Folgen bis auf den heutigen Tag zeitige.


Sahra Wagenknecht am Rednerpult - Foto: © 2016 by Schattenblick

Kämpferische Positionsbestimmung der parlamentarischen Linken
Foto: © 2016 by Schattenblick

Die sogenannten Kriege gegen den Terrorismus hätten mittlerweile drei Millionen Menschenleben gekostet, und zwar überwiegend Zivilisten, weshalb man sich nicht wundern könne, warum in den betroffenen Ländern der Haß auf den Westen wächst. An dieser Stelle wiederholte die Fraktionsvorsitzende der Linken, was in der Bundestagsdebatte zur Beteiligung der Bundeswehr am Syrienkrieg Anfang Dezember große Empörung unter den Abgeordneten der Regierungsparteien ausgelöst hatte:

"Krieg schürt Terror, denn Krieg ist Terror. Deshalb muss ich auch noch mal ganz deutlich sagen: Ja, ich stehe auch zu der Aussage - und ich finde es eigentlich blamabel, dass sich andere darüber aufregen und das noch irgendwie problematisch finden - selbstverständlich ist das kein geringeres Verbrechen, mit Bomben in Syrien Menschen zu töten oder mit Drohnen in Afghanistan und in Pakistan Zivilisten zu ermorden, es ist kein geringeres Verbrechen, als in Paris herumzuschießen in irgendwelchen Restaurants und Konzertsälen. Es sind beides furchtbare Verbrechen und beides ist Mord, und es gibt nicht Tote unterschiedlicher Klassen." [1]


Sahra Wagenknecht vor Rosa Liebknecht-Konterfei - Foto: © 2016 by Schattenblick

Revolutionäre Geschichte verpflichtet
Foto: © 2016 by Schattenblick

Regierungsbeteiligung ... eine müßige Frage?

Mit den abschließenden Worten, daß es keine Menschenrechtskriege gebe, "denn Krieg ist das größte Menschenrechtsverbrechen", was "immer wieder deutlich zu machen und auszusprechen" sei, war sich die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei der ungeteilten Zustimmung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz sicher. Die Stoßrichtung ihrer Rede, die Unvereinbarkeit der Linken mit einer SPD festzuzurren, die dies ganz anders sieht, wirft allerdings die Frage auf, ob die Debatte um eine rot-rot-grüne Bundesregierung nicht ohnehin müßig ist. Diese Frage auf den jeweils aktuellen Stand rot-grüner Politik zu beziehen, läßt nur scheinbar offen, daß das unverbrüchliche Festhalten an den von Sahra Wagenknecht formulierten Positionen linker Politik jemals etwas anderes zur Folge hätte, als die Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei enttäuschen zu müssen. Warum sollten die einzig in Frage kommenden Koalitionspartner der Grünen und der SPD, in deren Regierungsverantwortung nicht nur die deutsche Beteiligung am Überfall der NATO auf Jugoslawien erfolgte, sondern auch wesentliche Grundlagen für den neoliberalen Umbau der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft gelegt wurden, jemals die Negation der deutschen Staatsräson vollziehen, wenn die Aufgabe des Parlamentarismus in der repräsentativen Demokratie doch darin besteht, ihre politische Durchsetzung mit dem Mäntelchen mehrheitlicher Zustimmung zu umhüllen?

So war der Auftritt der Politikerin auf der größten verbliebenen Veranstaltung der antiimperialistischen internationalistischen Linken in der Sache von erfrischender Gradlinigkeit und Konsequenz. Nachdem große Teile der Linken in den Institutionen des Staates, der Wissenschaft und Wirtschaft angekommen sind und linke Inhalte durch staatstragende Bekenntnisse ersetzt wurden, ist es geradezu aufsehenerregend, wenn im Parlament vertretene Stimmen auch einmal wirklichkeitstaugliche Einblicke in die gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse bieten. Insofern ihre Rede an jene Funktionäre und Mitgliederinnen der eigenen Partei gerichtet war, die seit der Existenz der PDS und PDL das Projekt einer Regierungsbeteiligung unter Inkaufnahme des Verlassens zentraler Positionen linker Politik verfolgen, ist sie zweifellos von hoher Relevanz. Wendet man jedoch die im anschließenden Podiumsgespräch verhandelte Frage "Kröten schlucken oder Zähne zeigen: Ist die Linke noch zu retten?" auf sie an, dann rücken vor allem die Auslassungen ihrer programmatischen Ansage in den Vordergrund.

Dies betrifft insbesondere das Einknicken der griechischen Regierungspartei Syriza gegenüber den Forderungen der Gläubiger im Sommer letzten Jahres. Solange diese von ihrer deutschen Schwesterpartei als Opfer eines Staatsstreiches dargestellt wird, muß die weiterführende Analyse dieses die Linke in der EU weit über die Grenzen Griechenlands hinaus in die Defensive drängenden Schrittes Syrizas unterbleiben. So wenig hilfreich es ist, ihrem Parteichef, dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, mit dem moralischen Zeigefinger "Verrat" anzulasten, so unerläßlich ist die Einsicht in die Gewißheit, daß einmal angelegte Daumenschrauben nicht gelockert werden, bevor die Unterwerfung unter den faktischen Kolonialstatus Griechenlands nicht unumkehrbar vollzogen wurde [2].

Für die Sachwalter der Troika gibt es keinen Grund, die schrittweise Kapitulation Syrizas anders denn als Einladung zur Fortsetzung des Ausverkaufs des Landes zu verstehen. Dies um so mehr, als die Errichtung eines Soziallabors, in dem die Belastbarkeit der Bevölkerung durch die Folgen des Schuldendiktats und Austeritätsregimes auf exemplarische Weise studiert und vorgeführt werden kann, den wesentlichen Zweck verfolgt, die Zukunft einer EU-europäischen Mangelverwaltung vorwegzunehmen. Wo kein konsequenter Widerstand geleistet, sondern eine Zumutung nach der anderen akzeptiert wird, da können die Technokraten der Macht die Waffen zur Sicherung herrschender Verhältnisse fast ungestört schärfen.

Wenn Sahra Wagenknecht auf den Plan B verweist, mit Hilfe dessen führende Politiker der europäischen Linken wie Gianis Varoufakis, Jean-Luc Mélenchon und Oskar Lafontaine soziale und demokratische Fortschritte innerhalb der herrschenden europäischen Ordnung durchsetzen und schließlich eine grundlegende Neuverhandlung der europäischen Verträge erreichen wollen, dann verwendet sie sich für eine Strategie kleinschrittiger Reformen, die keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet, sich von der hochgradigen Adaptionsfähigkeit kapitalistischer Staatsapparate und massenmedialen Akzeptanzmanagements nicht einbinden und in ihr Gegenteil verkehren zu lassen. Wie dies vonstatten geht, wäre am Beispiel des an Griechenland exemplifizierten Krisenmanagements anschaulich zu machen und zu kritisieren.

Wenn die ungestellte Frage nach den handelnden Subjekten politischer Entwicklung bei einer klassenkämpferischen Linken nicht im Mittelpunkt des Bemühens um neue Streitpositionen steht, bleibt parlamentarische Stellvertreterpolitik der Weisheit letzter Schluß. Diese wiederum bietet beste Voraussetzungen dafür, im politischen Geschäft beheimatete Funktionseliten herauszubilden, denen die konsensuelle Produktion realpolitischer Entscheidungen schon aus der bürokratischen Ratio der Apparate heraus und nicht zuletzt zur Legitimation eigener Existenzsicherung weit mehr einleuchtet als die Ausgangsposition einer Fundamentalopposition, sich als parlamentarischer Brückenkopf des politischen Kampfes auf den Straßen und Plätzen, in den Fabriken und Betrieben zu verstehen.

Gerade weil "die Klasse" in der Bundesrepublik heute kaum zerrissener und atomisierter sein könnte, gibt es für die Organisationen und Parteien der Linken zahlreiche Ansatzpunkte, um die herrschenden Widerspruchslagen anhand von Streiks, Blockaden, Boykotten und anderen Aktionsformen zu neuen Formen des sozialen Widerstands zu entwickeln. Daß das Potential für solche Mobilisierungen in der EU und darüber hinaus vorhanden ist, zeigen die Massenproteste und Generalstreiks der letzten Jahre in den Staaten der südeuropäischen Peripherie, die in Ägypten von den Belegschaften der Textilindustrie initiierte Aufstandsbewegung und der um sich greifende arabische Frühling, die zahllosen spontanen Streiks in der Fabrik der Welt China, die sozialökologischen Kämpfe gegen industrielle Großprojekte, die globale Selbstorganisation der Nahrungsmittel produzierenden Landbevölkerung und nicht zuletzt die Solidarisierung bis dahin völlig unpolitischer Bürgerinnen und Bürger mit den Flüchtenden.

Das in der EU aufgekommene Problem, daß die politische Rechte maßgeblich von der Legitimationskrise der Politik und der sozialen Verelendung profitiert, ist erst recht dazu angetan, sich von der Reformierbarkeit dieses europäischen Staatenbundes zu verabschieden. Die autoritäre Staatlichkeit, an deren Spitze sich die Führer der neuen europäischen Rechten setzen wollen, entspricht der im Kern unaufgehobenen, mit Standortkonkurrenz und Marktlogik das nationale Produkt mehrenden und im Staatenverbund nach imperialer Größe greifenden EU weit mehr, als es eine Marine Le Pen, ein Geert Wilders oder Viktor Orbán eingestehen würden. Der neofeudalen Herrschaft bürgerlicher Geld- und rechter Funktionseliten die Streitbarkeit von Bevölkerungen entgegenzusetzen, die bei aller Heterogenität das gleiche Problem haben, auf allseitige Verfügbarkeit für die digital perfektionierte Arbeitswelt und Jobkultur wie eine auf Almosenniveau reduzierte Existenzsicherung zugerichtet zu werden, wird nicht in Koalitionsverhandlungen stattfinden, sondern in der Kollektivität eines Widerstands, dem "Kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun" das "Selber tun!" abnehmen kann.

(wird fortgesetzt)


Spiegelfassade der Urania mit Veranstaltungsbanner - Foto: © 2016 by Schattenblick

Hinter den Spiegeln notgedrungener Beteiligung ...
Foto: © 2016 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] https://www.jungewelt.de/2016/01-11/052.php

[2] HEGEMONIE/1793: Nein und wieder Nein zu Mangelverwaltung und Notstandsregime (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/hege1793.html


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