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BERICHT/330: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - der Stab wird weitergereicht ... (SB)


Die nächste sozialistische Revolution ist ein theoretisches Rätsel, das wir praktisch lösen müssen. Aber nur wer sie vorbereitet, macht Geschichte.
Dietmar Dath auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz


Die Welt der Räuberhorden ist aus den Fugen geraten. Nicht, weil sie das Schicksal der Millionenheere von Ausgebeuteten und Verelendeten, Kriegsopfern und Vertriebenen, Drangsalierten und Entwürdigten auch nur im mindesten rührte. Nicht, weil sie eingesehen hätten, daß ihr proklamiertes Ende der Geschichte, ihre unipolare Weltordnung und ihre für alternativlos erklärte neoliberale Zurichtung gescheitert ist. Nicht, weil in ihnen die Erkenntnis gereift wäre, daß der von ihnen geschürte Brand die Lebensvoraussetzungen aller Menschen und damit auch ihre eigenen zu vernichten droht. Sie sind entsetzt, weil ihre Kumpanei, gemeinsam zu unterwerfen, zu rauben und zu morden, vorzeitig an ihre Grenzen gestoßen und geborsten ist. Sie haben das Kriegsbeil so exzessiv geschwungen, so maßlos geplündert und die Beute so gierig verschlungen, daß die Blase ihres Zukunftsversprechens, es werde für sie ewig so weitergehen, geplatzt ist. Jetzt wendet sich ein Räuber gegen den andern, macht ihm die schwindende Beute streitig und erklärt das eigene Wohlergehen zum ausschließlichen Primat seines Handelns. Die alten Treueschwüre sind Makulatur, die Matrix von Freund und Feind weicht einem irrlichternden Wechselbad.

Was bleibt, ist die Herrschaft des Menschen über seinesgleichen, die um so rigoroser durchgesetzt wird, je enger und unabsehbarer die Verhältnisse sich entwickeln. Wer über die Macht- und Zwangsmittel gebietet, rüstet auf, um sich die Hungerrevolte vom Leib zu halten. Bricht sich der Klimawandel Bahn, heizt man erst recht ein, was das Zeug hält, um das Wirtschaftswachstum zu befeuern. Grassiert der Nahrungsmangel, bemächtigt man sich der Anbauflächen, um die Metropolen zu versorgen. Gehen begehrte Rohstoffe zur Neige, jagen sich die Generationen neuer Technologien in immer schnellerer Taktfolge. Die Ratio des Überlebens als letztgültiger Zweck eigener Existenz kennt nur einen Maßstab und Beweis: Die Vernutzung und Vernichtung des anderen. Die Barbarei, vor der Rosa Luxemburg vor hundert Jahren so eindringlich gewarnt hat, ist lange schon Realität - für unzählige verdurstende und verhungernde, zu Sklavenarbeit gezwungene, von Bomben, Granaten und Kugeln getötete oder verstümmelte, von Seuchen, Dürren und Fluten dahingeraffte Menschen in den wachsenden Elends- und Todeszonen.


Am Rednerpult - Foto: © 2019 by Schattenblick

Otto Köhler über Deutschland als imperialistischer Akteur
Foto: © 2019 by Schattenblick

Von einem apokalyptisch anmutenden Szenario zu sprechen, ist heute nicht zuletzt deswegen von Relevanz, als an Einfluß gewinnende christliche Fundamentalisten bis hin zu US-Vizepräsident Mike Pence ihre Version des endzeitlichen Infernos als Durchsetzung des göttlichen Willens mit ihrer letztgültigen Errettung gleichsetzen. Die Ohnmacht angesichts überwältigender Verhältnisse und unlösbar anmutender Menschheitsprobleme nicht nur in Erwartung des Himmelslohns zu erdulden, sondern in aggressivste Vernichtungsfeldzüge gegen das Böse umzumünzen, verbindet sie durchaus mit radikalen fundamentalistischen Strömungen anderer Religionen, deren Zerstörungsgewalt sich aus der zutiefst reaktionären Abstrafung aller Ungläubigen speist. Was sie jedoch vom IS unterscheidet, ist ihre tatsächliche Nähe zu Massenvernichtungswaffen und dem gewaltigsten Militärarsenal, zu politischen Führungsfiguren wie dem wiedergeborenen Christen George W. Bush, einem Kriegstreiber wie John Bolton oder einem Donald Trump und dessen "America First!".


Am Rednerpult - Foto: © 2019 by Schattenblick

Dietmar Dath über die nächste Revolution
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Ideologische Wegbereiter wie der nach dem Ende der Systemkonkurrenz proklamierte "Kampf der Kulturen", der globale "Antiterrorkrieg" und die "kreative Zerstörung" von Staaten zeugen von zeitgenössischen Versionen eines nie überwundenen Herrenmenschentums, eines "Lebensraums im Osten" und eines monströsen Vernichtungskalküls, wie man es aus der deutschen Historie in spezifischer, doch beileibe nicht einzigartiger Ausprägung kennt. So weit man in die Menschheitsgeschichte zurückgreifen kann, um dieses uralte Muster einer nie beendeten Auseinandersetzung zu identifizieren, so unabweislich setzt der Kapitalismus diesem nach Alleinherrschaft drängenden Verfügungsanspruch die vorläufige Krone auf. Vorläufig deshalb, weil es auf fatale Weise zu kurz griffe, ein mögliches Ende der profitgetriebenen Verwertung mit dem zwangsläufigen Heraufziehen einer befreiten Gesellschaft gleichzusetzen. Diese wird erstritten, aber nicht beim Zusammenbruch der alten Ordnung geschenkt, deren maßgebliche Protagonisten längst das nächste Pferd satteln, das ihre Vorherrschaft künftig tragen soll.


Am Rednerpult - Foto: © 2019 by Schattenblick

Michael Hudson über die Rolle der Vereinigten Staaten als militärischer Aggressor
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Wer dieser Welt der Räuberhorden in unverbrüchlicher Entschiedenheit eine Absage erteilt, bedarf keiner apokalyptischen Vision, da sie für ihn selbst in bestmöglicher Ordnung nichts anderes als feindliches Terrain sein könnte. Ihm ist die Zwangsherrschaft in all ihren Facetten bewußt, die auch ihn vorab beraubt hat. Was immer sie ihm an Arbeitslohn und Sozialalmosen gewähren mag, kann nur ein Bruchteil des zuvor Entwendeten und nie mehr als ein befristetes Lehen sein, das ihm jederzeit entzogen zu werden droht. Nicht minder erahnt er seine Teilhaberschaft an diesem System, ohne die eine Herrschaft der Wenigen über die Vielen trotz aller Waffengewalt und Repressionsapparate, Justiz und Verwaltung unmöglich wäre. Wer Eigentum geltend macht, hat noch genug zu verlieren und legt seinem Geist des Widerspruchs tunlichst die Zügel der Bescheidenheit und Duldsamkeit an. Der Feind, so könnte man argumentieren, steht nicht nur im eigenen Land, sondern, schlimmer noch, unter der eigenen Haut. Fallen nicht in der Räuberbande immer noch genug Brocken selbst für ihre niedrigsten Mitläufer ab? Welches Ringens bedarf es also, diese am engsten geschnürte Fessel zu sprengen, bei deren Fortbestand der revolutionäre Impetus auf dem langen Marsch durch die Institutionen eher früher als später auf der Strecke bleibt?

Einer antikapitalistischen und antiimperialistischen Linken stellen sich folglich viele Fragen, die teils seit langem bearbeitet wurden, teils angesichts der eskalierenden multiplen Krise auf innovative Weise erschlossen werden müssen.


Auf dem Podium - Foto: © 2019 by Schattenblick

Finales Podium mit Lena Kreymann, Jan von Hagen, Stefan Huth, Nina Scholz, Ulrich Maurer
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XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz 2019

Die XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz fand am 12. Januar 2019 wieder im Mercure Hotel MOA im Berliner Stadtteil Moabit statt. Wie immer von der Tageszeitung junge Welt samt zahlreichen helfenden Händen aus den Reihen der DKP und SDAJ auf die Beine gestellt, gilt diese Zusammenkunft mit Fug und Recht als traditioneller Jahresauftakt der antikapitalistischen und internationalistischen Linken in Deutschland und mehr oder minder weit darüber hinaus. Als Forum nie preisgegebener marxistischer Geschichte und historischer Kämpfe der ArbeiterInnenbewegung, der Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Gegenwart und dem Ringen um eine menschenwürdige Zukunft ist die Konferenz eine Art Lackmustest für die Verfassung dieses Spektrums der deutschen Linken.

Soviel läßt sich an dieser Stelle vorausschicken: Die Hoffnung ihrer Gegner, an denen es bekanntlich nicht mangelt, sie werde schrumpfen, bedeutungslos werden und in Vergessenheit geraten, hat sich nicht erfüllt - im Gegenteil. Mit 3100 Menschen verzeichnete die Konferenz einen neuen Besucherrekord, was dazu führte, daß der bemerkenswerte Ansturm trotz großzügig bemessener Räumlichkeiten im MOA mitunter in solidarischer Enge bewältigt wurde. Mißstimmung kam nirgendwo auf, war die auf diese Weise hautnah erlebte Vielzahl doch ein höchst erfreulicher Beleg des fruchtbaren Bodens und Ansporn, die Werkzeuge des Widerstands in Stellung zu bringen.

Zum Erfolg der Tagung trug sicher auch das inhaltliche Konzept bei, noch geschlossener als in der Vergangenheit einen tragenden thematischen Bogen zu spannen, für den namhafte Referenten gewonnen werden konnten. Mit den Komponenten "Die nächste imperialistische Hauptmacht" (Otto Köhler), "Die nächste imperialistische Krise" (Vladimiro Giacché), "Der nächste imperialistische Krieg" (Michael Hudson) und "Die nächste Revolution" (Dietmar Dath) wurden zentrale Felder der Konfrontation mit den herrschenden Verhältnissen abgedeckt.


Am Rednerpult - Fotos: © 2019 by Schattenblick Am Rednerpult - Fotos: © 2019 by Schattenblick

Mesale Tolu, Abel Prieto
Fotos: © 2019 by Schattenblick

In diesen Strang eingeflochten waren eine Grußbotschaft von Mumia Abu-Jamal, ein Vortrag zum Widerstand in der Türkei von Mesale Tolu wie auch ein Grußwort von Iván Márquez, dem damaligen Chefunterhändler der kolumbianischen FARC-Guerilla bei den Friedensverhandlungen in Havanna. Er zog eine niederschmetternde Bilanz der Umsetzung des Ende 2016 mit der Regierung unterzeichneten Abkommens, da weiterhin Waffen eingesetzt würden, um die Oppositionellen physisch zu vernichten. Der Schriftsteller und langjährige Kulturminister Kubas Abel Prieto legte dar, welche entscheidende Rolle Kultur bei der Bewußtseinsbildung zukommt. Man könne das materielle Lebensumfeld verändern, doch gehe erkämpfte Freiheit verloren, sofern sie nicht mittels einer sozialistischen Kultur verankert werde. Davon zeugten die aktuellen Rückschläge in zahlreichen Ländern Lateinamerikas. Die Diplomatin Nieves Iliana Hernández beantwortete André Scheer, Außenpolitikchef der jungen Welt, einige Fragen. Die Chefredakteurin von Melodie & Rhythmus, Susann Witt-Stahl, sprach mit dem deutsch-britischen Komponisten Wieland Hoban über seinen Dreiteiler "Rules of Engagement", der den Krieg und den Alltag der israelischen Besatzung in Gaza in Ton setzt, wie auch die um sich greifende Zensur gegen Kritik an der israelischen Regierungspolitik.


Zeitschrift Solidarität der SAV - Foto: © 2019 by Schattenblick

Auf die soziale und ökologische Frage gibt es nur eine Antwort
Foto: © 2019 by Schattenblick

Das abschließende Podium war folgendem Thema gewidmet: "Daß sich die Wut in Widerstand verwandeln wird - trotz alledem! 100 Jahre Novemberrevolution - wie geht Klassenpolitik heute?" Unter Moderation von Stefan Huth (Chefredakteur junge Welt) diskutierten Ulrich Maurer (Mitbegründer der Partei Die Linke), Jan von Hagen (Gewerkschaftssekretär, bei Verdi-NRW für Krankenhäuser zuständig) Lena Kreymann (Bundesvorsitzende der SDAJ) und die in Mieterkämpfen aktive Journalistin Nina Scholz aus Berlin.

Auf dem im Parallelprogramm von der SDAJ organisierten Jugendpodium unter dem Motto "100 Jahre Kampf gegen Kapitalismus und Krieg" bezogen Andrea Hornung von der Bundesgeschäftsführung der SDAJ, Hussein Khamis, ehrenamtlicher Bundesjugendleiter der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, der DIDF-Jugendvorsitzende Sedat Kaya und Emil Levi von der Solidarischen Jugendbewegung (SJB) Position. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie die Organisierung der Unterdrückten anhand ihrer eigenen Probleme zu einem antikapitalistischen Bewußtsein entwickelt werden könnte.


Zeitschrift Wir Frauen, SDAJ-Sprecherin, Ahed Tamimi - Fotos: © 2019 by Schattenblick Zeitschrift Wir Frauen, SDAJ-Sprecherin, Ahed Tamimi - Fotos: © 2019 by Schattenblick Zeitschrift Wir Frauen, SDAJ-Sprecherin, Ahed Tamimi - Fotos: © 2019 by Schattenblick

Front gegen das Patriarchat
Fotos: © 2019 by Schattenblick


Erreichen, ergreifen, inspirieren ...

Wie immer bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz setzte auch das politische Kulturprogramm Akzente. Zum Auftakt stimmte die in Berlin gegründete kubanische Band Proyecto Son Batey die eintreffenden BesucherInnen ein. Zu sehen war eine Ausstellung bildender KünstlerInnen der "Gruppe Tendenzen", und der Liedermacher Eduardo Sosa eröffnete den Programmteil "60 Jahre Kubanische Revolution". Er sang vom langen Unabhängigkeitskampf seines Landes und brachte in seinem wohl bekanntesten Titel "A mi me gusta, Compay" die Freude über das Erreichte zum Ausdruck.


Auf der Bühne - Foto: © 2019 by Schattenblick

Christine Reumschüssel und Gina Pietsch
Foto: © 2019 by Schattenblick

In Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht boten die Schauspielerin und Sängerin Gina Pietsch und Pianistin Christine Reumschüssel einen Ausschnitt aus ihrem Programm "Sagen, was ist", eine Hommage an Rosa Luxemburg mit Blick auf eine unvollendete Revolution [1]. Ihre wohl bekannteste Aussage "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden" wurde von Helmut Kohl als "das einzig Gute, was diese Frau jemals geschrieben hat" instrumentalisiert. Er wollte natürlich nicht verstehen, daß sie es wie Saint Just meinte: "Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit." "Im Gefängnis zu singen" (Brecht/Eisler) erinnerte an die drei Jahre und vier Monate ihres kurzen Lebens, die sie in Gefängnissen und Festungen in Warschau, Berlin, Wronke und Breslau inhaftiert war. Der Berliner Polizeipräsident hatte 1916 keine Zweifel daran, daß sie eine der gefährlichsten und rührigsten Agitatorinnen des radikalen Flügels der Sozialdemokratie sei.


Gina Pietsch und Christine Reumschüssel auf der Bühne - Fotos: © 2019 by Schattenblick Gina Pietsch und Christine Reumschüssel auf der Bühne - Fotos: © 2019 by Schattenblick Gina Pietsch und Christine Reumschüssel auf der Bühne - Fotos: © 2019 by Schattenblick

Mit Intensität und Gefühl Größe und Tragik der Revolution besingen
Fotos: © 2019 by Schattenblick

Lenin, der um eine Reihe ihrer Irrtümer hinsichtlich der russischen Revolution wußte, hörte nie auf, sie für "einen Adler unter Hühnern" zu halten, der den Kommunisten in der ganzen Welt immer teuer sein wird. Daß Stalin verächtlich vom "Luxemburgismus" sprach, hatte indessen schlimme Auswirkungen für die späte Rezeption ihrer Werke in der DDR. Sie war eine der wichtigsten und charismatischsten Persönlichkeiten der deutschen Antikriegsbewegung. Auf "Die rote Rosa" von Brecht mit der Musik von Kurt Weill und verschiedene Stücke aus der Hommage "Nachgeboren" von Christa Müller und Christian Koczik folgte das Berliner Original "Wem hamse de Krone jeklaut" und schließlich "So wird es Tag" von Gerhard Gundermann.

Das Ende jedes Menschen ist schlimm, das dieser körperlich kleinen und lebenslang gehbehinderten - eine Biographin sagt, dreifach Stigmatisierten, als Frau, als Jüdin, als Krüppel - aber eben ungeheuer starken, weisen, mutigen, lebens- und liebensfrohen Frau, ein schwer beschreibbarer Verlust, für uns bis heute, so Gina Pietsch, die ihren Auftritt mit den Worten abschloß: "Sie wurde ermordet für eine Revolution - ich traue es mich fast gar nicht zu sagen - die eigentlich nicht wirklich die ihrige war, für die sie sich aber mit ihrem Leben einsetzte." [2] Als Zugabe wurde gemeinsam mit dem Publikum "Auf, auf zum Kampf" angestimmt.


Sprecher der Anti-SIKO-Demo - Foto: © 2019 by Schattenblick

Gala der Kriegsherren umzingeln
Foto: © 2019 by Schattenblick


Protestaufruf zur Münchner Sicherheitskonferenz

Vom 15. - 17. Februar findet in München die Sicherheitskonferenz statt, gegen die ein Aktionsbündnis zum Protest aufruft. Der Aktivist Franz Haslbeck legte die Gründe des Widerstands dar und lud zur Demonstration ein, die am Samstag, 16. Februar 2019, um 13 Uhr am Stachus beginnt. Bei der Konferenz treffen Staats- und Regierungschefs mit VertreterInnen aus Militär, Wirtschaft und Rüstungsindustrie vorwiegend aus NATO-Staaten zusammen, um Strategien der westlichen Mächte zu erörtern und sie ideologisch zu flankieren. Ihre Vormachtstellung und das kapitalistische Wirtschaftssystem sollen mit militärischer Stärke gesichert werden. Zwei Drittel der weltweiten Rüstungsausgaben entfallen auf die NATO und mit ihr kooperierende Staaten.

Die Bundesrepublik will die Militärausgaben auf über 80 Milliarden Euro verdoppeln, aktuell ist die Bundeswehr an vierzehn Auslandseinsätzen beteiligt. Deutsche Rüstungskonzerne verdienen Unsummen mit Waffenexporten in Krisenregionen. Die Bundesregierung wird Komplizin des Erdogan-Regimes bei der Unterdrückung der KurdInnen und der von Saudi-Arabien angeführten Koalition, die im Jemen mordet. Das Aktionsbündnis ist Teil der weltweiten Bewegung für Gerechtigkeit und Frieden. Es lehnt jegliche militärische Drohung und jeden Angriffskrieg ab, gleich von wem diese ausgehen. Der Protest richtet sich in erster Linie gegen die Bundesregierung, die sich im Rahmen der NATO an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen beteiligt. Mit der NATO wird es keine friedliche, gerechte und solidarische Welt geben.


Aus der Verteidigungsrede des KPD-Politikers Eugen Leviné erschossen am 5. Juni 1919 - Foto: © 2019 by Schattenblick

"Wir Kommunisten sind alle Tote auf Urlaub"
Foto: © 2019 by Schattenblick


Hauptmacht, Krise, Krieg und Revolution

Seit sich Deutschland 1871 als eigenständiger Staat konstituierte, hat es die Welt unsicher gemacht. Nie wurde es angegriffen, der Krieg ging immer von uns aus, so der Publizist Otto Köhler, der die Bundesrepublik als die nächste imperialistische Hauptmacht ausweist. Das geplante Blutbad an den Sozialdemokraten erwies sich als unnötig, da diese 1914 für die Kriegskredite stimmten und 1918 die Konterrevolution mittrugen. Als Hitler 1939 in den Krieg zog, hatte die Generalität alles längst vorbereitet. Nur wenige Monate nach dem Anschluß der DDR begann der erneute Griff nach imperialer Macht. Schröder und Fischer setzten den Jugoslawienkrieg durch, und heute erklärt Heiko Maas, Deutschland werde als Mitglied im Sicherheitsrat die "Herausforderung annehmen" und sich "auch vor schwierigen Entscheidungen nicht wegducken können".

Die nächste imperialistische Krise folgt unvermeidlich, falls der notwendige Systemwechsel nicht herbeigeführt wird, so der italienische Wirtschaftswissenschaftler Vladimiro Giacché. Er sieht das Ende einer Epoche gekommen, da die Krise von 2007 gezeigt habe, daß Wachstum und Profit im Kapitalismus nicht mehr durch Finanzspekulation gewährleistet werden können. Ausgehend von den Funktionen des "zinstragenden Kapitals" führt Giacché aus, warum diese nicht länger erfüllt werden können. Er stellt verschiedene Ansätze zur Lösung der Krise, ihre Grenzen und teils verheerenden Konsequenzen dar. Mit Marx plädiert er dafür, die Eigentumsfrage zu stellen und ein höheres Stadium der gesellschaftlichen Produktion durchzusetzen.


Publikum und Videoschirme im großen Saal - Fotos: © 2019 by Schattenblick Publikum und Videoschirme im großen Saal - Fotos: © 2019 by Schattenblick Publikum und Videoschirme im großen Saal - Fotos: © 2019 by Schattenblick

Orientierung im multimedialen Spiegelkabinett
Fotos: © 2019 by Schattenblick

Der nächste imperialistische Krieg droht nach Auffassung des US-amerikanischen Ökonomen Michael Hudson seitens der USA, die mit ihrem Weltgeld lange Zeit uneingeschränkt die Geschicke des Planeten kontrolliert haben. Ihre Herrschaft erodiert, doch kampflos werden sie das Feld nicht räumen. Die immensen Militärausgaben führten zu einem Zahlungsbilanzdefizit und schwindenden Goldreserven der USA, die 1971 den Goldstandard aufgeben mußten. Ein Bodenkrieg war nicht länger finanzierbar, was die Ära des finanziellen Drucks und des Luftkriegs einleitete. Wer sich widersetzt, wird als Staat zerschlagen. Nach dem neuen System erwerben die Zentralbanken anderer Länder US-Staatsanleihen, leihen also dem US-Finanzministerium Geld und finanzieren dadurch den Krieg der USA oder wie im Falle Rußlands und Chinas die Einkreisung. Wer dem Dollar-Standard unterliegt, kann von Washington durch Sanktionen gefügig gemacht werden. China und Rußland akkumulieren deshalb keine US-Dollars mehr und legen nicht mehr in dieser Währung, sondern in Goldreserven an, um sich dieser Fessel zu entledigen.


Auf dem Podium - Foto: © 2019 by Schattenblick

Künstlerische Verarbeitung kriegerischer Aggression - Wieland Hoban und Susann Witt-Stahl
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Angesichts dieser düsteren Szenarien drängt sich um so mehr die Frage auf, wie es um die nächste Revolution bestellt ist. Dietmar Dath schickt seinem Parforceritt voraus, daß der Sozialismus keine Prophezeiungen nötig habe. "Er wird gemacht, nicht ersehnt oder erbettelt." Doch wer wollte vorhersagen, wo die nächste revolutionäre Situation entsteht? Und Revolution heißt Irrtümer, Fehler und Verbrechen auch bei denen, die das Schlechte verändern. Man muß sie nicht lieben, die Revolution. Doch was bedeutet Revolution überhaupt? Marx und Engels haben herausgearbeitet, daß die bürgerliche Klasse den Adel über Jahrhunderte aus dem Bild produziert hat, indem sie eine neue Art der Aneignung des Mehrprodukts entdeckte. Auch gingen sie davon aus, daß die gemeinsame Erfahrung des Industrieproletariats eine Schule revolutionären Handelns bilde. Gilt das heute noch? Revolutionäre Politik weiß heute mehr als die Grundlagen, die in den Schriften der Klassiker stehen. Aber diese Grundlagen braucht sie, unterstreicht Dietmar Dath. "Die nächste sozialistische Revolution ist ein theoretisches Rätsel, das wir praktisch lösen müssen. Aber nur wer sie vorbereitet, macht Geschichte."


Bücher- und Zeitungsstände - Fotos: © 2019 by Schattenblick Bücher- und Zeitungsstände - Fotos: © 2019 by Schattenblick Bücher- und Zeitungsstände - Fotos: © 2019 by Schattenblick

Schreiben und Lesen über alle Grenzen hinweg ...
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Auf der Suche nach der verschwundenen Bewegung

Auf ihrer vergeblichen Suche nach der verschwundenen Bewegung hat es die deutsche Linke allzu lange versäumt, das wahrzunehmen und zu würdigen, was nachfolgende Generationen bewegt und in ihrem spezifischen Kontext radikalisiert. Im Raster vorgeblicher Haupt- und Nebenwidersprüche gefangen, fixiert auf den Kanon klassischer Themen und traditionelle Mechanismen der Organisierung fest im Blick, blieben Kämpfe an anderen Abschnitten derselben Front unter ihrem Radar. Wenn die 16jährige Greta Thunberg erklärt, sie wolle jene das Fürchten lehren, die ihresgleichen die Zukunft rauben, wenn BesetzerInnen den Hambacher Wald teils unter Einsatz von Leib und Leben verteidigen oder AktivistInnen von Ende Gelände im Namen weltweiter Klimagerechtigkeit die Grube stürmen, sollte das doch zu denken geben.

Sowenig es darum gehen kann, unter Preisgabe marxistischer Positionen auf erfolgversprechendere Felder umzusatteln oder solche Bewegungen zu vereinnahmen, wäre es doch zu kurz gegriffen, in diesen Auseinandersetzungen eine bloße Wiederholung derselben Schritte politischer Bewußtwerdung zu sehen, die man selbst längst vollzogen hat, ohne deren innovative Stoßrichtung etwa in Richtung eines Ökosozialismus zu realisieren. So unverzichtbar es sein mag, aus der Geschichte zu lernen, wird dieser Übertrag doch nur dort relevant und substantiell, wo er aus der Partizipation an aktuellen Kämpfen erwächst. Hervorzuheben bleibt an der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz daher insbesondere der hohe Anteil jüngerer Menschen, der begründeten Anlaß zur Erwartung gibt, daß der Stab am Ende doch noch weitergereicht wird.


Gemeinsames Singen der Internationale - Foto: © 2019 by Schattenblick

Völker hört die Signale ...
Foto: © 2019 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] www.ginapietsch.de/neue-programme.html#rosa

[2] www.rosa-luxemburg-konferenz.de/de/konferenz-2019/berichte-2019/883-gina-pietsch-sagen-was-ist


Berichte und Interviews zur Rosa-Luxemburg-Konferenz, Liebknecht-Luxemburg-Demo und zum Jahresauftakt Der Linken im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → INFOPOOL → POLITIK → REPORT

BERICHT/328: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - zögerliche Ernte ... (SB)
BERICHT/329: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - vorbildlich inszeniert ... (SB)
INTERVIEW/428: Dem Karl Liebknecht haben wir's geschworen - vernichtende Aussichten ...    Vladimiro Giacché im Gespräch (SB)


12. Februar 2019


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