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INTERVIEW/120: Afrikas Erde - Dr. Michael Brüntrup (DIE) zu Biosprit und Landnahme, Teil 2 (SB)


Interview mit Dr. Michael Brüntrup am 23. Mai 2012 in Hamburg, Teil 2



Im Rahmen des vom German Institute of Global and Area Studies (GIGA) organisierten Forums "Landraub oder Agrarinvestitionen: Großflächige Agrarprojekte in Entwicklungsländern" am 23. Mai in Hamburg hielt Dr. Michael Brüntrup vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn einen Fachvortrag über die agrarische Produktion von Pflanzen für Biosprit. Vor der Veranstaltung hatte der Schattenblick Gelegenheit, ausführlich mit dem Referenten zu sprechen. Dies ist der zweite Teil des Interviews. [1]

Der Interviewte sitzt hinter einem Tisch - Foto: © 2012 by Schattenblick

Dr. Michael Brüntrup
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Besteht ein Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit Ihres Institutes darin, bei ungeklärten Landrechtsfragen Vorschläge für klare Rechtsverhältnisse zu unterbreiten?

MB: Wir sind ein Forschungsinstitut und beraten sowohl die Regierung als auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wie die GIZ [2] und die KfW [3]. Diese haben bereits in kleineren Projekten die Rechtslage von individuellen Farmern, aber auch von ganzen Communities geklärt. Wenn erst einmal eine richtige Vermessung mit neueren Methoden wie GPS gemacht wurde, dann ist die Rechtslage zwar immer noch nicht hundertprozentig geglättet, aber es gibt dann wesentlich weniger Ansprüche als früher. Allerdings ist das bisher in einem viel zu geringen Ausmaß geschehen, weil sich eben früher keiner für das Land interessiert hat. Solange die Kleinbauern mit ihrer Shifting Cultivation [4] immer wieder ein Stückchen weiterziehen und sich innerhalb seiner Gemeinde mit anderen einigen konnte, war das Interesse an Rechtsfragen gar nicht so groß.

In Afrika sind die lokalen Investoren sehr oft kleine Geschäftsmänner oder Leute aus Verwaltung und Politik, die sich für ihren Ruhestand oder als zweites Standbein ein Stückchen Land kaufen. Auch unter diesen Verhältnissen konnte man Land erwerben, oft von den lokalen Chiefs, die damit ihr Geschäft gemacht und vielleicht auch einen Teil des Geldes weiterverteilt haben. Landerwerb war möglich, aber die Dynamik hielt sich in Grenzen und war eher um die Städte herum konzentriert. Inzwischen jedoch hat sich das Interesse über den Rest der Ländereien ausgedehnt.

SB: Wenn den Investoren das Land quasi nachgeworfen wird, entstehen ihnen dann überhaupt irgendwelche Kosten?

MB: Es gibt tatsächlich Land, das für wenige Cent pro Hektar übertragen wird. Das hängt ganz von den einzelnen Staaten ab. In Lateinamerika haben die Landpreise aufgrund der höheren Nachfrage deutlich angezogen. Das geht dann bis zu mehreren Hundert Euro hinauf, aber lange nicht so hoch wie beispielsweise in Osteuropa, was ja eine Alternative wäre - falls man da investieren darf, denn in der Ukraine haben wir eine Zeitlang einen Investitionsstopp gehabt. Ungefähr in der Größenordnung bewegen sich die Preise.

Hinzu kommt allerdings eine Steuerbefreiung oft über mehrere Jahre. Die meisten Länder erheben keine Bodensteuern, was sonst ein wichtiges Steuerungsinstrument wäre, so daß man die Ländereien straflos behalten kann. Das wäre übrigens auch eine Möglichkeit, die Spekulanten wieder herauszubekommen, wenn man ab einer bestimmten Größe des Landbesitzes wieder Steuern erheben würde. Man wird abwarten müssen, ob das irgendwann eingeführt wird, denn zumeist sind es ja die Politiker, Beamten oder andere Personen aus der Mittel- und Oberschicht, die sich Land als Rücklage sichern. Sie würden sich also mit einer Bodensteuer selber bestrafen, und das wird wohl nicht so schnell geschehen.

SB: Die Landfrage wird also von erheblichen Interessenswidersprüchen bestimmt?

MB: Ja, aber genau das müßte passieren, um Bodenbesitz wieder sozialpflichtig machen zu können.

SB: Es gab vor einigen Jahren den inzwischen berühmt gewordenen Vertrag zwischen der madagassischen Regierung und dem südkoreanischen Konzern Daewoo, der für Land, für das er fast nichts bezahlen mußte, die Verpflichtung eingegangen war, eine Infrastruktur aufzubauen. Nur daß diese Infrastruktur vor allem dafür nützlich gewesen wäre, die zu erwartende Ernte abzutransportieren, und daß sie außerhalb der urbanen Zentren, wo man eigentlich eine Verbesserung der Verkehrswege hätte gebrauchen können, aufgebaut worden wäre. Ist es eigentlich eine übliche Praxis, daß Verträge mit dem Versprechen der Infrastrukturverbesserung, also dem Bau von Krankenhäusern, Schulen, Straßen, Eisenbahnlinien, etc., abgeschlossen werden, aber daß die baulichen Errungenschaften dann, ähnlich wie in Madagaskar geplant, ziemlich fern der Nutzbarkeit für die Bevölkerung bleiben?

MB: Ja und nein. So etwas gibt es auf jeden Fall, allerdings haben wir eine Untersuchung in Malawi durchgeführt, bei der es um ältere Zuckerrohrplantagen geht. Dort haben wir festgestellt, daß es um diese Plantagen herum Bewässerungssysteme nicht nur für die großen, sondern zum Teil auch für die kleinen Investoren gibt. So etwas wird manchmal vorher vertraglich festgelegt, auch wenn es später einmal Erweiterungen des Anbaugebiets geben sollte. Beispielsweise wird in Contract Farming [5] investiert, wo der Investor dann hilft, Infrastruktur aufzubauen. Diese Art der Hilfe könnte man fast schon als privatwirtschaftlich bezeichnen. Dann besteht die Verpflichtung, die zum Teil auch eingehalten wird, Schulen und Krankenhäuser für die lokalen Angestellten, plus ein Zugangsrecht für die Gemeinden, zu errichten. Solche vertraglichen Abmachungen gibt es also.

Die öffentliche Infrastruktur, Straßen vor allen Dingen oder auch Hafen-Faszilitäten in Madagaskar, sind Public Goods [6] und kommen nicht nur dem Investor zugute. Aber sicher ist, daß er damit natürlich "seine" Regionen erschließt. Daß ein Investor sich verpflichtet hätte, auch an für ihn neutralen Orten die Infrastruktur aufzubessern, ist mir persönlich nicht bekannt.

SB: Wobei China in Afrika sehr weitreichende Infrastrukturmaßnahmen ergreift.

MG: Ja, die machen Deals wie: Ich baue euch eine Eisenbahn und kriege dafür Schürfrechte.

SB: Das ist dann auch nicht uneigennützig.

MB: Nein, und ein Investor muß natürlich daran verdienen können. Das ist die Idee von Privatwirtschaft. Das macht ein Bauer auch nicht anders. Die entscheidende Frage dabei lautet nun, ob dieser Anteil an öffentlichen Gütern an das heranreicht, was die Staaten dort normalerweise leisten können. Ist es wirklich ein substantieller Zugewinn? Natürlich wird das immer mit einem gewissen Eigeninteresse verbunden sein. Das würde ich jetzt nicht zu sehr kritisieren, solange Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis stehen.

SB: Kennen Sie ein positives Beispiel für eine Investition in die Agrarproduktion, die wirklich die Lebensqualität der örtlichen Bevölkerung gefördert hätte?

MB: Ich glaube, viele der Zuckerrohrfabriken und -plantagen laufen nicht schlecht. Ich war früher immer skeptisch, weil die Betriebe in der Vergangenheit ein anderes Problem hatten. Sie waren meistens subventioniert, sie wurden in einem erheblichen Umfang von der europäischen Zuckermarktordnung unterstützt. Das waren im Prinzip kleine, aber hochsubventionierte Inseln der Seligen. Aber da ist schon viel für die Bevölkerung abgefallen. In vielen karibischen Ländern haben die Betriebe öffentliche Leistungen übernommen, für den ganzen Raum der öffentlichen Gesundheits- und Trinkwasser-Infrastruktur. Sie haben Renten und für afrikanische Verhältnisse zum Teil sehr hohe Löhne gezahlt.

Es gibt aus der Zeit der Zuckermarktreform von Oxfam schöne Fallstudien, die aufzeigen, wie phantastisch sich die Wirtschaft um diese Zuckerrohrinvestitionen herum entwickelt hat - wohlgemerkt, auf einem ökonomisch fragwürdigen Modus. Mittlerweile hat sich aber der Zuckermarkt deutlich liberalisiert. Man zahlt jetzt relativ hohe Zuckerpreise und hat damit ein auch ökonomisch nachhaltigeres Modell aufgebaut. Ich denke, diese Beispiele beweisen, daß großflächige Investoren, wenn ihre Projekte langfristig gewachsen sind, manchmal das leisten können, was sie versprechen.

Ein anderer Bereich, der jetzt nicht so großflächig ist, sind die Blumen- und Gemüseproduktionen in Kenia und Äthiopien. Sie haben zwar deutliche Probleme beim Umweltschutz, aber es wurden sehr viele Arbeitsplätze geschaffen, von denen oft Leute profitiert haben, die nicht einmal eigenes Land besaßen, also Landlose, die sozial noch unter den Kleinbauern angesiedelt sind. Man kann daraus die Lehre ziehen, daß ein Teil dieser sehr hohen Investitionen auch in Infrastruktur, Bewässerung, Know-how und Vermarktung geflossen sind.

Das sehe ich als Zeichen dafür an, daß es ein Investor ernst nimmt und es ihm nicht darum geht, sich einfach viel Land anzueignen und extensiv zu produzieren. Da hielte ein Großinvestor hinsichtlich der Produktivität mit den Kleinbauern meistens gar nicht mit. Die weisen eine geringe Arbeitsproduktivität aus, aber haben pro Hektar ein relativ hohes Ertragsniveau. Nur wenn Großinvestoren Produktionsmodelle mit sehr hohem Kapitaleinsatz und Know-how nutzen, entstehen auch eher diese Trickle-down-Effekte. [7]

Interviewpartner am Tisch - Foto: © 2012 by Schattenblick

Dr. Michael Brüntrup mit SB-Redakteur im Gespräch
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Wie steht die Bundesregierung zu der Landfrageproblematik?

MB: Es gibt dazu ein Positionspapier und auch Agrarrichtlinien, in denen eindeutig steht, daß bei Landaquisitionen diese oder jene Anforderung erfüllt sein müssen, damit die Investoren nicht einfach nur unterstützt werden, sondern damit überhaupt von einem Entwicklungseffekt geredet werden kann. Auch die Deutsche Investitionsgesellschaft (DIG) ist an diese Art von Vorgaben gebunden. Ich würde sogar behaupten, daß sie da kritischer ist als bei Investitionen in vielen anderen Bereichen, die durchaus negative Nebenwirkungen zeigen können, wie beispielsweise dem Bergbau.

SB: Ist die Landfrage ein besonders empfindliches Thema, weil dabei existentielle Fragen berührt werden?

MB: Ja, aber die Bundesregierung sagt nicht grundsätzlich nein dazu, sondern verlangt, daß bestimmte Auflagen erfüllt werden müssen. So hat sie zum Beispiel die Landmatrix mitfinanziert, um überhaupt Wissen zu sammeln. An der Finanzierung ist auch die GIZ beteiligt.

SB: Hat sich die Politik der Bundesregierung speziell bei Landfragen unter den verschiedenen Regierungen gewandelt?

MB: Eher nicht. Der politische Wandel, der stattgefunden hat, hatte wiederum nichts mit der jeweiligen Regierung zu tun, sondern war Folge des generellen Interesses am Landthema, das in den 60er bis 80er Jahren groß angesagt, dann aber zurückgegangen war, unabhängig von der jeweiligen Regierung. Das sind Megatrends, wie man Landwirtschaft nicht nur als sinnvolle, sondern als machbare entwicklungspolitische Aufgabe bewertet. Das hat sich jetzt unter der neuen Regierung geändert, vielleicht nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil der starke Run auf die Landwirtschaft einfach versinnbildlicht, daß es sich wieder lohnt zu produzieren. So können wirtschaftliche Versprechen gemacht werden, bei denen die Investoren aufsteigen und man die Bauern jetzt befähigen müßte, das genauso zu sehen und auszunutzen. Natürlich hätte man vermuten können, daß sich die Entwicklungszusammenarbeit unter einem liberalen Minister ändert, aber das sehe ich nicht so.

SB: Entwicklungsminister Dirk Niebel steht ja im Ruf, die wirtschaftlichen Fragen und ökonomischen Interessen stärker in den Vordergrund zu rücken.

MB: Ich glaube, da wird Frau Wieczoreck-Zeul zu wenig Kredit dafür gegeben, daß sie schon vorher diese PPP-Faszilitäten [8] auf den Weg gebracht hatte. Ich hätte mir von dem neuen Minister, ehrlich gesagt, mehr erwartet, nämlich daß er das forciert. Aber er hat es erst einmal so übernommen und weiterlaufen lassen und ist da eher ein bißchen getrieben.

SB: Er wollte sogar ursprünglich das ganze Ministerium abschaffen. Zumindest ist das eine Idee, die ihm in den Mund gelegt wird.

MB: Nein, der steht auch dazu. Eine Zeitlang hatte er jede Rede damit angefangen: Ich bin der Minister, der das Amt eigentlich abschaffen wollte.

SB: Inzwischen hat er die einzelnen Entwicklungsinstitutionen unter einem Dach zusammengeführt. Das ist aus seiner Sicht sicherlich ein Fortschritt im Sinne der Wirtschaftlichkeit.

MB: Das sehen wir aber alle so. Die meisten Beobachter sind relativ froh, daß das endlich passiert ist. Frau Wieczoreck-Zeul hatte das einmal mit der damaligen GTZ [9] und der KfW versucht, was aber gescheitert war. Da wurde der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Aber sie hat wenigstens schon mal alle dienstleistungsorientierten Organisationen zusammengefaßt.

SB: Sind durch die Zusammenlegung viele Arbeitsplätze
verlorengegangen?

MB: Ich glaube nicht, zumal noch eine Übergangsfrist besteht, eine Art Bestandsschutz. Außerdem hat die GIZ gleichzeitig mit der Zusammenlegung einen erweiterten Auftrag erhalten und wird wahrscheinlich eher wachsen. Ich denke, dem Gesamtapparat tut das gut. Da gibt es natürlich viele Einzelschicksale. Gerade auf der mittleren Ebene sind viele Kompetenzen abgewandert, aber letztendlich macht das viel Sinn. Es hatte zu viele Reibereien gegeben. Jede Organisation hatte andere Vergabe-Modalitäten und konnte ihren Eigenblick auf solche Themen entwickeln. Es gab nicht nur ein Nebeneinander, sondern auch richtige Reibungsverluste, wenn die dann mal zusammengearbeitet haben.

SB: Haben sie als Wissenschaftler den Eindruck, daß die Studien aus Ihrem Institut von der Politik gehört und dann auch in konkrete Entwicklungspolitik umgesetzt werden?

MB: Manchmal schon.

SB: Gibt es da Beispiele?

MB: Unsere Ergebnisse gehen allerdings nicht an die Politiker, sondern an Fachreferate, die natürlich verschiedenen Einflüssen ausgesetzt sind. Ich sage es mal so: Unser Institut betreibt Ressortforschung. Wir erhalten oft Aufträge in der Forschung. Wenn man Auftragsforschung macht, dann bedeutet das, daß jemand einen Handlungsbedarf hat und wirklich etwas ändern will. Das ist natürlich schon mal phantastisch. Käme ich dagegen mit der Forschung zwei Jahre zu früh, würden die Ergebnisse verpuffen, weil sich kein Mensch mehr daran erinnert. Die Arbeit kommt also zum richtigen Zeitpunkt, und dadurch daß es ein Auftrag ist, wird der Forschungsbericht auch gelesen.

Damit haben viele andere Wissenschaftler, die frei forschen, ein Problem. Aber wenn ein Universitätsprofessor eine Auftragsforschung annimmt, dann ist er in derselben Situation. Auch das wird aufmerksam gelesen. Da gibt es dann ein Entscheidungsfenster, das man punktgenau mit den Fragen, die gestellt werden, bedienen kann. Damit habe ich persönlich auch schon Erfahrung gesammelt, als ich an der Aid-for-Trade-Strategie mitgearbeitet habe. Das war eine Strategie, bei der das Ministerium deutlich machen wollte, wie Handel als ein wichtiger Motor für Wirtschaftswachstum aussehen könnte.

Man kann den Handel armutsorientiert gestalten, was er nicht automatisch ist. Dann wurde eine Strategie erarbeitet, wie man so etwas in den verschiedenen Organisationen verankern kann. Auch damals lautete der Aufruf: "Ihr müßt viel besser zusammenarbeiten." Das ist inzwischen durch die Zusammenlegung der Institutionen obsolet, aber diese Studie hat damals durchaus guten Anklang gefunden. Ein anderes Beispiel betrifft den Bereich Bioenergie. Ich hatte eine Veranstaltung über Bioenergie gemacht und dazu wurden mehrere Studien angefertigt, in denen gezeigt wurde, daß es durchaus Sinn machen kann, in Entwicklungsländern die Produktion von Bioenergie zu fördern. Gerade Afrika ist eigentlich für Bioenergie im ländlichen Raum prädestiniert, weil andere regenerative Energieformen für den ländlichen Raum viel zu kompliziert sind. Bioenergie kann man speichern und damit auch alte Maschinen antreiben.

SB: Heben Sie auf das Öl aus Jatropha ab?

MB: Genau. Das läßt sich für lokale Dieselgeneratoren nutzen. Aber auch als Transportenergie. Die ist in Afrika ein sehr großes Thema. Dort wird die meiste Energie nicht wie bei uns zur Elektrizitätsgewinnung, sondern für den Transport verbraucht. Was also liegt näher, als untergenutzte Ressourcen zu verwenden, um Treibstoff zu produzieren. Dazu ist mittlerweile die Einstellung der Bundesregierung wieder deutlich positiver geworden, was nicht nur auf meine Studie zurückzuführen ist. Die Regierung betrachtet diese großflächigen Modelle immer noch mit Skepsis, aber entwickelt, so hoffe ich, eine positivere Einstellung zur Bioenergieproduktion für lokale Märkte, so daß sie diese wieder aktiver fördert. Denn diese Märkte entstehen nicht von selbst. Wenn man das nicht von außen unterstützt, dann würde auch bei uns nichts passieren.

SB: Die äthiopische Regierung wurde kürzlich von John Ging, Operations Director beim UN-Büro für die Koordination humanitärer Angelegenheiten, für ihre angeblich sehr gute Hungerbekämpfungspolitik gelobt. Gleichzeitig wird aber in den Medien berichtet, daß es im Rahmen der staatlichen Landvergabe zu Vertreibungen im großen Stil gekommen ist. Wie schätzen Sie persönlich die Lage in Äthiopien ein?

MB: Man muß der äthiopischen Regierung zugute halten, daß es kaum ein Land gibt, das die Hungerrate auch längerfristig, allerdings von einem sehr hohen Niveau ausgehend, so weit heruntergebracht hat.

SB: Trotz des hohen Bevölkerungswachstums?

MB: Richtig. Äthiopien hat halt keine demokratische Regierung. Sie folgt da eher dem chinesischen Modell. Da kann es durchaus auch zu Menschenrechtsverletzungen kommen. So ist erst einmal das allgemeine Bild. Jetzt speziell zur Land-Aquisitionen und den Vertreibungen.

SB: In Gambella oder dem Ogaden, wobei dessen Geschichte ein Sonderfall ist.

MB: Ein Doktorand vom Zentrum für Entwicklungsländerforschung (ZEF) bei Prof. Dr. Winfried von Urff berichtete kürzlich, daß es schon lange ein äthiopisches Programm zur Re-Allokation gibt. Dabei sollen die versprengten Ansiedlungen der ländlichen Bevölkerung wieder konzentriert werden. Früher waren dabei Problem aufgetreten, als Leute aus dem Hochland in die Tiefländer, die untergenutzt sind, gebracht werden sollten. Das hat zu schweren ethnischen und politischen Verwerfungen geführt. Jetzt will man die Menschen in größeren Dörfern re-alloziieren, um sie besser versorgen zu können. So lautet zumindest die Rhetorik. Die Dörfer sind dann an Straßen gelegen. Man kann dann Schulen bauen, was sich für ein Gehöft mit 20 Familien nicht lohnen würde, wohl aber für 200 oder 500 Familien. Verknüpft wird das jetzt mit einer Landvergabe an sehr große indische, arabische, aber auch Dutzende von äthiopischen Investoren - die kleineren erhalten bis zu 5.000 Hektar. Offensichtlich kommt es dabei zu Vertreibungen.

Allerdings berichtete jener Doktorand auch, daß sich einige Leute sogar beschwert hätten, da sie von der Umsiedlung nicht profitieren, weil sie zu weit weg von den Investitionen lebten und auch bei der Arbeitsplatzvergabe benachteiligt würden. Auch da zeigt sich also wieder ein absolut ambivalentes Bild. Der Push ist in manchen Ecken zu groß und der Sog zu klein. Es gebe, fuhr jener Doktorand fort, sehr viele Tätigkeiten, die die Leute nicht verrichten könnten, weil sie Pastoralisten sind, die weder lesen noch schreiben können.

Dann würden Einwohner aus dem Hochland selbst für relativ einfache Arbeiten herangezogen, begleitet würde das durch ein Arbeits- und Ausbildungsprogramm. Das macht kein Investor selber, aber da könnte man eine Investition so unterstützen, daß lokal ein möglichst großer Nutzen entsteht. So etwas wird bis jetzt nicht gemacht. Nun bin ich kein echter Experte für diese Fragen, aber auch für Äthiopien würde ich die Entwicklung nicht nur negativ sehen, so wie das manchmal in der Presse dargestellt wird, derzufolge die Landvergabe gegen den massiven Willen der lokalen Bevölkerung durchgesetzt wird. Das ist offensichtlich nicht so.

SB: Ich hatte vor einiger Zeit die Gelegenheit, ein längeres Interview mit einem Äthiopier zu führen, der in Deutschland im Exil lebt und sehr gegen die äthiopische Regierung opponiert. Er ist politisch verfolgt und hat erklärt, daß es bei der Umsiedlung und Trennung der Ethnien darum geht, Kontrolle auszuüben und jeglichen politischen Widerstand, der gegen die Regierung aufkommen könnte, durch die Zerschlagung der gewachsenen Strukturen zu brechen. Er bezeichnete dieses Vorgehen als Herrschaftsinstrument.

MB: Das ist bestimmt nicht ganz falsch. Aber die Frage ist doch, wie die Bundesregierung damit umgeht. Sie hat extreme Probleme mit Ländern, die auf der einen Seite die besten Armutsbekämpfungsraten vorweisen - das sind die Klassiker wie Ruanda und auch Äthiopien, leider, muß man ja sagen. Es gibt sogar eine wissenschaftliche Theorie von Collier [10], derzufolge die Demokratisierungsdividende erst ab einem mittelhohen Einkommen zustandekommt. In ganz armen Ländern, wo kaum Menschen wirklich die politischen Rechte wahrnehmen können, gibt es demnach auch keine Dividende. Da sind Länder mit diktatorischen Regierungsformen im Vorteil, wobei es dort natürlich zu heftigen "Nebenwirkungen" kommt. Was macht man jetzt also? Soll man sich von einer solchen Regierung distanzieren?

SB: Äthiopien ist allerdings Schwerpunktland der deutschen Entwicklungshilfe.

MB: Ruanda ebenfalls. Die meisten Länder sind so ähnlich. Da gibt es demokratischere Länder, in denen aber viel weniger in Gang gesetzt wird und das Geld im Prinzip eher rausgeschmissen ist. Das bleibt im Grunde genommen eine schwierige Einzelfallentscheidung, ob man etwas noch verantworten kann. Bei Ländern wie Äthiopien, das muß man wirklich sagen, sollte man sich davor hüten, in Konflikte, die jederzeit ausbrechen können, hineingezogen zu werden. Aber trotzdem muß man irgendwie mit der dortigen Regierung zusammenarbeiten, wenn man in dem Land ist.

Dr. Michael Brüntrup am Tisch - Foto: © 2012 by Schattenblick

'Water Grabbing - was die Kleinbauern anarchisch tun mit geringen Folgen, hat bei Großinvestoren ganz andere Konsequenzen.' Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Neben der Bezeichnung Land Grabbing wird von Nichtregierungsorganisationen auch von Water Grabbing gesprochen. Was ist darunter zu verstehen?

MB: Es geht beim Water Grabbing meist um Bewässerungsland. Es gibt jedoch auch etwas radikalere, beziehungsweise weitergehende Definitionen, denen zufolge auch der Export des virtuellen Wassers, das in Agrarprodukten steckt, eine Art Water Grabbing ist. Um die Agrarerzeugnisse zu produzieren, ist eine Menge Wasser erforderlich. Selbst Regenwasser wird dann dazugerechnet. Wenn der Investor diese nun exportiert, dann, so heißt es, handle es sich um Water Grabbing, obgleich gar nicht künstlich bewässert wurde. Weil er damit im Prinzip virtuelles Wasser exportiert. Das ist jetzt eine weitergehende Definition. Meist geht es jedoch beim Water Grabbing konkret um Bewässerungswasser. Die Problematik besteht darin, daß, wenn man Bewässerungswasser abzieht, Anrainer des Unterlaufs eines Stroms, die normalerweise vom Land Grabbing überhaupt nicht betroffen wären, durchaus dem Water Grabbing ausgesetzt sind. Die Anrainer des Sambesi sind dafür ein Beispiel.

SB: Ein anderes Beispiel wäre der Olifant River beziehungsweise Elefantenfluß in Mosambik. Dort haben sich vor einigen Jahren die Einwohner der Regionen am Unterlauf darüber beklagt, daß bei ihnen wegen des Anbaus von Zuckerrohr nicht genügend Wasser ankommt.

MB: An dieser Stelle kommt man wieder auf den Einzelfall: Natürlich muß Wasser für die Agrarwirtschaft genutzt werden. Auch die FAO sagt, daß es in Afrika noch sehr viele ungenutzte Wasserressourcen gibt. Meist sind die Kleinbauern nicht in der Lage, die Nutzung organisiert zu gestalten. Im besten Fall hängen sie ihre Motorpumpe in den Fluß, aber es ist keine geordnete Bewässerung und daher wird sehr viel Wasser verschwendet. Die großen Investoren können sich sehr große Pumpen leisten und deshalb in ganz anderen Dimensionen vorgehen. Was die Kleinbauern anarchisch tun mit geringen Folgen, hat bei Großinvestoren ganz andere Konsequenzen. Daraus ergeben sich dann Probleme. Man kann die Wasserrechte meist nicht genau von den Landrechten trennen, aber da, wo es Sinn macht, bei größeren Flüssen auf jeden Fall, sollte das gemacht werden. Im Grunde genommen müßte man eine integrierte Land- und Wassernutzung beziehungsweise -planung durchführen.

Das ist jetzt eine andere Diskussion, aber nach jener radikaleren Einschätzung gehört zum Water Grabbing sogar das virtuelle Wasser, das durch Regenfeldbau eingefangen wird. Das entspricht durchaus der Denkweise von Ökonomen, die sagen: Es gibt nun mal Länder, die haben viel Wasser zur Verfügung, und es gibt Länder, die wenig Wasser haben - warum soll man nicht durch Handel die komperativen Vorteile nutzen? Oder die frage, warum Saudi-Arabien nicht mehr Wasser verbrauchen darf, als es selber hat. Dafür ist der Handel ja da, daß man lokale Knappheiten abbaut. Da taucht das Problem auf, das so zu gestalten, daß den Unteranrainern kein Schaden entsteht, damit beispielsweise durch die Entnahme von Flußwasser die lokalen Brunnen nicht trocken fallen. Da tauchen jede Menge zusätzlicher Probleme durch starke Wasserentnahmen auf.

SB: Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit von freiwilligen Standards für Investitionen in Land, wie sie im März dieses Jahres von den UN- Mitgliedsländern in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft beschlossen wurden?

MB: Die Bundesregierung hat eine Beratergruppe gebildet, deren Mitglied ich bin. Ich glaube, die Richtlinien an sich sind ganz gut geworden. Das wird von vielen Seiten bestätigt. In den Richtlinien werden die informellen Rechte der Landnutzung anerkannt Wasser ist leider nicht mit aufgenommen worden, vor allen Dingen weil viele Länder gesagt haben, es gibt ja schon Richtlinien für Wasser, nämlich das Menschenrecht auf Wasser. Das wollten sie also getrennt haben. Aber letztendlich werden abgesehen vom Wasser die anderen Ressourcen sowie die Nutzungsrechte an Produkten wie Feuerholz, die von den Einwohnern gesammelt werden, anerkannt.

Es handelt sich um relativ weitgehende Richtlinien wie zum Beispiel die des "Free, prior and informed consent" [11]. Das ist ein Begriff, der in der Menschenrechtsdiskussion bislang noch nicht oft benutzt wird, hier aber verankert ist, weil man gesehen hat, daß es tatsächlich nicht reicht, wenn der Staat oder ein Chief für die Bevölkerung spricht. Es muß gelingen, daß wirklich alle oder so gut wie alle Beteiligten wenigstens informiert sind und mitsprechen können. Damit gerade marginalisierte Gruppen wie Frauen, die nicht direkt Eigentumsrechte, aber sehr wohl Nutzungsrechte haben, berücksichtigt werden. Da wurden schon relativ weitgehende Formulierungen geschaffen. Interessanterweise ist auch das Thema Landreform jetzt drin und hat durch das Land Grabbing etwas Aufwind bekommen, weil man sich gesagt hat, es geht ja schließlich um eine optimale Nutzung, das kann auch eine kleinräumige sein.

Über die Landverfügbarkeit definiert sich ein Staat. Ich bin überzeugt davon, daß man keine auch nur annähernd so weitgehenden Leitlinien hätte verabschieden können, wenn man mit Zwangsmaßnahmen operiert hätte, weil sich dann viele Staaten in ihren Souveränitätsrechten eingeschränkt gefühlt hätten. Das geht schon bei anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht, geschweige denn bei Landfragen. Die konstituieren ja sozusagen Staat. Insofern ist Freiwilligkeit, glaube ich, die bessere Möglichkeit.

Man hat zunächst einmal das Ideal formuliert, einen Standard geschaffen. Nun geht es in einem längeren Prozeß darum, an dem sich auch die Bundesregierung wieder beteiligen will, das in nationale Leitlinien umzusetzen. Man hat - was die Ökonomen wieder ganz gut finden - keine pauschale Verurteilung der Landnahmen oder Investitionen vorgenommen, sondern nur gesagt, daß sie nach Regeln stattfinden sollen und daß im Prinzip auch die Schwachen davon gewinnen müssen. Das ist in meinen Augen eine wichtige Errungenschaft, denn es bedeutet, daß großflächige Landnahmen durchaus sinnvoll sein können, wenn sie diese Leitlinien einhalten. Da müssen die NGOs mal wieder in den sauren Apfel beißen, weil sie eigentlich wollten, daß ein Status quo erhalten bleibt und so etwas wie Landmärkte nicht zustandekommt.

Ich halte die Leitlinien für einen sehr vernünftigen Kompromiß. Wie das jetzt weitergehen soll? Ich nenne mal jetzt ein weitergehendes Beispiel: Es gibt auch die allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Auch sie ist freiwillig und wurde sogar von vielen Ländern verbindlich übernommen, aber deswegen sind sie noch nicht überall durchgesetzt. Allerdings hat man so wenigstens eine Meßlatte, was darunter zu verstehen ist, und das finde ich auf jeden Fall nicht falsch.

SB: Die Millenniumsziele sehen unter anderem eine Halbierung der Zahl der Hungernden bis zum Jahr 2015 vor. Das Ziel wird weit verfehlt. Die Zahl der Hungernden steigt insbesondere seit 2007, 2008 an. Worauf könnten die Menschen in den Hungerregionen ihre Hoffnungen stützen, daß solche freiwilligen Abmachungen, wie sie jetzt hinsichtlich der Landnahmen getroffen wurden, tatsächlich zu einer Hungerreduzierung führen?

MB: Da muß man vielleicht nochmal auf die Relevanz zurückkommen. Denn ich glaube nicht, daß die Landnahmen entscheidend dafür sind, daß sie das Hungerproblem entweder verunmöglichen oder aber möglich machen. Von der Landnahme sind viele Millionen Menschen betroffen, aber nicht Hunderte von Millionen wie beim Hunger. Deshalb wäre das Menschenrecht auf Nahrung, das ja auch auf freiwilligen Leitlinien basiert, im Prinzip viel wichtiger, weil es da eben um alle Hungernden geht und nicht nur um die, die von Landnahmen betroffen sind. Das wäre schon einmal die erste Einschätzung. Der Agrarökonom gibt darauf die folgende Antwort: Da die meisten Hungernden auf dem Land und von der Landwirtschaft leben, muß da am meisten getan werden. Das ist auch meine Überzeugung. Entscheidend ist, die ländliche Entwicklung, aber nicht nur die Agrarentwicklung voranzutreiben, um von dieser riesigen Zahl an Hungernden ein gutes Stück herunterzukommen. Da schwimme ich vielleicht gegen den Strom, aber ich glaube, die höheren Nahrungsmittelpreise stellen letztendlich die Chance dar, diese Agrarentwicklung auch zustandezubringen.

SB: Mit dieser Einschätzung sind Sie durchaus nicht allein.

MB: Das weiß ich manchmal nicht so genau. Der Diskurs hat sich in den letzten vier, fünf Jahren total geändert, von "wir brauchen höhere Agrarpreise" zu "wir brauchen niedrigere Agrarpreise".

SB: Beides läßt sich begründen. Bei höheren Preisen bekommen die Kleinbauern eventuell mehr Geld, aber andererseits können sich die ärmeren Menschen die höheren Nahrungsmittelpreise nicht leisten.

MB: Genau. Das ist ein Dilemma. Ich glaube, kurzfristig ist die Sichtweise, daß niedrigere Nahrungsmittelpreise unmittelbar mehr Menschen zugute kommen, die richtigere. Doch wenn man Landwirtschaft von Kleinbauern grundsätzlich fördern will, dann braucht man höhere Preise, um sie langfristig zu Nettoproduzenten zu machen. Im zweiten Schritt muß man dann dafür sorgen, daß größere Betriebe wachsen können, damit die Leute aus der Landwirtschaft raus in die Verarbeitung kommen, was manchmal nicht unmittelbar mehr mit der Landwirtschaft zu tun haben muß. Aber all das läßt sich nur durch höhere Preise fördern, die die Terms of Trade-Richtung [12] zugunsten des "ländlichen Raums" drehen.

Hinter der Frage der Landnahme steckt also ein Megatrend. Die Investoren schwimmen auf dieser Welle, die insgesamt viel größer ist, mit. Ich sehe in dieser Entwicklung eine Chance für die Bauern. Jetzt lohnt es sich wieder zu investieren - wenn das nur nicht alles von den höheren Energiepreisen aufgefressen würde. Die Voluntary Guidelines [13] haben die Funktion, an einer Ecke dieses umfassenden Phänomens der Entwicklung für Ordnung zu sorgen. Viele dieser Investitionen in Landnahme sind ja vollkommen nutzlos, denn die meisten Investoren wollen eher die agrarischen Produkte haben als das Land - mit Ausnahme der Landspekulanten, aber die will eigentlich keiner.

SB: Sind Sie für staatliche Regelungen und Verbote in diesem Bereich?

MB: Auf jeden Fall. Wenn man die Richtlinien ins nationale Recht übernehmen würde, dann hätte man eine ausreichende Handhabe, um viele dieser Deals rückgängig machen zu können. Zumindest würden keine neuen Landnahmeverträge abgeschlossen. Ich denke, daß viele der Deals, wenn sie denn gegen Recht verstoßen haben, wieder rückgängig zu machen sind. Man kann allerdings nur hoffen, daß die Verträge entsprechende Klauseln enthalten. Darüber ist nur wenig bekannt. Man muß allerdings auch sagen, daß es sich dabei zumeist um solche Staaten handelt, in denen diese Verträge ohnehin nicht viel wert sind. Das ist natürlich ein Trost für die, die das rückgängig machen wollen. Die Realität zeigt, daß sich die Landbevölkerung sehr oft diese Ländereien zurückholen kann. Sie ist nicht ganz machtlos.

Ich habe längere Zeit in Benin gelebt. In den 60er und 70er Jahren wurden Agrarinvestitionen vor allen Dingen von staatlicher Seite für den Anbau von Cashewnuß- und Kokosnuß-Plantagen getätigt. Nicht nur, daß die Staatswirtschaft nicht funktioniert hat, letzten Endes konnte die Bevölkerung die Agrarvorhaben selbst unter repressiven Verhältnissen ziemlich gut sabotieren. Sobald dann die Demokratisierung einsetzte, brannten ganze Cashewnuß-Plantagen - obwohl man die durchaus hätte rehabilitieren können. Ich will damit sagen, daß Investoren auf dem Land sehr anfällig sind. Wenn die Bevölkerung die Landnahme aktiv sabotiert, dann hat sie viele Möglichkeiten. Das ist nicht so wie bei einer Ölquelle, die man relativ gut abschotten kann.

SB: Herr Brüntrup, wir bedanken uns ganz herzlich für das ausführliche Gespräch.


Fußnoten:

[1] Teil 1 des Interviews finden Sie unter:
http://schattenblick.com/infopool/politik/report/prin0119.html

[2] GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH

[3] KfW Entwicklungsbank

[4] Shifting Cultivation (engl.) - Wanderfeldbau

[5] Contract Farming (engl.) - Vertragsanbau

[6] Public Goods (engl.) - öffentliche Güter

[7] Trickle-down-Effekte (von engl. to trickle - sickern)
Brüntrup hebt auf das politische Konzept ab, wonach der Wohlstand der Reichen gefördert wird, so daß ein kleiner Teil davon in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickert.

[8] ppp - public private partnerships (engl.) - öffentlich-private Partnerschaften

[9] GTZ - Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH. Sie verschmolz gemeinsam mit dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und der Bildungsorganisation InWEnt zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Diese nahm am 1. Januar 2011 ihre Arbeit auf.

[10] Paul Collier, Professor für Ökonomie und Direktor des Zentrums für afrikanische Ökonomien an der Universität Oxford.

[11] "Free, prior and informed consent" (engl.) - freiwillig, vorab und in Kenntnis der Sachlage

[12] Terms of Trade (engl.) - Handelsbeziehungen

[13] Voluntary Guidelines (engl.) - freiwillige Leitlinien

 Metallschild am Eingang des GIGA-Gebäudes - Foto: © 2012 by Schattenblick

GIGA und Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft - Forschung und Verwertung als Nachbarn
Foto: © 2012 by Schattenblick

7. Juni 2012