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INTERVIEW/130: Gewaltfreiheit verwirklichen auf sozialer wie politischer Ebene (SB)


Interview mit Toni am 31. August 2012 in Kassel



Am Rande einer Demonstration gegen den Export deutscher Panzer in alle Welt [1], die im Rahmen der Kasseler Aktionstagen gegen Rüstungsindustrie und Militarismus stattfand, beantwortete Toni, der am Aufbau eines freien Kulturzentrums in einem besetzten, inzwischen wieder geräumten Haus in der Oberen Austraße in Mainz beteiligt war, dem Schattenblick einige Fragen.

Auf der Demonstration - Foto: © 2012 by Schattenblick

Toni (rechts) mit SB-Redakteur
Foto: © 2012 by Schattenblick

Schattenblick: Es hat mich etwas überrascht, daß ein Hausbesetzer auf einer Antimilitarismusdemo eine Rede hält. Ich hatte den Eindruck, daß der Widerstand gegen Krieg und Militarismus in der autonomen, libertären oder sogenannten undogmatischen Linken nicht mehr zu den zentralen Anliegen zählt. Hast du das Gefühl, daß sich da etwas Neues entwickelt?

Toni: Ich kann natürlich nicht für die komplette linke Szene, sondern nur für mich persönlich und die Erfahrung, die ich in unserem Projekt gemacht habe, sprechen. Dieses Projekt hatte als Grundeinstellung die absolute Gewaltfreiheit. Dementsprechend finde ich es persönlich nicht verwunderlich, wenn man sich an einer antimilitaristischen Demonstration beteiligt. Ich finde es vielmehr folgerichtig.

SB: Inwiefern trifft die relative Schwäche der linken Bewegung, wenn man ihre Strömungen überhaupt unter diesem Begriff vereinen kann, auch auf deine Generation zu? Hast du den Eindruck, daß sich unter jüngeren Menschen wieder ein Bewußtsein für die Notwendigkeit des Antimilitarismus herausbildet, oder bist du da eher die Ausnahme von der Regel?

Toni: Nein. Ich denke schon, daß sich wieder ein Bewußtsein herausbildet. Momentan finden deutschlandweit viele Aktionen statt, wo sich die Kräfte mehr oder weniger verteilen. Im Endeffekt muß man natürlich kontinuierlich Arbeit leisten und die Frage auch immer wieder ins Bewußtsein bringen, wie zum Beispiel durch diese Demonstration heute, damit die Leute wieder anfangen, darüber nachzudenken, sich dazu zu positionieren und ihre Position dann auch auf die Straße zu tragen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß 90 Prozent der deutschen Bevölkerung, wenn man sie dazu befragt, eigentlich der gleichen Meinung sind wie die Menschen, die sich hier versammelt haben.

SB: Wie ist das Verhältnis der Szene, die zum Beispiel zu Aktionsformen wie der Besetzung von Häusern greift, zur organisierten Linken wie der Linkspartei oder auch der DKP? Gibt es da überhaupt ein Verhältnis oder sind das völlig andere Welten für euch?

Toni: Wir haben einen anderen Ansatz. Wir sagen, wir sind unser Projekt und haben unsere Grundsätze. Wer sich an diese Grundsätze hält, ist sehr gern eingeladen, sich mit uns zu solidarisieren und sich einzubringen. Wir persönlich suchen nicht die Nähe zu Parteien, weil wir ein autonomes Projekt sind, das für sich selbst spricht.

SB: Siehst du dich in irgendeiner Tradition der Autonomie, des Anarchismus oder einer anderen radikalen Bewegung?

Toni: Ich sehe mich persönlich in der Tradition des vernünftigen Menschenverstandes.

SB: Toni, vielen Dank für diese Stellungnahme.

Fußnote:
[1] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0119.html

6. September 2012