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ARBEIT/478: Jordanien - Rechte von Arbeitsmigrantinnen mit Füßen getreten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Februar 2012

Jordanien: Rechte von Arbeitsmigrantinnen mit Füßen getreten - Hilfsgruppen machen mobil

von Myriam Merlant


Amman, 23. Februar (IPS) - Jedes Jahr strömen rund 140.000 Arbeitssuchende aus Indonesien, den Philippinen und Sri Lanka nach Jordanien. Viele arbeiten in Privathaushalten, wo sie nicht selten ihr blaues Wunder erleben - im buchstäblichen Sinn des Wortes: Denn Schläge und andere Formen der Gewalt sind dort verbreitet.

Der überwiegende Teil der Hausangestellten ist weiblich. In den vergangenen 30 Jahren hat sich ihre Zahl in der Hauptstadt Amman von etwa 8.000 im Jahr 1984 mehr als verzehnfacht. Immer weniger Jordanierinnen wollen sich mit der Hausarbeit abmühen. Hilfsorganisationen zufolge sind es häufig diese Frauen, die ihr Haushaltspersonal schlecht behandeln.

Die Arbeit in den Familien ist nicht nur schlecht bezahlt, sondern mit gravierenden Rechtsverstößen verbunden. Den Arbeitsmigrantinnen werden oft die grundlegenden Freiheiten und jeglicher Kontakt zur Außenwelt vorenthalten. Die meisten Frauen, die aus dem Ausland kommen, sind auch deshalb im Nachteil, weil sie die Landessprache nicht verstehen. Sie unterzeichnen Arbeitsverträge, die sie nicht verstehen, und binden sich damit fest an ihren Arbeitgeber.


Schweigen brechen

"Übergriffe gegen Haushaltshilfen sind häufig, werden aber von der Öffentlichkeit selten wahrgenommen", berichtet Luna Sabbah, die Direktorin des Adaleh-Zentrums für Menschenrechte. Aus diesem Grund bemüht sich ihre Organisation und die Gruppe 'Tamkeen', die Arbeitsrechtsverstößen nachgeht, Einzelheiten über kriminelle Arbeitsverhältnisse publik zu machen.

"Die Arbeitgeber haben selten ein Problem damit, dass sie ihre Haushaltshilfen schlecht behandeln", berichtet Linda Al Kalash von Tamkeen, die im letzten Jahr mit dem Menschenrechtspreis der französischen Regierung ausgezeichnet worden ist. Sie nutzten die Arbeitskräfte hemmungslos aus.

Lange Arbeitszeiten sind die Regel, freie Tage - wenn überhaupt - selten. Zudem kommt es vor, dass den Frauen ihre hart erarbeiteten Löhne gestrichen oder gekürzt werden. Auch von Beschimpfungen, Schlägen und sexuellem Missbrauch weiß Al Kalash zu berichten. Allein für dieses Jahr liegen ihr 500 solcher Beschwerden vor. Für gewöhnlich kommen die Fälle vor Gericht.

Dass sich Arbeitsmigrantinnen wehren, verhilft ihnen aber noch lange nicht zu ihrem Recht. Die Rechtsverstöße müssen auch vom Arbeitsministerium als solche anerkannt werden, was meist nicht der Fall ist, obwohl die Regierung 2009 das internationale Abkommen gegen Zwangsarbeit und Menschenhandel ratifiziert hat und Arbeitsmigranten zumindest theoretisch seit 2008 unter dem Schutz der jordanischen Arbeitsgesetze stehen. Das Land muss allerdings noch die umfassende internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Arbeitsmigranten und ihrer Familien ratifizieren.

"Die Rechte der Frauen bestehen nur auf dem Papier", meint dazu Sabbah. Wie Recht sie damit hat, zeigt sich immer dann, wenn Migrantinnen versuchen, sich aus ihrer Zwangslage zu befreien. Gelingt einer Hausangestellten die Flucht vor ihren Arbeitgebern, weiß sie meist nicht, wo sie hingehen soll. Wird sie aufgegriffen, droht ihr die Festnahme. Bedrohlich wird die Lage vor allem dann, wenn ihre Arbeitsgenehmigung erloschen ist und sie von der Gnade ihrer Arbeitgeber abhängig ist.

Zurzeit befinden sich 35 Hausangestellte seit mehr als einem Jahr im Gefängnis, weil sie die Zwangsgebühren nicht entrichten können, die immer dann anfallen, wenn sie nicht arbeiten. Auch fehlt ihnen das Geld für den Rückflug in die Heimat.


Geldsammlungen für Rückfahrkarten

Das Adaleh-Zentrum und Tamkeen arbeiten mit allen beteiligten Akteuren wie Ministerien, Sicherheitskräften und Gefängnisaufsehern zusammen. 2010 brachte Adaleh genug Geld auf, um acht Migranten die Heimkehr in die Heimatländer zu ermöglichen. Außerdem wurden zahlreiche Arbeitgeber zur Zahlung ausstehender Löhne gezwungen. Im selben Jahr verhalf Tamkeen den Arbeitsmigranten zu dem Recht, eigene Bankkonten zu eröffnen. Durchgesetzt wurden ferner grundlegende Regelungen für den Umgang mit Menschen ohne Papiere.

Eines der umfassendsten Vorhaben zielt darauf ab, die Einhaltung der bestehenden Gesetze einzufordern. Adaleh hat deshalb eine Vereinigung legal Beschäftigter gegründet, die Haushaltshilfen im Kampf um ihre Rechte unterstützen soll. Tamkeen hat überdies Anwälte engagiert, die die Umsetzung internationaler Abkommen forcieren sollen.

Die Kampagne für die Rechte ausländischer Haushaltshilfen beinhaltet auch, die Öffentlichkeit stärker für das Thema zu sensibilisieren. So sollen unter anderem Polizeibeamte in Schulungen lernen, wie sie die Rechte von Migrantinnen besser schützen können. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://adaleh-center.org/new/
http://www.tamkeen-jo.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106841

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2012