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ARMUT/168: El Salvador - 20 Jahre Friedensabkommen, Ruf nach effektiver Armutsbekämpfung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Januar 2012

El Salvador: 20 Jahre Friedensabkommen - Ruf nach effektiver Armutsbekämpfung

von Edgardo Ayala


San Salvador, 17. Januar (IPS) - 20 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs in El Salvador erstickt das zentralamerikanische Land in Armut und Kriminalität. Um die Lebenserwartung eines Großteils der Bevölkerung zu verbessern, fordern Vertreter der Zivilgesellschaft und Wissenschaftler einen Anti-Armuts-Pakt. Große Chancen hat ein solches Programm allerdings nicht.

"Wir haben es geschafft, die Brutalität des Krieges allein durch Worte zu besiegen, also müssen wir es auch schaffen, Armut, Ungleichheit und Gewalt mit Worten und konzentrierten Entscheidungen zu besiegen", erklärte José María Tojeira in einem Leitartikel in der Zeitung 'La Prensa Gráfica'. Ein solcher Pakt müsse den Geist des Friedensabkommens von 1992 wiederbeleben, so die Forderung einiger Beobachter. Dazu gehöre allem voran ein starker politischer Wille.


Alle Akteure beteiligen

"An den Verhandlungen an einem solchen Pakt müssen alle Akteure beteiligt werden", sagte der pensionierte General Ernesto Vargas, der das Friedensabkommen von 1992 mitunterzeichnet hatte, gegenüber IPS. "Wir müssen eine Lösung finden, die Ideologien in den Hintergrund stellt und einzig das Ziel hat, das gesamte Land besserzustellen."

Von 1980 bis 1992 herrschte ein blutiger Bürgerkrieg in El Salvador, bei dem rund 75.000 Menschen starben und 8.000 verschwanden. Die Friedensverhandlungen führte die damalige Regierung der ultrarechten Nationalen Republikanischen Allianz (Arena) unter Präsident Alfredo Cristiani (1989-1994) mit der linksgerichteten Guerilla, der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN), die heute mit Mauricio Funes die Regierung stellt. Am 16. Januar 1992 unterzeichneten sie schließlich ein Friedensabkommen.

Das Abkommen legte die Basis für den demokratischen Wandel des Landes: Eine zivile Polizei wurde eingerichtet - die heute bereits wieder personell vom Militär unterstützt wird - sowie eine Generalstaatsanwaltschaft zur Verteidigung der Menschenrechte.


Wirtschaftskrise, hohe Armutsrate

20 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs steckt das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise. Dem Wirtschaftsministerium zufolge liegt die Armutsrate der sechs Millionen Einwohner bei 36,5 Prozent. 11,2 Prozent von ihnen haben kein Dach über dem Kopf.

El Salvador ist noch immer das Land mit der höchsten Mordrate weltweit. Auf 100.000 Einwohner kommen 62 Morde pro Jahr. Drei aufeinander folgende Regierungen haben seit 1999 versucht, mit staatlicher Repression der Gewalt Herr zu werden. Obwohl die Politik der harten Hand bisher keinen Erfolg gezeitigt hat, macht Präsident Mauricio Funes, der das Amt 2009 angetreten hat, genauso weiter wie seine Vorgänger. Nationale und internationale Beobachter, darunter das US-Außenministerium, halten die Justiz des Landes noch immer für unzureichend.

"Wir müssen den Weg, den wir vor 20 Jahren beschritten haben, endlich weitergehen. Wir brauchen mehr Demokratie", sagte Nidia Díaz, Mitglied des Zentralamerikanischen Parlaments. "Es gibt große Rückschläge, aber auch große Chancen." Díaz ist Ex-Guerillera und Mitunterzeichnerin des Friedensabkommens von 1992. Das Zentralamerikanische Parlament ist übergeordnetes Organ der zentralamerikanischen Länder und geht auf eine politische Initiative einiger mittelamerikanischer Länder zurück, die sich in den 80er Jahren das Ziel gesetzt hatte, die Bürgerkriege in El Salvador, Guatemala und Nicaragua zu beenden.

Den Weg der Demokratie in El Salvador nun weiter zu beschreiten, ist allerdings leichter gesagt als getan. Beobachter, darunter Beteiligte am Friedensprozess vor 20 Jahren, gehen davon aus, dass es schwierig ist, in einem Land wie El Salvador zu einem Konsens zu gelangen, mit dem die Mehrheit des Landes einverstanden sein würde - die Bevölkerung hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten ideologisch kaum einander angenähert.

"Neue Abkommen lassen sich in einer Situation wie dieser kaum erreichen", sagte Ex-Guerillero Dagoberto Gutiérrez gegenüber IPS. Es fehle eine dafür notwendige Machtkonstellation. "Die politischen und wirtschaftlichen Eliten verhandeln nur, wenn es unausweichlich ist. Das ist es zurzeit nicht." (Ende/IPS/jt/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2012