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ARMUT/188: Altersarmut gar nicht so schlimm? (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 1 vom 4. Januar 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Altersarmut gar nicht so schlimm?

von Manfred Dietenberger



Die Berater des Wirtschaftsministers sehen in der Altersarmut derzeit kein großes Problem, das auf der Prioritätenliste ganz oben stehe. Gewerkschaften, Sozialverbände und Kirchen wollten das hingegen so nicht unwidersprochen stehen lassen. Für sie ist Armut in Deutschland ein reales Problem und sie warnen, die Einkommensarmut im Alter werde bald dramatisch zunehmen. Ihre gegensätzlichen Gutachten legten sie jetzt fast zeitgleich vor. Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik rechnete vor: "2,6 Prozent der über 65-Jährigen beziehen Grundsicherung im Alter und sind von daher 'arm' laut Definition. Das sind dreimal weniger als in der Gesamtbevölkerung." Um nicht ganz lächerlich dazu stehen. räumte der Herr Experte vorsorglich ein, dass für die von Altersarmut Betroffenen das Problem natürlich groß sei. Aber bei den jetzigen Rentnern könne noch längst nicht von einem Massenphänomen die Rede sein. Börsch-Supan ist "Kenner" der Materie. Er ist einer der "wissenschaftlich" daherkommenden Lobbyisten der privaten Altersvorsorge. Im Verbund mit Bernd Raffelhüschen und Bert Rürup war er einer der heftigsten professoralen Marktschreier für die Zerstörung der gesetzlichen Rente. Selbstverständlich ist er auch ein starker Verfechter der Rente mit 67.

Nach den Worten von Achim Wambach, Vorsitzender des wissenschaftlichen Ministeriumsbeirates, ist die Lage in Alleinerziehenden-Haushalten und bei Jugendlichen, vor allem wenn diese einen Migrationshintergrund haben, viel dramatischer. Nach Ansicht des Beirates hilft weder die Einführung von Mindestlöhnen noch die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bzw. von der SPD beispielsweise auf favorisierte Zuschuss- oder Garantierente. Um eine Monatsrente in Höhe von 850 Euro zu kommen, müsste der Mindestlohn im Westen bei 14,40 Euro pro Stunde und im Osten bei 16,20 Euro liegen, so die beiden Auftrags-Experten.

Parallel zu dieser Ablenkungsveranstaltung legte die Nationale Armutskonferenz quasi ihren Schattenbericht vor.

Die aus Kirchen, Verbänden, Betroffeneninitiativen und Gewerkschaften bestehende Vereinigung stellte fest, dass in dem Gutachten des Ministeriumsbeirates der entscheidende Hinweis auf die in den kommenden Jahren "dramatische Zunahme der Einkommensarmut im Alter" fehle. Der Anstieg sei einerseits Folge des Strukturwandels im Beschäftigungssystem und der Auswirkungen auf Erwerbs- bzw. Beitragsbiographien. Andererseits sei er Ergebnis der Rentenpolitik dieser und der vergangenen Bundesregierungen. Armut ist also gewollt, systemisch und daher veränderbar. Wie sagte doch Börsch-Supan treffend: "Es ist keineswegs ausgemacht, dass die Zukunft schwarz ist". Es liegt an uns.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 1 vom 4. Januar 2013, Seite 8
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2013