Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

ARBEIT/379: Clean Clothes Campaign - Outdoorfirmen unter der Lupe (EvB)


erklärung! - Das Magazin der Erklärung von Bern, Nr. 03, Juni 2009


Clean Clothes Campaign:
Outdoorfirmen unter der Lupe

Von Christa Luginbühl


Kundinnen und Kunden von Outdoorfirmen legen Wert auf eine nachhaltige und soziale Produktionsweise. Doch wie stark engagieren sich diese Unternehmen tatsächlich für Fairness bei der Kleiderherstellung? Die Clean Clothes Campaign (CCC) hat nachgefragt - und kommt zu ernüchternden Ergebnissen.


Viele Firmen, die auf die Produktion von funktionaler Outdoorbekleidung spezialisiert sind, sagen von sich, dass sie Hightechwaren herstellen und daher in Fabriken mit höheren Standards produzieren lassen. Das heisse konkret: besser ausgebildetes und besser bezahltes Personal. Im Unterschied zur Billigproduktion seien sie dadurch vor Missständen weitgehend geschützt. Doch auch im höheren Preissegment kommt die ganze Palette an Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen immer wieder vor.

Die EvB erhält viele Anfragen von verunsicherten Konsumentinnen und Konsumenten, die wissen wollen, ob sie den Werbeversprechen der Outdoorfirmen trauen können. Die CCC hat deshalb insgesamt 29 Firmen mit starker Verkaufspräsenz auf dem Schweizer Markt auf die Finger geschaut.


Keine Gipfelstürmer

Anfang Jahr kontaktierten wir 15 Grossunternehmen, 13 kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) mit Schweizer Sitz sowie den Ausrüster der Schweizer Ski-Nationalmannschaft mit einem Fragebogen. Bereits hier zeigte sich, dass die Unternehmen der Thematik einen ganz unterschiedlich grossen Stellenwert beimessen. Das Spektrum der Reaktionen reichte von einer Bedankung, bei der Umfrage berücksichtigt worden zu sein (Patagonia), über eine Abgrenzung, nicht zur Zielgruppe der Umfrage zu gehören (Black Diamond), oder Unsicherheit, wer genau für solche Anfragen zuständig sei (Salewa) bis hin zur völligen Ignoranz (Schöffel).

Auffällig ist, dass die meisten Firmen Werbebotschaften bezüglich Ökologie kommunizieren, die wenigsten jedoch konkrete Aussagen zu ihrer sozialen Verantwortung machen. Gerade mal bei 5 der 15 befragten Grossfirmen ist am Stichdatum der Umfrage ein öffentlich zugänglicher Verhaltenskodex auf der Website zu finden. Die meisten Kodizes (sofern vorhanden) sind schwach formuliert. So verpflichtet sich ausser Mammut und Odlo keine der untersuchten Firmen, den Arbeiterinnen und Arbeitern einen existenzsichernden Lohn zu bezahlen. Jack Wolfskin gibt zwar an, einen Existenzlohn zu bezahlen, lässt dies aber nicht extern verifizieren.

Auch bezüglich Arbeitsstunden lassen viele Firmen Interpretationsspielraum offen und akzeptieren damit, dass die Einhaltung der gängigen Standards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO(1) schwierig wird. Nur vier Firmen (Helly Hansen, Mammut, Odlo, Patagonia) engagieren sich im Rahmen einer Multistakeholder-Initiative(2) für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten.

Insgesamt fallen die Ergebnisse bei den grossen Outdoorfirmen ernüchternd aus: Sechs Firmen gehören zu den Mitläufern, neun zu den Ignoranten, keine einzige schafft es in die Kategorie der Gipfelstürmer. Die Umfrage hat aber bereits im Vorfeld einiges in Bewegung gebracht: So will zum Beispiel Patagonia neu den Verhaltenskodex auf der Website zugänglich machen. Und Helly Hansen anerkennt, dass die Firma sich ernsthaft mit der Frage eines Existenzlohnes auseinandersetzen muss.


Rote Köpfe und emsiges Treiben bereits vor der Veröffentlichung

KMU spielen wirtschaftlich gesehen eine grosse Rolle. Mehr als 90 Prozent der Firmen weltweit gehören in die Kategorie der KMU und tragen im Schnitt 50 Prozent zum Bruottoinlandprodukt bei, rund 60 Prozent der Angestellten sind in KMU beschäftigt.

Die Umfrage der CCC hat einige dieser Firmen regelrecht aufgeschreckt. Vielfach wurde bemerkt, dass im Rahmen der Möglichkeiten alles getan werde. Es mangelt jedoch den meisten Firmen an glaubwürdigen Instrumenten, um ihrer Unternehmensverantwortung nachzukommen. KMU argumentieren, dass sie nicht die gleiche Durchsetzungskraft bei den Lieferanten hätten und daher gar keine Standards setzen könnten. Standards setzen können KMU tatsächlich nicht, und diesbezüglich liegt die Verantwortung klar bei den Big Players der Szene. Doch Massnahmen im Bereich der Unternehmensverantwortung können auch KMU formulieren und durch eine konsequente Umsetzung in der eigenen Firma und Lieferkette der Einhaltung der Arbeits- und Menschenrechte, der lokalen Gesetzgebung sowie ethischen Grundsätzen Nachdruck verleihen.

Bereits vor der Veröffentlichung kam es zu Treffen der CCC mit diversen Firmen. Drei haben konkrete Informationen zur Erarbeitung eines Verhaltenskodexes sowie dessen Umsetzung und Verifizierung gewünscht. Und vier Firmen zeigen sich offen für einen Beitritt zur Fair Wear Foundation, der von der EvB favorisierten Verifizierungsstelle. Eine Firma hat aufgrund der Befragung einen Kodex entwickelt, eine andere hat ihren Firmenkodex neu in die Landessprachen der Produktionsstätten übersetzt.

Auffällig ist, wie bedeckt sich der Ausrüster der Schweizer Ski-Nationalmannschaft gibt. DECSENTE gehört mit einem Umsatz von 863 Millionen Franken zu den ganz Grossen. Das Unternehmen mit japanischem Hauptsitz und Vertretung in der Schweiz gibt kaum etwas preis über seine Geschäftspolitik. Wir erhielten einzig einen Verhaltenskodex, der jedoch ausser ein paar generellen Sätzen zur Unternehmensethik keinerlei Verbindlichkeiten (z.B. Bezug zu ILO-Konventionen, Menschenrechtserklärung usw.) enthält. Es ist also höchst fragwürdig, in welcher Ausrüstung unsere Ski-Nati die Schweiz auf der Piste vertritt.


(1) Arbeitswoche bis max. 48 Stunden pro Woche plus - nicht regelmässig und zu Vorzugsprämien vergütet - max. 12 Stunden Überzeit pro Woche sowie mind. ein Ruhetag pro Woche, gemäss Konvention 1 und 14 der Internationalen Arbeitsorganisation der Uno (ILO).

(2) MULTISTAKEHOLDER-INITIATIVE (MSI): Ein Projekt, das durch die Beteiligung diverser Interessengruppen versucht, spezifische Aufgaben zu lösen, wie - im Fall der Textilbranche - das Monitoring und die Verifizierung der Einhaltung von Verhaltenskodizes von Textilunternehmen.


*


Quelle:
erklärung! 3/2009, S. 1-3
Das Magazin der Erklärung von Bern
Herausgeberin: Erklärung von Bern (EvB)
Dienerstrasse 12, Postfach, 8026 Zürich, Schweiz
Telefon: +41 (0) 44 277 70 00, Fax: +41 (0) 44 277 70 01
E-Mail: info@evb.ch
Internet: www.evb.ch

erklärung! erscheint 4- bis 5-mal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2009