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FRAUEN/322: Nepal - Kein Halten trotz Gefahren, immer mehr Frauen zieht es in die Golfstaaten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. August 2011

Nepal: Kein Halten trotz aller Gefahren - Immer mehr Frauen zieht es in die Golfstaaten

Von Sudeshna Sarkar

Shantimaya Dong Tamang nach Aufenthalt in Kuwait gelähmt - Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Shantimaya Dong Tamang nach Aufenthalt in Kuwait gelähmt
Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Katmandu, 12. August (IPS) - In Nepal herrscht inzwischen Frieden, doch der Exodus von Frauen, die in den reichen Golfstaaten ihr Geld verdienen wollen, nimmt immer weiter zu. So kehrten nach offiziellen Angaben 2010/2011 mehr als 10.000 Nepalesinnen ihrem Land den Rücken zu. Im laufenden Fiskaljahr sind mehr als 8.000 nach Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate aufgebrochen.

Nepal ist das Land der Welt mit den höchsten Deviseneinnahmen, die durch Arbeitsmigranten erwirtschaftet werden. Im Haushaltsjahr 2009/2010 beliefen sich die Auslandsüberweisungen einer Untersuchung der Weltbank zufolge auf 2,5 Milliarden US-Dollar. Somit gelang es dem Himalaja-Staat Bangladesch und die Philippinen abzuhängen, die die meisten Arbeitskräfte ins Ausland entsenden.

Doch der Abwanderungs-Hype hat einen hohen Preis. Auf der Haben-Seite trug er der Weltbankstudie zufolge zwar dazu bei, die Armut von 42 Prozent auf 31 Prozent zu senken. Auch konnte die Kluft zwischen Arm und Reich verringert und den Kindern der Arbeitsmigranten zu einer besseren Bildung und Gesundheitsversorgung verholfen werden. Doch Familientrennung, gewaltsame Übergriffe auf die in der Golfregion meist als Haushaltshilfen beschäftigten Frauen, Menschenhandel und der Verlust von Arbeitskräften auf dem heimischen Markt sind die negativen Folgen der Emigration.

"Zwischen 2008 und 2010 haben 15 nepalesische Dienstmädchen im Ausland Selbstmord begangen", berichtet Sthaneshwar Devkota vom Büro zur Förderung der Auslandsbeschäftigung. Hinzu kommen zahlreiche Suizidversuche, deren Zahl schwierig zu schätzen ist. Auch bleiben zahlreiche Nepalesinnen nach ihrer Abreise unauffindbar.

Dem nepalesischen Arbeitsministerium zufolge arbeiten derzeit zwischen 30.000 und 40.000 Nepalesinnen als Haushaltshilfen in den Golfstaaten. Doch die Migrantenhilfsorganisation 'Pourakhi' geht von mindestens 300.000 aus. "Nach dem Gesetz dürfen Nepals Haushaltshilfen maximal zwei Jahre im Ausland bleiben, doch gibt es viele Frauen, die seit zehn Jahren vermisst werden", berichtet die Pourakhi-Leiterin Bijaya Rai Shrestha.


Über Jahre verschollen

Shantimaya Dong Tamang war vor sechs Jahren nach Kuwait aufgebrochen. In diesem Monat kehrte sie nach Nepal zurück - auf einer Bahre. Nach Angaben der nepalesischen Botschaft in Kuwait hatte sie fast sechs Jahre im Farwaniya-Krankenhaus in der kuwaitischen Hauptstadt zugebracht, bis ihre Identität ermittelt und sie nach Hause zurückgeschickt werden konnte.

"Sie war gleich im ersten Jahr ihres Aufenthalts aus dem fünften Stock des Hauses ihres Arbeitgebers gestürzt", berichtet der Vater Bahadur Tamang, ein landloser Bauer aus dem zentralnepalesischen Bezirk Makwanpur. "Keiner weiß, was geschehen ist. Wollte sie fliehen? Wurde sie in die Tiefe gestoßen? Nur meine Tochter kennt die Wahrheit, doch sie kann nicht mehr sprechen." Die 23-jährige Shantimaya ist gelähmt und wird sich nie mehr selbst versorgen können.

Kani Sherpa, eine weitere Haushaltshilfe, starb unter ähnlich dubiosen Umständen. Während ihr Arbeitgeber erklärte, sie sei aus dem obersten Stockwerk gefallen, spricht ihre Familie von Mord nach einer Vergewaltigung.

Derartige Fälle haben in Nepal einen Aufschrei der Empörung ausgelöst und die Regierung gezwungen, die Entsendung von nepalesischen Haushaltshilfen zu verbieten. Doch nach einem Anstieg der illegalen Emigration wurde das Verbot im letzten Jahr wieder aufgehoben. Immerhin konnte das südasiatische Land inzwischen Abkommen mit Saudi-Arabien, Kuwait und Katar unterzeichnen, die den Haushaltshilfen ein Mindesteinkommen, ein eigenes Zimmer und die Kontaktaufnahme mit der Familie und Botschaft einmal die Woche garantieren. Außerdem müssen die Arbeitgeber moralisch betrachtet eine weiße Weste haben und ihre Einkommensverhältnisse offen legen, um Missbrauch vorzubeugen. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2011