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FRAUEN/326: Haiti - Wenn Frauen von UN-Blauhelmen schwanger werden, Hilfe bleibt oft aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2011

Haiti: Wenn Frauen von UN-Blauhelmen schwanger werden - Hilfe bleibt oft aus

Von Ansel Herz

Schwangere Frau, die Kind eines uruguayischen Blauhelms erwartet - Bild: © Ansel Herz/IPS

Schwangere Frau, die Kind eines uruguayischen Blauhelms erwartet
Bild: © Ansel Herz/IPS

Port Salut, 9. September (IPS) - Die 17-jährige Rose Mina Joseph aus der südhaitianischen Stadt Port Salut ist im neunten Monat schwanger. Mühsam bewegt sie sich über staubigen Hof ihres Elternhauses. "Der Vater des Kindes ist ein uruguayischer Blauhelm-Soldat namens Julio", erzählt die junge Frau und zeigt ein Bild von einem lächelnden Mann, der sie auf ihrer Geburtstagsparty im Arm hält.

Fünf Tage nach dem Fest sei sie schwanger geworden, sagt Joseph. Julio jedoch ist längst wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Die werdende Mutter fühlt sich gesundheitlich nicht wohl und meint, an Blutarmut zu leiden. "Ich habe Angst, dass mir das Geld für eine stationäre Entbindung fehlen könnte", gesteht sie. Mitte Juli überwies ihr Julio 150 US-Dollar aus Montevideo. Seitdem hat sie kein Geld mehr bekommen.

Die Vereinten Nationen beziehen klar Position, wenn es um sexuelle Beziehungen von UN-Soldaten zu Minderjährigen unter 18 Jahren geht. Ob die Frau nun einverstanden gewesen sei oder nicht - ein solches Verhältnis sei sexueller Missbrauch und damit verboten, erklärt der stellvertretende Sprecher von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Eduardo del Buey. Eine Sprecherin der UN-Friedensmission MINUSTAH in dem Karibikstaat sagte, alle Anschuldigungen würden überprüft.


Bis zu 15 Jahre Zwangsarbeit möglich

Nach haitianischem Recht ist Geschlechtsverkehr mit unter 18-Jährigen strafbar. Der Ausländer, der ihre Tochter geschwängert habe, müsse dieser nun helfen, fordert Josephs Mutter Antonia Zamor. Er habe bisher nur wenig Geld geschickt.

In Haiti müssen Männer, die wegen Sex mit einer Frau unter 18 Jahren vor Gericht gestellt werden, mit zehn bis 15 Jahren Zwangsarbeit rechnen. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Regierung und MINUSTAH genießen Blauhelme hingegen Immunität. Für Vergehen sollen sie in ihren Heimatländern zur Rechenschaft gezogen werden.

Auch andere Frauen in Port Salut, wo sich eine UN-Basis mit uruguayischen Blauhelmen befindet, haben inzwischen Kinder mit Soldaten. Den Blauhelmen wurde explizit abgeraten, sich mit Haitianerinnen vor Ort einzulassen. Abraten bedeute allerdings nicht verbieten, meint James Paul vom 'Global Policy Forum' in New York, der die Aktivitäten der UN beobachtet.

Sasha Francesca Barrios ist zwei Jahre alt, hustet ständig und hat Fieber. Sie trägt den Namen ihres uruguayischen Vaters. Ihre Mutter Roseleine Duperval zeigt einen Pass mit einem eingestempelten uruguayischen Einreisevisum. Sie sei kurz nach einem Uruguay-Besuch schwanger geworden, berichtet sie. Damals habe sie noch nicht einmal gewusst, ob ihr Mann zu dem Zeitpunkt noch als Friedenssoldat in den Karibikstaat stationiert war.


Mütter in akuter Geldnot

Nach drei Monat reiste der Südamerikaner ab. Duperval hat seitdem nichts mehr von ihm gehört. Sein Versprechen, Geld für das Kind zu schicken, hat er nie eingehalten. "Hier gibt es viele MINUSTAH-Soldaten, die Frauen schwängern und dann auf einmal weg sind", sagt sie.

Haitianerin mit dem Kind eines UN-Soldaten - Bild: © Ansel Herz/IPS

Haitianerin mit dem Kind eines UN-Soldaten
Bild: © Ansel Herz/IPS

Auch die 22-jährige Nerlande Nazaire, die nahe der UN-Basis wohnt, hat einen sechs Monate alten Sohn mit einem UN-Soldaten. Anders als viele andere Frauen hat sie mit dem Mann aber noch Kontakt. Sie hätten erst vor wenigen Tagen miteinander gesprochen, und er schicke auch regelmäßig Geld, berichtet sie.


Protest gegen Vergewaltigung

Roseleine gehörte zu den 300 Haitianern, die unlängst gegen die Präsenz der UN-Mission protestierten. Auslöser der Kundgebung war ein mit einem Handy gefilmtes Video, auf dem die Vergewaltigung eines 18-jährigen Mannes durch mehrere Soldaten zu sehen war. "Gerechtigkeit für Johnny Jean" war auf einem der Plakate zu lesen, die die Demonstranten hochhielten.

Fünf Uruguayer, die mit Hilfe des Videos als Vergewaltiger identifiziert wurden, sind inzwischen in ihr Heimatland zurückgeschickt worden. Laut einem Bericht der spanischen Zeitung 'El País' hat sich der uruguayische Präsident José Mujica in einem Schreiben an die haitianische Regierung entschuldigt und der Familie des 18-Jährigen eine Entschädigung zugesagt. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minustah/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105016

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2011