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FRAUEN/402: Indonesien - Gleichstellungsgesetz in der Schwebe, Widerstand einflussreicher Islamisten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Mai 2012

Indonesien: Gleichstellungsgesetz in der Schwebe - Widerstand einflussreicher Islamisten

von Kafil Yamin



Jakarta, 11. Mai (IPS) - Widerstand aus den Reihen einflussreicher Islamistengruppen in Indonesien gefährdet die Verabschiedung eines geplanten Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen. Doch auch aus der Bevölkerung kommt Kritik.

Sechs größere fundamentalistische Organisationen haben formellen Widerspruch gegen den Gesetzentwurf eingelegt. Sie argumentierten, dass mehrere Artikel gegen islamische Werte in dem bevölkerungsreichsten Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung verstießen. 80 Prozent der 238 Millionen Indonesier bekennen sich zum Islam.

Gegen das Gesetz sprachen sich unter anderem der Indonesische Ulema-Rat, der Indonesische Konsultativrat für muslimische Frauenorganisationen, 'Aisyiah', 'Hizbut Tahrir Indonesia' (HTI) und die Partei 'Islamische Gemeinschaft' aus.


Warnungen vor Konflikten in der Ehe

HTI-Sprecherin Iffah Ainur Rochmah erklärte nach Beratungen mit dem parlamentarischen Ausschuss für Religion und soziale Angelegenheiten am 16. März, dass die Gleichstellung der Geschlechter und Strategien, die die Berufstätigkeit von Frauen förderten, zu Konflikten in der Ehe führen könnten. So würden Lehrerinnen häufig geschieden, weil "Ehefrauen mit besserem Einkommen sich Männern überlegen fühlen könnten".

Der Gesetzentwurf, der sich an den Vorgaben der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW orientiert, läuft einem Grundsatz des islamischen Rechts zuwider, der Männer beim Erbrecht bevorzugt. Die Gesetzesänderungen sehen außerdem vor, dass Männer und Frauen ihre Ehepartner unabhängig vom Glauben frei wählen können. Zudem sollen Eheschließungen zwischen Homosexuellen und Lesben legalisiert werden.

Viele Frauen in dem südostasiatischen Staat werfen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie 'International Women against Shariah' (WAS) vor, Verwirrung in der indonesischen Gesellschaft zu stiften, in der Männer und Frauen festgelegte Rollen hätten. Wie WAS kritisiert, werden Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt. Dies sei unvereinbar mit den grundlegenden Menschenrechtsprinzipien, die Gleichheit vor dem Gesetz und den Schutz persönlicher Freiheiten beinhalteten.

"Indonesische Frauen haben keine Probleme mit Männern. Nur eine kleine Gruppe von Leuten versucht solche Probleme zu schaffen", sagte Salwa Amira, eine junge Muslimin, die als Umweltberaterin für ein südkoreanisches Unternehmen in Jakarta arbeitet. Feministinnen und andere NGOs machten Werbung für das Gesetz, erklärte sie. "Die Kampagne zieht Frauen an, die Krisen erlebt haben."

Muhammad Abas, ein regionaler Leiter der Behörde für religiöse Angelegenheiten, ist nicht der Ansicht, dass Frauen allgemein stärker benachteiligt werden als Männer. Es stimme zwar, dass einige Frauen aus dem Berufsleben ausgeschlossen seien. Doch das treffe auch für Männer zu, sagte er.

Offizielle Informationen darüber, wann das Parlament wieder über das Gesetz beraten wird, liegen bisher nicht vor.

"Die indonesische Regierung hat CEDAW bereits 1984 ratifiziert", sagte Nining Widaningsih, eine bekannte Kommentatorin, die oft zu Frauenangelegenheiten Stellung nimmt. "Das Gesetz soll die Regelungen korrigieren, die in vielfacher Hinsicht noch Nachteile für Frauen bergen."

Ein Programm des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) für den Zeitraum 2011 bis 2015 sieht vor, der Gewalt gegen Frauen "durch bessere Strategien und soziale Sicherungssysteme" entgegenzuwirken. Diese Maßnahmen stehen im Einklang mit CEDAW, dem Aktionsprogramm der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung sowie nationaler Gesetze.


Häusliche Gewalt hat zugenommen

Nach Angaben des indonesischen Ministeriums für Frauen und Kinderschutz ist die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt in den vergangenen zwei Jahren von 105.103 Fällen 2010 auf 119.107 Fälle im vergangenen Jahr gestiegen. Viele Frauen kritisieren jedoch, dass einige NGOs diese Zahlen künstlich in die Höhe trieben.

Auch Yeni Huriani, Lektorin an der staatlichen Islamischen Universität von Bandung, spricht vielen unabhängigen Organisationen die Glaubwürdigkeit ab. "Manchen geht es nur darum, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem sie Kontroversen auslösen. Sie brauchen Spendengelder."

Kürzlich hatte eine Organisation namens 'Keadilan Jender dan Hak Asasi Manusia' (Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechte) eine Untersuchung veröffentlicht, der zufolge Schüler an islamischen Internaten in Zentraljava Opfer sexueller Übergriffe ihrer Lehrer geworden sind.

Obgleich in dem Papier keine Beteiligten namentlich benannt wurden, reagierten Islamführer, Wissenschaftler und Schüler empört. "Wie kann eine derart unseriöse Information öffentlich verbreitet werden?" fragte Huriani.

Kirana Andilycia, eine Hausfrau, schrieb in einem Facebook-Eintrag, dass das umstrittene Gleichstellungsgesetz das Werk "radikaler Feministinnen ist, die durch den Westen unterstützt werden". Die eigentlichen Anliegen der Indonesierinnen würden nicht berücksichtigt, beanstandete sie. Mütter vom Stillen ihrer Kinder befreien und Frauen 30‍ ‍Prozent der Parlamentssitze beschaffen zu wollen, sei einfach zu viel.

Aus dem 'Global Gender Gap Report' von 2010 des Weltwirtschaftsforums geht jedoch hervor, dass immerhin 21 Prozent der Parlamentarier und 15 Prozent der Minister in dem Land weiblich waren. Demnach sind auch 20 Prozent der höheren Beamten und Manager Frauen. Auch die Weltbank bescheinigt Indonesien in ihrem Entwicklungsbericht 2012 gute Fortschritte. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107725

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2012